Die wunderbare Welt der Alps Premier League
Die Alps Premier League, eine gemeinsame Liga mit Österreich und der Schweiz, wird derzeit als eierlegende Wollmichsau für den rot-weiß-roten Fußball verkauft. Doch das Konzept hält nicht, was es an der Oberfläche verspricht. Eine Analyse von Michael Fial
Was haben unter anderem Marc Janko, Grödig-Präsident Helmut Gruber und Ex-Bundesliga-Vorstand Peter Westenthaler gemeinsam? Sie alle haben sich in der Öffentlichkeit mit Begeisterung zur Idee der Alps Premier League geäußert. „Eine super Idee. Das wäre eine Aufwertung unseres Fußballs, würde helfen, gute Spieler länger hier zu halten. Mit mehr Konkurrenz steigt zwangsläufig die Qualität. Das würde auch das Produkt attraktiver machen. Die Vermarktungsrechte wären mehr wert – höhere TV-Gelder möglich“, sagte etwa der ÖFB-Teamstürmer, der gerade beim FC Basel unter Vertrag steht, im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten.
Alles wird besser
Der erste, oberflächliche Blick auf die Konzepte der „Alps Premier League“ von Marco Schober und Josef Gfrerer, die derzeit in den österreichischen Medien herumgeistern, zeigt einen schlafenden Riesen, den es nur zu erwecken gilt. Die Vorteile liegen – so Gfrerer im Gespräch mit 90minuten.at – auf der Hand: „International konkurrenzfähig, deutlich mehr Sponsor-Einnahmen, spannendere Spiele, mehr Budget für die Vereine, bessere Spieler, eine bessere Plattform für die Jungendspieler“, sagt Gfrerer, der noch weitere Argumente aufzählen könnte.
Kurz gesagt: Dem österreichischen Klubfußball steht durch einen Zusammenschluss eine mehr als rosige Zukunft bevor. Einfach alles, was derzeit im Argen liegt, könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Gfrerer zeigt sich im Gespräch mit 90minuten.at auch felsenfest davon überzeugt und nennt fachliche Literatur von den Herren Hammer, Daumann, Hinterhuber oder Welch , die „mit sportökonomischen, makro- und mikropolitischen Aspekten dieses Konzept bekräftigen.“ Die UEFA, so meinte Schober zuletzt, würde dieses Konzept mit Handkuss nehmen. Fakt ist, dass die UEFA genau diese Form der gemeinsamen Ligen in ihren Regularien dezidiert ausschließt. Gfrerer: „Regeln können aber auch geändert werden. Es wäre nicht das erste Mal.“
Mehr Wunschdenken als Konzept
Soweit die Theorie. Doch der Fußball lebt nicht nur von der Theorie allein und Konzepte, wie sich der österreichische Fußball verbessern kann, gibt es wie Sand am Meer. Auch die Idee einer gemeinsamen Liga mit der Schweiz ist freilich nicht neu. Geht man im Gespräch mit Gfrerer in die inhaltliche Tiefe, ist schnell klar, dass es sich bei der Alps Premier League mehr um ein Wunschdenken als um ein stichfestes Konzept handelt.
Beispiel? Auf die Frage, warum es laut Alps-Premier-League-Konzept deutlich höhere Sponsoringeinnahmen als bisher geben soll, antwortet Gfrerer: „Wenn sich der Markt verdoppelt, werden auch die Preise für die Sponsoringpakete automatisch steigen.“ Vergessen wird dabei von Gfrerer jedoch die Tatsache, dass Unternehmen wie Verbund, Wien Energie, BauWelt-Koch oder Puntigamer – um nur einige der Hauptsponsorenzu nennen - kein Interesse haben, am Schweizer Markt aktiv zu sein. Die Folge: Das Sponsoring wird laut Alps Premier League wertvoller und teurer, der Streuverlust für die sponsoringtreibenden Unternehmen aber wesentlich höher. Gfrerer entgegnet: „Die Klubs werden durch die Zusammenlegung interessant für globale Konzerne, wie etwa Nestle.“ Gegenfrage: Was hätte diese Konzerne bisher daran gehindert, den österreichischen Markt mit Sponsorings im Fußball zu erschließen, noch dazu deutlich günstiger? Nestle braucht keine gemeinsame Liga, um in Österreich als Fußball-Sponsor aufzutreten. Dass zudem 80-90% der Sponsoren der österreichischen Fußball-Klubs regionale Unternehmen sind, die von einer Präsenz in der Schweiz ebenso keinen Mehrwert erwarten können, wird von Gfrerer und Schober in diesem Konzept ebenso ignoriert.
Deutlich mehr TV-Geld?
Auch die Annahme, dass die Dotation der TV-Verträge künftig in die Höhe schießen wird, steht auf wackligen Beinen. Derzeit lukriert die Schweizer Liga 24 Mio. Euro pro Jahr, die österreichische 20 Mio. Euro. Eine deutliche Erhöhung der Dotation wäre allerdings auch notwendig, wenn künftig statt 20 Klubs pro Land das Geld dann auf 30 oder gar 40 Klubs aufgeteilt wird. Oder verzichtet man künftig in Österreich darauf, die Klubs der zweithöchsten Liga solidarisch mitzufinanzieren? Dass gerade der TV-Markt in der Schweiz zudem durch die Mehrsprachlichkeit nicht so über einen Kamm zu scheren ist wie der österreichische, ist in diesem Konzept ebenfalls egal.
Mehr Zuschauer
Doch es gibt in diesem Konzept auch angesprochene Problemfelder, die ihre Berechtigung haben: Nicht wegzudiskutieren ist die Annahme, dass die Zuschauerzahlen steigen könnten, wenn es einerseits nur noch zwei Spiele pro Jahr gegen den gleichen Verein geben wird und andererseits etwa der FC Basel – zum Beispiel – beim SV Grödig zu Gast wäre. Doch wie wäre es umgekehrt? Würden sich die Young Boys Bern künftig über einen Besuch des SV Mattersburg mit deutlich mehr Zuschauer freuen? Wäre das Stadion in Basel gegen den SV Grödig auch so voll wie gegen die Schweizer Klubs? Fragen, die von Gfrerer nicht beantwortet werden können.
Unternehmen können Mehrheit an Klubs übernehmen
Apropos Schweiz: Die Unterschiede zwischen der Schweiz und Österreich in Sachen Lizenz sind derzeit relativ deutlich. In einem „veralteten“ Stadion darf nur gespielt werden, wenn der Klub einen Baubescheid für ein modernes Stadion in Händen hält. Wenn es also eine gemeinsame Liga geben sollte, ist eine Anpassung der beiden Lizenzierungssysteme notwendig. Damit überhaupt dann noch eine Hand voll rot-weiß-roter Klubs in Frage kommen, müssten die Schweizer ihr System downgraden. Eine weitere Utopie, die in diesem Konzept einfach vergessen wurde.
Aber nicht nur, dass die Schweiz deutlich höhere Anforderungen in Sachen Lizenz hat. Nein, die Schweizer Liga hat noch eine weitere Besonderheit auf Lager, die vor allem den traditionsbewussten österreichischen Fans auf den Magen schlagen wird: Unternehmen können sich mit mehr als 50% an einem Klub beteiligen. Wenn es eine gemeinsame Liga geben sollte, müsste dieser Passus auch in Österreich eingeführt werden. Ob die Begeisterung der Fans dann noch immer anhält?
Zuletzt gab es sogar ein Treffen der Initiatoren mit Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer. Ebenbauer zeigte sich auch danach wenig beeindruckt von diesem Konzept. Er gilt seit jeher als realistisch denkende Instanz im österreichischen Fußball, der selten dazu neigt, zu fantasieren - auch wenn es einigen Stakeholdern manchmal sogar zu trocken zugeht. Nach dem Gespräch meinte Ebenbauer: "Evaluiert werden derartige Ideen ebenso wie alle anderen Modelle stetig. Fakt ist, dass derartige Modelle aus mehreren Gründen weit mehr Nachteile bringen würden als bspw. das derzeitige Ligenformat. Die UEFA Regelung ist ein wesentlicher Punkt, aber gleich danach kommt schon das Thema Auf- und Abstieg und wie es zu verhindern wäre, dass nach ein paar Jahren nur noch Klubs aus dem einen oder anderen Land spielen könnten, ohne dass man bei einer 16-er Liga als 8-Platzierter absteigt. Auch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Strukturen der Länder, sei es jetzt die Einkommensstruktur sowohl bei Spielern als auch bei Fans oder die unterschiedliche Sponsor- und Medienlandschaft sind Themen, die zu berücksichtigen sind."
Schweiz als Entwicklungshilfe für Österreich?
Das Konzept der Alps Premiere League wirkt überhaupt ein bisschen so, als ob die Schweizer Klubs quasi als Entwicklungshelfer für die österreichische Liga agieren. Welches Interesse sollte also die Schweizer Liga überhaupt haben, mit Österreich zusammenzugehen? Diese Frage haben wir Claudius Schäfer, Vorstand der Schweizer Football League, gestellt. Seine Antwort: „Die Swiss Football League unternimmt momentan keine Anstrengungen, im Detail über eine gemeinsame Liga mit Österreich zu diskutieren. Auch von Seiten der Klubs ist dieser Wunsch in den letzten Jahren nicht an die Schweizer Liga herangetragen worden.“
Schäfer ergänzt: „Eine länderübergreifende Meisterschaft würde die teilnehmenden Ligen vor riesige organisatorische Herausforderungen stellen, sei es im Bereich der unterschiedlichen Reglemente und Verträge, sei es im logistischen Bereich für Fans und Teams oder sei es aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Strukturen.“ Die Schweizer Liga kann derzeit einen Liga-Zuschauerschnitt von 11.000 Fans vorweisen, die österreichische Liga grundelt unter der 7.000er Marke herum. „Es stellt sich deshalb die Frage, ob Meisterschaftsspiele gegen Klubs aus Österreich für Schweizer Fans, Klubs und Sponsoren sportlich und wirtschaftlich interessanter wären, als die Duelle gegen die besten Teams des eigenen Landes. Besonders die Westschweiz und das Tessin haben einen sehr kleinen Bezug zum östlichen Nachbarland“, so Schäfer.
Doch Schäfer geht im Gespräch mit 90minuten.at noch mehr ins Detail: „Und schließlich sind die Nachteile für die Schweizer Klubs in den europäischen Wettbewerben nicht abzuschätzen. Die auf Rang 11 der UEFA-Rangliste klassierte Schweiz stellt momentan einen Fixstarter in der Gruppenphase der Champions League und der Europa League – auf diese hervorragende Ausgangslage werden die Schweizer Klubs nicht verzichten wollen.“
Klingt nach einer klaren Absage. Doch wir geben nicht auf. Was spricht für eine gemeinsame Liga, Herr Schäfer? „Es ist für Schweizer Klubs immer spannend, einen regelmäßigen sportlichen Vergleich mit Klubs aus einem anderen Land zu suchen. Allerdings gibt es hierfür bereits die europäischen Klub-Wettbewerbe, in welchen die Schweizer Klubs in den letzten Jahren mit guten Resultaten geglänzt haben.“ Soll heißen: Den internationalen Kitzel holen sich die Schweizer Klubs in der Europa- und der Champions-League und sicher nicht über die österreichische Liga. Irgendwie auch verständlich.
„Fragen Sie doch Herrn Westenthaler…“
In Summe ist das Konzept der „Alps Premier League“ eine nette Spielerei und schmiert den österreichischen Fußball-Fans Honig ums Maul. Und gerade in den oft festgefahrenen Denkmustern der österreichischen Fußball-Funktionäre ist es möglicherweise auch ein Impuls, über das jetzige Format der beiden 10er-Ligen nachzudenken, auch wenn sich der eine oder andere österreichische Klub-Präsident derzeit nur all zu leicht von der Alpenliga als Lösung blenden lässt, um hausgemachte Probleme unter den Teppich zu kehren.
Gfrerer und Schober sind jedenfalls davon überzeugt, dass in der Alps Premier League die Zukunft liegt. Als sich die inhaltlichen Argumente im 90minuten.at-Interview am Ende dann doch wiederholen, meint Gfrerer zum Abschluss: „Fragen Sie doch den Herrn Westenthaler, der kann ihnen bestätigen, dass dieses Konzept erfolgreich sein kann.“ Doch dieses Kapitel des österreichischen Fußballs ist zum Glück bereits längst beendet.
Deine Meinung ist gefragt? Was sagst Du zur Alps Premier League? Diskutiere in den Kommentaren mit 90minuten.at-Chefredakteur Michael Fiala!