Helmut Schulte: Rapids Blick über den Tellerrand und was Marcel Koller damit zu tun hat
Rapid hat heute mit Helmut Schulte nicht nur einen neuen Sportdirektor vorgestellt, sondern damit auch erstmals seit langer Zeit wieder einen Blick über den personellen Tellerrand geworfen. Schulte habe im Hearing auch aufgrund seines Konzepts überzeugt.
Nicht einmal der sonst so gut informierte Kurier wusste dieses Mal Bescheid. Die Verpflichtung von Helmut Schulte bei Rapid war ähnlich überraschend wie jene von Marcel Koller zum neuen Teamchef. Niemand hatte den ehemaligen Geschäftsführer Sport des FC St. Pauli auf der Rechnung. Das ist nicht die einzige Parallele zum ÖFB.
Rapid-Präsident Edlinger wirkte Staatsmännisch. Rapid habe sich bei der Suche die notwendige Zeit gelassen. 12 Personen wurden schlussendlich kontaktiert, vergangene Woche gab es ein Hearing, bei dem dann die Favoriten aus diesem 12er-Kreis ihr Konzept präsentieren durften und sich den Fragen von Edlinger & Co stellen mussten.
Ende der Inzucht?
Mit der Entscheidung, Helmut Schulte als obersten sportlichen Verantwortlichen zu engagieren, hat Rapid erstmals seit langer Zeit einen Blick über den Tellerrand geworfen und nicht nur ausschließlich in der Rapid-Suppe gelöffelt. Edlinger meinte auf die Frage, warum die Wahl schlussendlich auf Schulte gefallen sei: „Schulte kann in allen Bereichen des Fußballsports Erfahrung vorweisen und ist vor allem durch seine klare Positionierung im Hearing positiv aufgefallen. Vor allem seine mehrfache Tätigkeit bei St. Pauli hat uns sehr gut gefallen. St. Pauli ist in Deutschland der Kultclub, so wie es Rapid in Österreich ist." Damit ist die zweite Parallele zum ÖFB gezogen. Auch Marcel Koller wurde zugetraut, aus dem Underdog ÖFB eine schlagkräftige Mannschaft zu formen, weil er es bei Bochum auch unter Beweis gestellt hat. So soll Schulte Rapid auf Vordermann bringen, obwohl Budget und Erwartungshaltung nicht zusammenpassen. Das kennt er von St. Pauli.
Viele Phrasen – wenig Inhalte
Danach folgten viele Phrasen und (noch) wenig Inhalte. Ein Beispiel: „Wenn es dem Klub gut geht, geht es allen gut. Wenn es dem Klub schlecht geht, geht es uns allen schlecht. Ich persönlich werde alles dafür tun, dass es dem Klub SK Rapid gut geht", so Schulte in seiner Antrittsrede. Schulte will zunächst zuschauen, zuhören und dann erst Entscheidungen treffen. Die Situation bei Rapid kann er gut nachvollziehen. „Rapid hat einen Anspruch wie Bayern München, eine Tradition und Leidenschaft wie Schalke 04 und ein Budget wie St. Pauli."
Peter Schöttel freut sich auf die Zusammenarbeit mit Helmut Schulte (Foto: 90minuten.at)
Konzept „Klarheit und Bestimmtheit" hat überzeugt
Ein bisschen genauer wollte ich es dann doch wissen und fragte Präsident Edlinger, welches konkrete Konzept denn überzeugt hat. Edlinger: „Seine Klarheit und seine Bestimmtheit haben uns überzeugt." Meine Nachfrage: „Und inhaltlich?". Edlinger hielt kurz inne und sagte dann: „Er ist überzeugt davon, dass es von der U6 bis zur Kampfmannschaft eine Kontinuität braucht und seine Ansicht, dass er als Sportdirektor der erste, wesentliche Unterstützer des Trainers ist, hat mir gefallen. Es imponierte mir auch, dass er der Meinung ist, dass nur ein starker Trainer gute Arbeit leisten kann."
Mit der Kontinuität von der U6 bis zur Kampfmannschaft hat Edlinger schlussendlich die dritte Parallele zum ÖFB gezogen. Schulte ergänzte danach: „Ich bin ein großer Freund von Kontinuität. Wenn ich Misserfolg haben will, dann muss man nur oft genug das Personal ändern. Dann klappt das ganz toll. Weil wir aber das Gegenteil machen wollen, tun wir das auch. Hier sind Menschen am Werk, die schon ganz lange für den Verein arbeiten. Das war auch immer schon mein Konzept: Erst das Potenzial im eigenen Klub nutzen, wenn man sich da nicht so richtig findet, dann muss man sich etwas breiter aufstellen. Ich denke, dass das auch hier das Konzept sein kann. Ich bin kein Freund vieler Transfers, überhaupt nicht. Das Gegenteil ist der Fall."
Philosophie vs Erwartungshaltung
Einen klaren Fingerzeig in Richtung Fans, die Rapid immer wieder als Sparverein sehen, gab es auch. Schulte: „Es gibt hier kompetente Leute, die schauen, dass viel Geld eingenommen wird. Bei St. Pauli war es so: Wir haben nicht alles vermarktet, was nicht schnell genug auf die Beine kam. Zum Beispiel den Stadionnamen. Das hat natürlich zu Mindereinnahmen geführt. Aber wenn man sagt, das ist unsere Philosophie, dann muss man auch damit leben, dass man zwei Millionen weniger hat. Dann dürfen die Ansprüche aber nicht ins Universum steigen."
Mit der Bestellung von Schulte zeigt Rapid, dass der Traditionsklub bereit ist, sich nach außen zu öffnen und nicht ausschließlich als Karriereleiter für ehemalige Rapid-Ikonen zu fungieren. Diese „Änderung" in der Personalrekrutierung ist ein großer Fortschritt. Ob die von Edlinger und Schulte angesprochenen Parallelen zwischen St. Pauli und Rapid groß genug sind, um erfolgreich arbeiten zu können, wird sich zeigen. Eines kann man jetzt schon sagen: Der frische Wind wird Rapid jedenfalls gut tun.