Mehr Solidarität? Ja! Hüftschüsse? Nein!

Auch wenn der Gedanke zu mehr Solidarität bei den TV-Geldern richtig sein mag. Es gibt gute Gründe, die Regelung derzeit so zu belassen wie sie aktuell ist.

Die 91. Minute von Michael Fiala

 

Dem Vernehmen nach sollen einigen Klubfunktionären quasi die Tränen gekommen sein, als sie die erste Abrechnung der TV-Gelder gesehen haben. Mit so wenig Geld hätten einige der kleinen Klubs nicht gerechnet. Man muss die Situation dieser Klubs auf der einen Seite verstehen: Bei einem Jahresbudget von 7 bis 10 Mio. Euro ist es durchaus nicht egal, ob durch die TV-Gelder 1,5 oder möglicherweise 3 Mio. Euro ins Klubbudget fließen. Natürlich ist diese Summe für die großen Vereine wie Salzburg, Rapid oder Austria auch nicht egal. Aber bei einem Budget von 40 Mio. Euro schlägt sich eine Reduktion von etwa 500.000 Euro im Vergleich zu jetzt weniger drastisch nieder. Der prinzipielle Gedanke zu mehr Solidarität innerhalb der Liga, noch dazu im Angesicht der immer größer werdenden Schere zwischen Reich und Arm – auch in Österreich – ist daher nachvollziehbar und auch unterstützenswert.

Die aktuelle Regelung der TV-Gelder-Verteilung ist nicht an den Vertrag mit dem aktuellen Rechtepartner Sky gebunden. Soll heißen: Wie die Bundesliga dieses Geld verteilt, ist das Bier der 12 Klubs. Und es ist natürlich das Recht der 12 Klubs, diese Regelung neu zu definieren. Genauer gesagt: Wenn sich eine 2/3-Mehrheit findet, kann mit Beginn der kommenden Saison eine neue Regelung festgeschrieben werden.

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

Ein neues Verteilungsmodell in Kombination mit dem neuen Ligaformat kann nicht nach vier Monaten seriös evaluiert werden. Das ist sinnvollerweise erst nach einer gesamten Saison möglich. Man sollte sich daher die Zeit nehmen und das erste Jahr jedenfalls abwarten.

Michael Fiala

Anti-Rapid-Stimmung

Dass die kleinen Klubs derzeit aufbegehren hängt wie oben beschrieben durchaus mit der Reaktion auf die erste Tranche der TV-Gelder zusammen. Andererseits gibt es in der Liga aktuell auch gerade eine Anti-Rapid-Stimmung. An dieser Stimmung sind die Hütteldorfer alles andere als unbeteiligt. Immer wieder hört man von überheblichen Aktionen, sei es bei internen Meetings oder auch bei öffentlichen Auftritten. Das Credo „Wir sind Rapid, und wer seid ihr“ mag zwar marketingtechnisch das Profil schärfen, im Sinne einer solidarischen Liga ist dies aber nur begrenzt sinnvoll. Die erste „Watsch’n“ für Rapid gab es vor einigen Wochen, als man die Strafen bei Ausschreitungen deutlich verschärfte. Nun könnte die zweite folgen.

 

Vier Gedanken

Es gibt vier Gedanken, die sich die Klubvertreter vor der Klubkonferenz am Freitag durch den Kopf gehen lassen sollten:

- Die neue, von den kleinen Vereinen vorgeschlagene Regelung, sieht zwar einen sportlichen Bewertungsfaktor vor, doch wie 90minuten.at erfahren hat, würde dieser Faktor zwischen dem letzten und dem besten Verein nur noch 1,18 betragen. Das heißt, dass alle Klubs mehr oder weniger das gleiche TV-Geld bekommen würden. Überheblichkeit hin oder her, Rapid ist unbestritten das mediale Zugpferd der Liga. Und ein TV-Vertrag ohne die Hütteldorfer wäre deutlich weniger Wert. Das würde Sky natürlich nie öffentlich sagen, aber klar ist, dass die meisten Abos verkauft und die höchsten Quoten erreicht werden, wenn die Rapid-Kicker ihre Beine im Spiel haben. Dass die TV-Gelder daher nicht einfach durch 12 dividiert werden, scheint nachvollziehbar.

- Ja, manchmal muss man, wenn Gefahr in Verzug ist, schnell reagieren und Regularien ändern. Das ist aber hier nicht der Fall. Eine Regelung wie jene, wo es um Verteilung von finanziellen Mitteln geht, bereits nach vier Monaten über den Haufen zu werfen, ist kurzsichtig und steigert auch nicht das gegenseitige Vertrauen. Fußball ist zwar ein schnelllebiges Geschäft, die langfristige strategische Planung sollte aber nicht mit Hüftschüssen darunter leiden. Das Image der Liga wäre ein weiteres Mal angekratzt.

- Es geht auch um die Glaubwürdigkeit: Vereine, die am Freitag möglicherweise für die neue Regelung stimmen, könnten schon in zwei, drei Jahren selbst in der Situation sein, dass sie gewachsen sind und zu den größeren Klubs zählen, weil sie beispielsweise ein neues Stadion gebaut haben. Sich dann wie eine Fahne im Wind zu drehen und wieder 180 Grad das Gegenteil zu argumentieren, wäre äußerst unglaubwürdig.

- Die Liga als Ganzes und die Ligaklubs müssen auch lernen, dass sie die Tragweite ihrer Entscheidungen im Vorfeld so genau wie nur irgendwie möglich zu Ende denken müssen. Man hat manchmal den Eindruck, dass die eine oder andere Entscheidungsfindung zu schnell über die Bühne geht und dann im Nachhinein repariert werden muss. Hier gibt es wohl auch noch genügend Optimierungspotenzial.

Jeder einzelne Vereinsvertreter sollte sich daher genau überlegen, ob er der Verführung nach mehr Geld auf Kosten der oben genannten Punkte zustimmt. Ein neues Verteilungsmodell in Kombination mit dem neuen Ligaformat kann nicht nach vier Monaten seriös evaluiert werden. Das ist sinnvollerweise erst nach einer gesamten Saison möglich. Man sollte sich daher die Zeit nehmen und das erste Jahr jedenfalls abwarten. Ein Hüftschuss wie er am Freitag geplant ist, wäre jedoch genau das Gegenteil davon.

Es ist natürlich verständlich, dass jeder Klubvertreter das Beste für seinen Klub herausholen will. Insofern ist der Grundgedanke einer gerechteren Verteilung nachvollziehbar. Die Liga – und damit meine ich die 12 Vereine - muss aber endlich begreifen, dass nur ein Miteinander aller Klubs das große Ganze voranbringt. Daran muss vor allem Rapid arbeiten, die anderen 11 Klubs aber auch. 

 

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