Sechs Brennpunkte im ÖFB-Team: Wie Franco Foda die Präsidentenwahl beeinflussen kann
Das österreichische Nationalteam spielt im Herbst um die Qualifikation zur WM 2022. Die Performance rund um die Euro 2020 spielt dabei keine gewichtige Rolle mehr, es haben sich sechs mögliche Brennpunkte herauskristallisiert.
++ Die 91. Minute von Michael Fiala ++
Nach der Euro 2020 ist vor der WM 2022. Die Spiele gegen Nord-Mazedonien, Niederlande, die Ukraine und schlussendlich Italien haben in Österreich zum Teil durchaus für Beachtung gesorgt. Das mediale Blätterrauschen reichte von „Pflichtaufgabe erfüllt“ bis hin zu „historisch“ (O-Ton Franco Foda). Für die ganz großen Sensationen in diesem Turnier sorgten andere Nationen, wie etwa die Schweiz.
Doch das ist alles Schnee von gestern, die Zukunft liegt in den Spielen im Herbst: Zunächst mit zwei Auswärtsspielen gegen Republik Moldau und Israel und wenige Tage später zu Hause gegen Schottland. Möglicherweise werden mit diesen drei Matches die Weichen für die eine oder andere Zukunftsentscheidung gestellt: Im Fokus stehen dabei sicherlich der Teamchef Franco Foda, aber auch Sportdirektor Peter Schöttel darf man hier nicht ganz aus der Verantwortung lassen. Und: Sogar die Nachfolge von ÖFB-Präsident Leo Windtner könnte durch die Leistung des Teams beeinflusst werden.
Doch der Reihe nach – diese sechs Brennpunkte gibt es aktuell im ÖFB-Team:
1) Euro 2020-Spirit auch im Herbst?
2) Julian Baumgartlinger: Teamplayer, auch in der 2. Reihe?
3) Yusuf Demir: Rapid-Schicksal im Team?
4) Das Team spielt auch um Fodas Zukunft!
5) Hängt Peter Schöttel an Fodas (Nicht-)Erfolg?
6) Beeinflusst das ÖFB-Team die Präsidentenwahl?
1 - Euro-2020-Spirit auch im Herbst?
Eines war bei der Euro 2020 eindeutig zu spüren: Das Team hat sich an der eigenen Nase genommen und – wie man so schön sagt – „zusammengerissen“. Das ist auch irgendwie logisch: Bei einem Großereignis will man sich nicht wie im März davor gegen Dänemark mit 0:4 innerhalb weniger Minuten abschlachten lassen. Und die Zukunft einiger Spieler war im Juni noch nicht geklärt, also war das Interesse groß, auf der großen, internationalen Bühne aufzuzeigen. Sportdirektor Peter Schöttel fungierte zudem als Stimmungsmacher und hat es geschafft, das Team zu einen - zumindest für den Zeitraum der Euro. Ob dies nun auch im Herbst so sein wird, ist natürlich fraglich, denn so homogen wird die Stimmung jetzt nicht mehr sein. Das führt auch zu Punkt 2:
2 - Julian Baumgartlinger: Teamplayer auch in der zweiten Reihe?
Für den eigentlichen Kapitän des Nationalteams ist es aktuell keine einfache Zeit: Nach seiner Verletzung hat er weder im Klub noch im Nationalteam den Anschluss gefunden. In den ersten drei Pflichtspielen von Leverkusen kam er lediglich insgesamt neun Minuten zum Einsatz. Und auch im ÖFB-Team spielt Baumgartlinger derzeit keine (tragende) Rolle mehr, das hat die Euro schmerzlich gezeigt. Schon während des Turniers soll Baumgartlinger mit seiner Rolle ein wenig gehadert haben – schlechte Stimmung inklusive, ist ja auch verständlich. Baumgartlingers Stimme hat(te) bisher im Team immer Gewicht. Aber: Wird er sich auch im Herbst mit einer Reservistenrolle im Nationalteam zufrieden geben und dann auch in der zweiten Reihe den Teamplayer geben?
3 - Yusuf Demir: Rapid-Schicksal im Team?
Mit seinem Wechsel zu Barcelona ist Yusuf Demir derzeit in aller Munde. Zudem hat der Offensivspieler die ersten Pflichtspielminuten ebenfalls erfolgreich absolviert. Das kreative Potenzial von Demir ist bekanntlich groß und könnte auch dem ÖFB-Team viel bringen. Franco Foda steht nun vor einer schwierigen Aufgabe: Wie schnell integriert er den Youngstar in das Team? So ganz generell: Wer bei Barcelona in der Liga zum Einsatz kommt, ist für das österreichische Nationalteam wohl bestens geeignet. Bei der Kader-Pressekonferenz ließ der Teamchef anklingen, dass er eigentlich an der erfolgreichen Euro-Mannschaft wenig ändern möchte. Damit könnte Yusuf Demir in der ersten Phase ein ähnliches Schicksal erfahren wie schon in der vergangenen Saison beim SK Rapid, als Didi Kühbauer auch nicht so recht wusste, was er mit seinem Diamanten anfangen sollte.
4 - Das Team spielt auch um Fodas Zukunft!
Eines ist auch ganz klar: Wenn das ÖFB-Team im Herbst nicht liefert, wird es auch für Teamchef Franco Foda eng – „historisches“ Ergebnis hin oder her. Mit der Euro hat Foda zwar kurzfristig wieder Aufwind gespürt, doch dies könnte sich bald als „laues Lüftchen“ herausstellen. Schon vor der Euro waren nicht alle Entscheidungsträger innerhalb des ÖFB vom Teamchef überzeugt. Sollte es nun im Herbst an der Leistung und den Ergebnissen mangeln, wird Foda unter Druck geraten. In diesem Zusammenhang sollte man nicht vergessen, dass die Stimmung zwischen Foda und dem Team seit je her nicht zum Besten bestellt war. Oder anders gesagt: Die Teamkicker werden sich wenn dann für sich selbst zerreißen, aber nicht für ihren Teamchef.
5 - Hängt Peter Schöttel an Fodas Erfolg?
Im Zuge der mauen Performance des Nationalteams im Frühjahr ist auch Sportdirektor Peter Schöttel unter Druck geraten, er musste sogar quasi zum Rapport. Schöttel "durfte" die bisherigen Errungenschaften und künftige Strategie vor dem Präsidium erklären. Vor der Euro hat der oft lethargisch wirkende Schöttel dann durchaus reagiert und mit einem Teambuilding erste Maßnahmen gesetzt und während der Euro – wie bei Punkt 1 bereits erwähnt – sich als Stimmungsmacher hervorgetan. Klar ist aber auch, dass ein möglicher Nicht-Erfolg von Foda auch auf Schöttel abfärben kann. Nicht unbedeutend in diesem Zusammenhang, und damit der letzte Punkt, ist dabei auch, wer neuer ÖFB-Präsident wird:
6 - Beeinflusst das ÖFB-Team die Präsidentenwahl?
Der Wahlausschuss des ÖFB tagt am 6. September, also direkt nach den beiden Auswärtsspielen gegen Republik Moldau und Israel und einen Tag vor dem Heimspiel gegen Schottland. Es wäre nicht das erste Mal, dass die sportliche (Nicht-)Leistung einer Kampfmannschaft/eines Teams direkten Einfluss auf die höchsten Sphären eines Klubs bzw. Verbands hat. Insofern ist es gut möglich, dass die Wahl zum neuen ÖFB-Präsidenten auch dadurch maßgeblich beeinflusst werden kann. Impulsive, emotional getriebene Entscheidungen sind im zehnköpfigen, inhomogenen Wahlausschuss jederzeit möglich und wären wahrlich keine Überraschung.