Pro & Contra: Warum du die Ligareform liebst oder hasst [Exklusiv]
Seit der Saison 2018/19 teilt sich die heimische Liga nach zwei Drittel der Spielzeit in Spreu und Weizen. Zusätzlich werden die halben Punkte gestrichen, um Spannung zu erzeugen. Unfair, sagt 12 Meter-Kolumnist Jürgen Pucher. Stimmt nicht, meint 90minuten.at-Herausgeber Michael Fiala.
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Pro: Ganz Fußball-Österreich wird jubeln
von Michael Fiala
10er-Liga, 12er-Liga, 16er-Liga, Oberes-Playoff, Mittleres-Playoff, Unteres-Playoff, Meistergruppe, Aufstiegsgruppe, … Die Liste der verschiedenen Formate in der österreichischen Bundesliga ist beinahe so lange wie die Geschichte der Bundesliga selbst. Natürlich war früher immer alles besser. Hauptsache wir haben etwas zum Nörgeln, speziell seit dem die Kommerzialisierung den Fußball vor sich her treibt.
Die Dorfliga ist Geschichte
Und auch die kleine, österreichische Bundesliga kann sich dem nicht entziehen. Immerhin: Vor einigen Jahren wurde sie noch oft als „Dorfliga“ durchs Social-Media-Dorf getrieben. Diese Zeiten sind irgendwie vorbei. Und warum? Weil sich die Liga eben stetig weiterentwickelt. Und zu einer Weiterentwicklung gehört es eben einfach auch dazu, neue Formate zu überlegen und den Mut zu haben, diese auch umzusetzen.
Ja, die Tabellen- und Punkteteilung ist sicherlich nicht perfekt. Und aus sportlicher Sicht lässt sie die Leistung der ersten 22 Runden ein wenig in den Hintergrund rücken. Und die Reform ist nicht nur ein Ergebnis einer rein sport-strategischen Überlegung. Natürlich gibt es wirtschaftliche Interessen – Stichwort TV-Vermarktung, Sponsoren, Reichweiten. Wir brauchen uns da nicht in den Sack lügen. Fußballromantik und die Hoffnung auf eine geile 16er-Liga helfen uns allerdings auch nicht weiter. Natürlich: Die Losergruppe, oder im Bundesliga-Deutsch auch Qualifikationsgruppe genannt, strotz nicht gerade vor Attraktivität. So ehrlich muss man aber sein: Der Abstiegskampf hat vor der Reform ebenfalls keine Massen mobilisiert. Auch dass der siebente noch eine Chance auf Europacup hat, während der sechste der Meistergruppe durch die Finger schaut, ist schlicht unfair.
Ihr werdet alle jubeln
Eines muss man aber neidlos anerkennen: Die Zuspitzung rund um die Tabellenteilung hat dazu geführt, dass gerade in der normalerweise trostlosen Fußball-Zeit im Februar oder März, die Zuschauerzahlen nicht ins Bodenlose sinken, sondern im Gegenteil sogar leicht ansteigen. Es kommt also Bewegung in die Liga, während sonst in Zeiten der 10er-Liga die Saison eigentlich schon mehr oder weniger entschieden war.
An der Meisterfrage hat die Reform bisher nichts geändert. Aber vielleicht kommt irgendwann in den nächsten drei, vier oder fünf Jahren der Moment, wo dann ein Verein wie Sturm Graz, LASK, Rapid oder Austria den einen Punkt vor Salzburg liegen wird. In diesem Moment wird es dann scheiss egal sein, wenn dieser Meister nur durch die Punkteteilung zustande gekommen ist. Und ganz Fußball-Österreich wird jubeln, dass es endlich wieder mal einen Meister geben wird, der nicht Red Bull Salzburg heißt.
Contra: Verzerrte Realität
von Jürgen Pucher
Nach Runde 22 wurden in der heimischen Bundesliga also wieder die Punkte halbiert und die zwölf Erstligamannschaften in "oben" und "unten" aufteilt. Jetzt, nach der Länderspielpause spielen die sechs besseren Teams um den Titel, unten rangeln die anderen gegen den Abstieg. Das wäre übrigens auch ohne Tabellenteilung so, das nur der Vollständigkeit halber. Wenn man sich die Meinung der allermeisten Bundesligatrainer zu Gemüte führt, lautet der Tenor ungefähr so: Sportlich recht unfair, aber für das Publikum halt attraktiv. Ich meine, diese Einschätzung greift noch zu kurz: Dieser seit ein paar Jahren angewandte Modus ist für die Fernsehsender wünschenswert, das war es dann auch schon.
Künstliche Spannung erzeugt Zerrbild
Die Spielart der höchsten heimischen Spielklasse ist in vielerlei Hinsicht schlicht abzulehnen. Einer Mannschaft nach zwei Drittel der geleisteten Arbeit die halben Punkte zu streichen, nur um ein wenig mehr Drama ins letzte Drittel hineinzubekommen, widerspricht jeglichem Fairness- und Wettbewerbsgedanken. Das ist sogar schon so weit gegangen, dass eine Mannschaft aus der Erstklassigkeit absteigen musste, obwohl sie ohne Halbierung nicht die wenigsten Punkte gehabt hätte.
Dazu kommt, dass es für die sechs Teams der unteren Hälfte ohne weiteres noch möglich ist, sich für den Europacup zu qualifizieren. In der Regel mit weniger Aufwand als sonst, weil der Punkteabstand da wohl schon zu groß gewesen wäre. Das alles ist am Ende nichts anderes, als den Gesetzen des Fernsehmarktes zu folgen und eine künstliche Spannung zu erzeugen, die ein Zerrbild der erarbeiteten Realität darstellt.
Alles wie immer, nur unfair
Neben der Karotte der möglichen Europacup-Quali vor der Nase, haben die sechs „Loser“ des Grunddurchgangs aber vor der Sommerpause kaum noch etwas zu gewinnen. Die attraktiven (=publikumswirksamen) Klubs der Liga spielen meistens oben, was für die unten kickenden Vereine ausschließlich im eigenen Saft schmorende Schonkost bedeutet. In der Meisterrunde soll der Kampf um den Teller durch die Teilung von Tabelle und Punkten aufregender werden. In der Realität beschränkt sich das der Erfahrung nach auf einen relativ kurzen Zeitraum, bis Red Bull dann wieder davongezogen ist.
Der amerikanische Zugang der heimischen Bundesliga, nämlich alles Mögliche zu unternehmen, um etwas durch Kunstgriffe spannender zu machen als es ist, verläuft alles in allem im Sande. Außer einer kleinen Zuspitzung rund um Runde 22, wenn es um oben oder unten geht, ist alles wie gehabt, dafür unfairer. Nicht umsonst war der letzte Nicht-Red Bull-Meister seit Bestehen der Getränkedosen-Franchise aus der Zeit vor dem neuen Ligamodus.