Führungslos

Führungslos

ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer hat es in seiner Amtszeit verabsäumt, eine klare Führungsrolle einzunehmen. Das daraus entstehende Machtvakuum wird immer mehr zum Problem.

Wenige Stunden bevor das ÖFB-Team am Mittwoch die mühsame Reise nach Almaty auf sich genommen hat, hat die Pressekonferenz mit Teamchef Ralf Rangnick offenbart, dass der größte Sportverband Österreichs derzeit ein großes Problem hat. Von "Nationalteam vor Abflug nach Kasachstan voll fokussiert", wie es auf der verbandseigenen Homepage geschrieben wird, kann keine Rede mehr sein.

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Rangnick: Mittendrin statt nur dabei

Aktuell sind die sportlichen Themen in den Hintergrund gerückt, die Zeitungen waren Donnerstag-Früh voll mit den Aussagen des Teamchefs, wonach man die Spieler und Trainer "nicht einfach nur so für dumm verkaufen und für dumm halten" solle. "Dazu sind die Jungs zu schlau. Und dafür sind auch wir zu schlau."

Der Deutsche ist im aktuellen Machtkampf des ÖFB mittendrin statt nur dabei.

Michael Fiala

Der Deutsche ist im aktuellen Machtkampf des ÖFB mittendrin statt nur dabei. Der jahrelange Konflikt zwischen den beiden Geschäftsführern Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold, der darin gegipfelt ist, dass mit beiden die Dienstverträge aufgelöst werden sollen, ist weiterhin ein Dauerthema.

"Werde für alle da sein"

Die gestrige Pressekonferenz ist der vorläufige Höhepunkt und vor allem eines: Ein Symbol für die Führungsschwäche von ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer. Der Kärntner wurde im Juli vergangenen Jahres an die Spitze des Verbands gewählt. Aber nicht deswegen, weil er das Präsidium mit einem besonderen Konzept überzeugt hatte. Mitterdorfer wurde im Zuge eines Machtkampfes mehr oder weniger aus taktischen Gründen nach oben gespült. Der neugewählte Präsident meinte damals in seinem ersten Interview mit Kronen Zeitung: "Die ganze Diskussion hat eine Dynamik angenommen und plötzlich war ich praktisch Präsident. (…) Ich werde für alle da sein."

Der sympathische Kärntner fühlte sich in der Rolle des Präsidenten schnell wohl. Den Rucksack mit den Problemen, die der Verband die Jahre zuvor nicht gelöst hat, hat Mitterdorfer jedoch mit umgehängt bekommen. Sein Credo, dass er für alle da sein werde, ist sicherlich auch ehrlich, authentisch und nett gemeint. Nach rund 16 Monaten muss man aber feststellen, dass der ÖFB auf diese Art und Weise nicht zu führen ist.

Keine klaren Ansagen

Klare Ansagen und Entscheidungen hat Mitterdorfer bisher vermissen lassen. Sogar in der Presseaussendung nach der letzten Präsidiumssitzung hat sich diese Führungsschwäche schwarz auf weiß manifestiert. Damals hieß es: "Um diese Neugestaltung der Geschäftsführung im Zuge der Strukturreform umsetzen zu können, wurde der Präsident per Beschluss beauftragt, die Dienstverhältnisse von Generalsekretär Dr. Thomas Hollerer und Mag. Bernhard Neuhold, Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH, zu lösen und in weiterer Folge mit beiden Gespräche über eine mögliche weitere Beschäftigung im ÖFB innerhalb der neuen Struktur zu führen."

Dazu muss man wissen: Der Beschluss umfasste "lediglich" die Auflösung der Dienstverhältnisse. Dass man "in weiterer Folge" mit beiden Gespräche über eine "mögliche Neubeschäftigung im ÖFB" führen möchte, hat Mitterdorfer in den Text reklamiert. Es ist nahezu absurd zu glauben, dass diese zwei Personen nach dem jahrelangen Konflikt in anderen Positionen weiter im Verband zu beschäftigen sind. Wenn man Dienstverträge von Personen auflösen muss, kann man nicht mehr für alle da sein, sondern muss diese Entscheidung durchziehen.

Gefährliches Machtvakuum

Die Folge: Es bildete sich in den vergangenen Monaten und Wochen ein gefährliches Machtvakuum im ÖFB, das von verschiedenen Personen nun gefüllt bzw. genützt wird. Das betrifft einerseits den Teamchef selbst. Die Ansage von Mitterdorfer im Mai dieses Jahres nach der Absage des Deutschen an die Bayern, wonach man Rangnick mit einem neuen Vertrag und zusätzlichen Kompetenzen ausstatten möchte, jedoch in weiterer Folge kein einziges Mal mit Rangnick selbst darüber zu sprechen, erwies sich als Bärendienst.

Denn eines ist auch klar: Es war von Beginn an klar, dass man Rangnick gewisse Freiheiten im Verband geben wird müssen. Aber die Kombination aus Mitterdorfer und dem ebenfalls nicht führungsstarken Sportdirektor Peter Schöttel führt genau zu dem, was wir jetzt erleben: Nämlich, dass Rangnick auch seine eigenen Grenzen zum Teil überschreitet und sich in Angelegenheiten einmischt, die ihn eigentlich wenig angehen.

Gemeint ist damit, dass ein Teamchef sich nicht einmischen sollte, wer wirtschaftlicher Geschäftsführer eines Verbands ist. Auch Rangnick bräuchte ab und zu klare Ansagen von oben, die es allerdings nicht gibt.

Allen Verantwortlichen sollte daher bewusst sein, dass diese Führungskrise immer mehr und mehr auch zum Problem für das ÖFB-Team selbst wird – und damit auch einer erfolgreichen Qualifikation für die WM 2026 im Weg stehen könnte.

Michael Fiala

Darüber hinaus haben sich in diesem Vakuum im Hintergrund bereits mögliche Nachfolger von Mitterdorfer positioniert. Georg Pangl, seit einigen Monaten neuer Präsident des burgenländischen Verbandes, hat es in seinem eigenen Buch als klares Ziel ausgegeben, ÖFB-Präsident werden zu wollen.

Und auch Roland Schmid zeigt dem Vernehmen nach wieder großes Interesse an dieser Position. Möglicherweise positionieren sich beide auch als Team: Schmid als Präsident, Pangl als neuer CEO – so wird es zumindest in ÖFB-Kreisen aktuell erzählt. Und Mitterdorfer selbst will den aktuellen Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer auf die CEO-Position hieven, jedoch eine Ausschreibung dieser Position auf jeden Fall vermeiden.

Bleibt der Erfolg auf der Strecke?

Was bleibt über? In einem Verband wie dem ÖFB kann man es nicht allen recht machen. Die latente Führungskrise in den vergangenen Jahren, die sich nun wieder einmal zuspitzt, gefährdet allerdings mittlerweile auch den sportlichen Erfolg.

Es klingt paradox: Der schnelle Aufstieg des ÖFB-Teams unter Rangnick hat die Problemfelder des Verbands zunächst zugedeckt. Das wurde von Mitterdorfer dankend aufgenommen und fällt nun Rangnick wieder auf den Kopf. Der Teamchef wirkt zunehmend verärgert und wendet Energie für Bereiche auf, die nicht in sein Aufgabengebiet fallen.

Allen Verantwortlichen sollte daher bewusst sein, dass diese Führungskrise immer mehr und mehr auch zum Problem für das ÖFB-Team selbst wird – und damit auch einer erfolgreichen Qualifikation für die WM 2026 im Weg stehen könnte. Und was passiert, wenn sich die Mannschaft nicht für die Weltmeisterschaft qualifizieren sollte, hat Rangnick gestern eindrucksvoll erläutert: "Dann bin ich einen Tag später nicht mehr Teamchef."

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