ÖFB: Gefangen im 20. Jahrhundert
Die Bestellung des neuen ÖFB-Präsidenten zeigt es deutlich auf: Die Verbandsstruktur ist im 20. Jahrhundert gefangen, die Funktionäre entscheiden aufgrund von Eitelkeiten, politischen Einflüssen und Machtinteressen. Inhalte bleiben auf der Strecke.
Ich wurde vor einigen Tagen gefragt, ob ich mir dieses Amt vorstellen kann. Ich hatte jedoch keine Möglichkeit, meine Vorstellungen oder Ideen zu präsentieren. Gestern Abend bekam ich eine SMS, dass ich nicht mehr dabei bin.
Dass der ÖFB-Wahlausschuss Kandidaten vor einem Hearing ablehnt, ist eine inhaltliche Bankrotterklärung des größten Sportverbandes Österreichs. Bestes Beispiel: Die kurz aufgeflackerte öffentliche Diskussion, ob der künftige Präsident künftig hauptamtlich angestellt werden soll, wurde abgewürgt. Das Argument: Dafür reicht die Zeit jetzt nicht.
Während immer mehr österreichische Fußballer und auch Klubs im Sog von Red Bull Salzburg internationales Niveau erreichen, hechelt der Verband diesen Entwicklungen hinterher und bleibt in den Strukturen des 20. Jahrhundert gefangen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass das Präsidium der durchwegs alten Männer nur sich selbst gegenüber verpflichtet sieht, aber nicht der Öffentlichkeit.
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Gerhard Milletich, Johann Gartner, Klaus Mitterndorfer, Josef Geissler, Roland Schmid, Michael Krammer, Georg Pangl oder etwa Heinz Palme: Wenn es darum geht, wer nächster ÖFB-Präsident werden soll, haben sich diese und einige andere Personen in den vergangenen Wochen und Monaten in Stellung gebracht. Übrig geblieben sind der burgenländische Fußballpräsident Gerhard Milletich und Unternehmer Roland Schmid.
Krammer, Palme und Pangl sind aus dem Rennen
Die beiden verbliebenen Kandidaten können sich nun am 11. September einem Hearing stellen, dann wird es wohl eine Vorentscheidung geben, wer am 17. Oktober bei der ÖFB-Hauptversammlung mit einer Mehrheit rechnen kann. Michael Krammer, Heinz Palme und Georg Pangl, die zuletzt noch als mögliche Alternativen gehandelt wurden, sind somit fix aus dem Rennen.
Unvereinbarkeit als Ausschlussgrund
Das Vorgehen des Wahlausschusses wirft jedoch eine zentrale Frage auf: Auf Basis welcher Informationen wurden Kandidaten abgelehnt bzw. zugelassen?
Öffentliche Informationen dazu gibt es nur wenig. Im Fall von Pangl und Palme wurde in dem einen oder anderen Interview von ÖFB-Offiziellen kommuniziert, dass es eine Unvereinbarkeit mit den Unternehmen der beiden Personen gebe. Beide haben in diesem Zusammenhang aber auch klar betont, dass man diese Hürde aus dem Weg räumen kann. Zudem stellt sich die Frage: Was ist an der Situation von Roland Schmid, der mit seinem Unternehmen RS Digital ebenfalls sehr stark im österreichischen Fußball verwoben ist, eigentlich anders?
Zuletzt meinte einer der neun ÖFB-Landespräsidenten im 90minuten.at-Gespräch: „Wenn wir jüngere Personen an der Spitze haben wollen, werden wir fast immer auf diese Problematik stoßen. Insofern sollte dies kein prinzipieller Ausschlussgrund sein.“
„Keine Möglichkeit, Ideen zu präsentieren“
Wenige Tage vor der gestrigen Sitzung wurde erstmals auch Ex-Rapid-Präsident Michael Krammer ins Spiel gebracht. Der Mobilfunkmanager zeigte sich offen, seit gestern ist allerdings klar, dass er nicht mehr im Rennen ist.
Womit sich abermals die Frage stellt: Aufgrund welcher Informationen wurde etwa Michael Krammer nicht zugelassen? Dieser meint gegenüber 90minuten.at: „Ich wurde vor einigen Tagen gefragt, ob ich mir dieses Amt vorstellen kann. Ich hatte jedoch keine Möglichkeit, meine Vorstellungen oder Ideen zu präsentieren. Gestern Abend bekam ich eine SMS, dass ich nicht mehr dabei bin.“ Auf die Frage von Krammer an den Wahlausschuss, ob es ein Anforderungsprofil für diese Position gebe, „habe ich keine Antwort bekommen“, so der 61-Jährige.
Wolfgang Bartosch, der Vorsitzende des ÖFB-Wahlausschusses, meinte nach der gestrigen Sitzung gegenüber der APA: „Wir haben Alternativen diskutiert. Aber wenn wir jemanden zu einem Hearing einladen, muss er eine realistische Chance haben, zu gewinnen. Wenn eine Mehrheit im Vorhinein auszuschließen ist, brauchen wir ihn nicht einzuladen."
Verstörendes Prozedere: Namedropping statt Wettbewerb der Ideen
Der Fall von Krammer zeigt exemplarisch auf, wie verstörend das Prozedere der Suche nach einem Nachfolger von Leo Windtner ist. Seit Wochen werden ausschließlich Namen gehandelt, um Inhalte geht es so gut wie gar nicht. Die einzigen öffentlichen Diskussionspunkte in diesem Prozess waren, ob es eine Verjüngung geben soll und ob der ÖFB-Präsident künftig aus dem Ehrenamt in eine bezahlte Position gehoben wird: Namedropping statt einem dringend notwendigen Wettbewerb der Ideen. Offensichtlich geht es nur um persönliche Befindlichkeiten sowie Machterhaltung gepaart mit politischem Einfluss.
Dass der ÖFB-Wahlausschuss Kandidaten vor einem Hearing ablehnt, ist eine inhaltliche Bankrotterklärung des größten Sportverbandes Österreichs. Bestes Beispiel: Die kurz aufgeflackerte öffentliche Diskussion, ob der künftige Präsident künftig hauptamtlich angestellt werden soll, wurde abgewürgt. Das Argument: Dafür reicht die Zeit jetzt nicht.
Ist dieses Vorgehen überraschend? Nein, leider war es genauso zu erwarten. Schon die Bestellungen von Franco Foda oder Peter Schöttel haben gezeigt, dass es nicht auf (die relevanten) Inhalte ankommt. „Ich halte es auch für unfair, von Vornherein auf Peter Schöttel einzudreschen und ihm die Qualifikation abzusprechen. Er hat ja viele Länderspiele absolviert“, meinte etwa Niederösterreichs Fußballpräsident Johann Gartner 2017 in einem Interview mit ballverliebt.eu, warum die Vorstellungen von Schöttel eher entsprochen hätten als jene von Willi Ruttensteiner. Im Profil meint ebendieser: „Der Willi hat den ÖFB wie sein Unternehmen geführt, der Schöttel lässt sich auch etwas einreden.“
Und rund vier Jahre nach der Installierung von Franco Foda als ÖFB-Teamchef müssen sich Sportdirektor Peter Schöttel und das ÖFB-Präsidium, dem übrigens auch die Vertreter der Bundesliga angehören, eingestehen, dass man nach den falschen Kriterien entschieden hat. Die Fußballexperten des Landes haben über die Stärken und Schwächen des Deutschen längst Bescheid gewusst. Dass Foda für die aktuelle rot-weiß-rote Spielergeneration bei weitem nicht der beste Kandidat war, lag auf der Hand. Eine tiefgehende, inhaltliche Auseinandersetzung fehlte, stattdessen wurde entschieden, um persönliche Eitelkeiten zu befriedigen und Machtverhältnisse zu zementieren.
Experten ins Präsidium?
Präsident Windtner dachte in Zeiten des Erfolges vor einigen Jahren kurz sogar eine Änderung an. Gerne hätte er den Herren im Präsidium Experten zur Seite gestellt, damit Beschlüsse, so sagte er einst „von Expertise beeinflusst“ würden. Im selben Gespräch mit dem „Profil“ ruderte er aber zurück: „Das Präsidium wird sich nicht das Sagen nehmen lassen. Selbst nicht von Experten.“
Womit das Grundproblem bestens beschrieben ist: Für eine dringende Reform des ÖFB müssten sich die neun Landespräsidenten Einfluss und Macht nehmen lassen. Dies wird nicht passieren.
Quo vadis, Präsidenten-Wahl?
Und was heißt das Ganze jetzt für den kommenden ÖFB-Präsidenten?
Schon im Oktober wird der neue ÖFB-Präsident in Sachen Teamchef und Sportdirektor wichtige Entscheidungen treffen und dadurch richtungsweisende Weichen stellen müssen: Teamchef, Sportdirektor und nicht zu vergessen das neue Kompetenzzentrum, das mit rund 60 Mio. Euro die mit Abstand größte Investition in der Geschichte des Verbandes sein wird.
Gerhard Milletich ist ein Fußballfunktionär der alten Schule. Reformfreudigkeit kann man dem 65-Jährigen auch nicht zuschreiben, wie er im vergangenen Jahr bei der leidigen Diskussion rund um die Besetzung der Regionalliga Ost unter Beweis gestellt hat. Dass Milletich zudem den „gewünschten Generationenwechsel“ nicht erfüllt, liegt ebenso auf der Hand.
Roland Schmid hat sicherlich das Potenzial, Innovationen zu entwickeln und voranzutreiben. Mit welchen konkreten Ideen er in das Rennen um den ÖFB-Präsidenten geschickt wurde, ist jedoch bisher nicht bekannt. Sollte Schmid der neue starke Mann im österreichischen Fußball werden, wird aber auch er bald feststellen, wo seine Grenzen liegen: Und zwar beim ÖFB-Präsidium.
Während immer mehr österreichische Fußballer und auch Klubs im Sog von Red Bull Salzburg internationales Niveau erreichen, hechelt der Verband diesen Entwicklungen hinterher und bleibt in den Strukturen des 20. Jahrhundert gefangen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass das Präsidium der durchwegs alten Männer nur sich selbst gegenüber verpflichtet sieht, aber nicht der Öffentlichkeit.
Eines ist klar: Milletich wird an dieser Konstellation nichts ändern wollen, denn dazu hätte er in den vergangenen Jahren längst den Beweis antreten können. Und Roland Schmid? Der erfolgreiche Unternehmer will sicherlich etwas bewegen. Fraglich ist, ob er aufgrund der vielen beschriebenen Faktoren überhaupt die Chance dazu bekommt und sich stattdessen nicht eher eine blutige Nase holt.
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