Milletich ist nur das Symptom: Ein Verband macht sich lächerlich [Exklusiv]
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Milletich ist nur das Symptom: Ein Verband macht sich lächerlich [Exklusiv]

Ein Rücktritt des ÖFB-Präsidenten scheint unausweichlich. Der Verband und seine Funktionäre haben sich jedoch selbst in dieses Schlamassel manövriert. Gerhard Milletich ist nur das Symptom eines im 20. Jahrhundert steckengebliebenen Verbandes.

Es ist insgesamt ein großes Problem für den ÖFB, wie der Verband derzeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Horst Lumper

Man kann sagen: Offenen Auges hat man die Verlängerung des Status Quo gewählt und nur einen anderen Präsidenten an die Spitze gesetzt. Die Struktur im Verband und somit die Macht der (zum Teil alten) Herren blieb jedoch die gleiche.

Michael Fiala

Milletich ist nur das Symptom. Das Symptom einer Verbandsstruktur, die im 20. Jahrhundert steckengeblieben ist. Dem Verband fehlt eine Vision und Personen, die echtes, modernes Leadership zeigen. Wenn sich daran nichts ändert, kann man Milletich eigentlich auch gleich im Amt belassen.

Michael Fiala

++ 90minuten.at PLUS – die 91. Minute - ein Kommentar von Michael Fiala ++

 

Horst Lumper, seines Zeichen Vorarlbergs Landespräsident und Mitglied des ÖFB-Präsidiums, ist auch zwei Tage nach der gerichtlichen Niederlage von Gerhard Milletich besonnen – so weit es für ihn vertretbar ist. Es kommen aber auch von ihm Worte, die man so bisher noch nicht gehört hat: „Es wäre jetzt unseriös von mir, das Gerichtsverfahren aus der Ferne zu beurteilen und wir müssen jedenfalls die Entscheidung des Ethikkomitee abwarten. Aber es ist unerfreulich, eine schwierige Situation. Es ist insgesamt ein großes Problem für den ÖFB, wie der Verband derzeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird“, sagt Lumper im Gespräch mit 90minuten.at und ergänzt: „Wir wollen eigentlich dem Fußball dienen.“

Damit reiht sich Lumper ein in die Wortmeldungen seiner Kollegen aus dem ÖFB-Präsidium ein, die bisher hinter Milletich gestanden sind und nun mehr oder weniger deutlich von ihm abrücken (>> siehe hier).

Milletich schweigt indes und will die von 90minuten.at gestellten Fragen nicht beantworten. Zum Beispiel wollten wir wissen, wie es sein kann, dass das Treffen zwischen Milletich und Geomix-Geschäftsführer Harald Lemmerer, das dezidiert als „Nicht-ÖFB Termin“ vom Burgenländer deklariert wurde, laut Vizepräsident Gerhard Götschhofer in der ÖFB-Spesenabrechnung aufscheint. Auf diese und andere Fragen heißt es: „Gerhard Milletich wartet das schriftliche Urteil ab und wird sich - auch im Hinblick auf die Arbeit des Ethikkomitees - bis auf Weiteres nicht öffentlich äußern.“

Die Bundesliga agiert zurückhaltend, wie immer eigentlich, obwohl sie die Sparte des Profifußballs vertritt. Vorstand Christian Ebenbauer meint gegenüber 90minuten.at: "Das ÖFB-Präsidium hat Anfang Dezember beschlossen, dass das Ethikkomitee der Bundesliga als objektives, unabhängiges und inhaltlich passendes Gremium eine sachverständige Einschätzung nach der Prüfung des Sachverhaltes abgibt. Dies geschieht aktuell, weshalb derzeit keine Wasserstandsmeldungen abgeben werden."

 

ÖFB macht sich lächerlich

Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit und manchmal tut sie weh. In diesem Fall schmerzt es sehr, weil sich der größte Sportverband Österreichs derzeit wieder einmal auf fast allen Ebenen der Lächerlichkeit preis gibt. Als Gerhard Milletich im Oktober 2021 zum neuen ÖFB-Präsidenten gewählt wurde, gab es davor ein monatelanges Gerangel um diesen Posten. Das Wahlkomitee nutzte fast jede Gelegenheit, um in die Fettnäpfchen, die auf dem Weg zur Kür von Milletich auf der Strecke lagen, zu hüpfen. Von Anfang an ging es eigentlich nur darum, die eigenen Pfründe abzustecken und Macht zu erhalten. Die „Verjüngung des Verbandes“ – ein guter Schmäh, den viele Medien unreflektiert weiterverbreitet haben.

Man darf nicht vergessen: Angetreten ist der Verband vor zwei Jahren, um den ÖFB zu verjüngen. Leo Windtner schien den Herren im Präsidium nicht mehr zeitgemäß, er war in die Jahre gekommen. Herausgekommen ist der damals 65-jährige Milletich. Nach einem Patt im ersten Wahlgang wechselten ein paar Personen die Seiten und schon war die Wahl geschlagen. Einen wesentlichen Einfluss auf den Umschwung hatten dabei die Stimmen der Bundesliga.

Milletich wurde also gewählt. Milletich, ein Funktionär der alten Schule. Man kann sagen: Offenen Auges hat man die Verlängerung des Status Quo gewählt und nur einen anderen Präsidenten an die Spitze gesetzt. Die Struktur im Verband und somit die Macht der (zum Teil alten) Herren blieb jedoch die gleiche. Mediale Kritik wurde damals beiseite gewischt. „Lasst ihn doch mal arbeiten“, hieß es. Doch schon beim ersten ORF-Interview, das Milletich noch vor Beginn seiner Amtszeit führte, sorgte er innerhalb des Präsidiums und bei Teilen der Öffentlichkeit für Stirnrunzeln. Und jetzt, nach 14 Monaten steht der Verband vor einem Scherbenhaufen. Der Schaden wird täglich größer.

 

Keine Überraschung

Ja, es ist nicht mehr zeitgemäß, wie Milletich die Amtsführung des ÖFB interpretiert. Dies untermauerte er zuletzt noch einmal eindrucksvoll bei der Verhandlung vergangenen Montag, als es gegen den Kurier ging. Dass jetzt Schritt für Schritt die einzelnen Funktionäre mehr oder weniger deutlich von Milletich abrücken, mag daher inhaltlich nachvollziehbar sein, es ist jedoch auch vor allem eines: billig. Eines ist es jedenfalls nicht: Dass sich all diese Herren (und es sind nur Herren), mit der Distanzierung aus der Verantwortung nehmen können.

Dass Milletich weder für eine Verjüngung des Verbandes steht, noch mit seiner Art des Amtsverständnisses dazu taugt, diesen Prozess inhaltlich mitzutragen, ist nicht überraschend. Im Gegenteil: Unter Milletich wurden die unter Windtner bereits vorhandenen Gräben noch tiefer. Der Burgenländer selbst war bemüht in Interviews zu erwähnen, dass er kein Brückenbauer sei. Und in der Geschäftsstelle setzt sich dieser Riss fort: Thomas Hollerer baute im Schlepptau von Milletich (oder ist es umgekehrt) sein Machtzentrum aus. Sein Gegenüber Bernhard Neuhold spricht mit ihm kein Wort.

Soll so ein Verband in die Zukunft geführt werden? Und hat auch nur irgendjemand von den 12 wahlberechtigten Personen im Oktober 2021 geglaubt, dass man mit der Wahl von Milletich eine Neuausrichtung des ÖFB einläuten wird?

Diese Fragen sollte sich jeder dieser Personen eindringlich stellen. Und außerdem sollten sich diese Personen auch überlegen, wie es nun weitergeht, wenn Milletich irgendwann in den nächsten Wochen als Ex-ÖFB-Präsident aufscheinen wird.

Denn Milletich ist nur das Symptom. Das Symptom einer Verbandsstruktur, die im 20. Jahrhundert steckengeblieben ist. Dem Verband fehlt eine Vision und Personen, die echtes, modernes Leadership zeigen. Wenn sich daran nichts ändert, kann man Milletich eigentlich auch gleich im Amt belassen.

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