Wo bleibt die sportliche Kompetenz?

Seit November 2013 ist Michael Krammer Präsident des SK Rapid. Noch immer fehlt es dem Verein an einem nachhaltigen, sportlichen Konzept.

Die 91. Minute von Michael Fiala

  

Es war der 11. November 2016: Damir Canadi wurde als neuer Rapid-Trainer vorgestellt. Der Zeitpunkt der Bestellung war nicht nur (wenn auch zum größten Teil) der miesen Performance von Canadi-Vorgänger Mike Büskens geschuldet. Die Bestellung von Canadi sollte auch den Rapid-Fans wenige Tage vor der Hauptversammlung signalisieren: Macht euch keine Sorgen, wir reagieren auf die Krise. Rapid-Präsident Michael Krammer war damals unter Zugzwang: Sollte er Büskens noch weiter die Chance geben und damit riskieren, dass er bei der Rapid-Hauptversammlung gnadenlos ausgepfiffen wird? Um das Signal zu verstärken, wurde Müller gleich mit nach Deutschland geschickt.

29. September 2018: Goran Djuricin ereilt direkt nach der Niederlage gegen St. Pölten das gleiche Schicksal wie Mike Büskens. Über die unschönen, menschlichen Aspekte dieser „Story“ hat Christian Hackl bereits die richtigen Worte gefunden: „Sie schwätzen von der "großen Familie", betonen gebetsmühlenartig den "immensen Stellenwert" und die "soziale Verantwortung". Der Fußballgott muss Grün-Weiß tragen. Die Ansprüche sind das Gegenteil der Wirklichkeit. Man sah mehr oder weniger tatenlos zu, wie Djuricin von den eigenen Fans gemobbt wurde, so super kann die Familie nicht sein.“

Die zeitliche Parallele zu 2016 ist dabei nicht zu verachten: Wieder steht Rapid-Präsident Michael Krammer vor einer Hauptversammlung (Ende November 2018). Wieder hat er die Notbremse gezogen, wohl auch mit der nötigen Hoffnung, bis zur Hauptversammlung den notwendigen Turnaround zu schaffen.

Mittlerweile sind knapp fünf Jahre nach Krammers erstmaliger Präsidentenwahl vergangen. Der sportliche Status Quo der Kampfmannschaft gleicht nahezu jenem aus dem Jahr 2013.

Wo ist die Entwicklung?

Michael Krammer wird im November – kurzfristiger Turnaround hin oder her - den Mitgliedern wohl auch erklären müssen, wie er sich die weitere sportliche Entwicklung vorstellt. Dazu lohnt auch ein Blick in die Vergangenheit: Mit Andreas Müller holte Krammer bereits kurz nach seiner Präsidenten-Wahl einen Sportdirektor an Bord, der bis November 2016 im Amt war. Nach der Freistellung von Büskens und Müller meinte Michael Krammer damals: "So erfreulich der trotz 0:2-Rückspielniederlage souverän über AS Trencin erreichte Einzug in die Gruppenphase der UEFA Europa League auch war, bleibt unser tägliches Brot die heimische Bundesliga. Hier ist die Bilanz in den letzten zehn Partien mit nur zwei Siegen und einem negativen Torverhältnis von 9:12 für einen Klub mit unseren Ansprüchen einfach viel zu wenig.“

Erschreckend ist, wie sehr man diese Sätze mit Austausch der Vereinsnamen und Zahlen wohl auch für 2018 verwenden könnte. Noch erschreckender war damals die weitere Vorgehensweise: Zunächst holte Rapid mit Damir Canadi einen neuen Trainer, dann erst in weiterer Folge mit Fredy Bickel einen Sportdirektor. Bei beiden Personalien gab es bereits bei der Bestellung die berechtigte Frage, wie Rapid sein Personal auf derart wichtigen Positionen eigentlich auswähle. Im 90minuten.at-Interview im Dezember 2016 meinte Krammer auf die Frage, ob er Befürchtungen habe, dass die sportliche Kompetenz im Verein für die Bestellung von Bickel gefehlt habe: „Ich habe mir das schon oft überlegt: Was ist die zusätzliche Qualifikation von jemanden, der früher selber Profi-Fußball gespielt hat, bei der Personalentscheidung zu einem Sportdirektor? Muss ich ein Hund gewesen sein, um ein guter Tierarzt zu sein? Ich habe Spezialtechniker eingestellt, aber ich bin kein Techniker. Man kann Kriterien so abstrahieren und festlegen, dass man diese Personen sehr wohl qualifiziert aussuchen kann. Sowohl bei Trainer und Sportdirektor sind die Kriterien so transparent wie bei kaum einem anderen Job. Ich könnte mir keine Person vorstellen, die selber Fußball gespielt hat, die uns da entscheidend weiterhelfen hätte können.“

2018 wie 2013

Fußball-Experten ist aber auch klar, dass man einen Sportdirektor allein mit transparenten Kriterien nicht erfolgsversprechend auswählen kann. Vielmehr zählt ein Konzept, oder noch hochtrabender: Eine Klub-Philosophie. Die hat Rapid weder unter Andreas Müller, noch unter Fredy Bickel für die Öffentlichkeit nachvollziehbar definiert. Ganz im Gegensatz zu Red Bull Salzburg. Im Mai 2018 meinte Fredy Bickel, angesprochen auf die Erfolgsfaktoren von Salzburg: "Das ist langjährige Aufbauarbeit, da steht ein Konzept dahinter, und davon sind die anderen Klubs in Österreich weit weg. Das wird man auch nicht in ein, zwei Monaten wettmachen." Während die Bullen unabhängig von Verletzungen, Rückschlägen wie das Champions-League-Trauma oder schmerzhaften Transfers einen neuen Startrekord aufgestellt hat, werden bei Rapid in der Analyse des aktuellen Versagnes nur allzu oft Phrasen gedroschen.

Mittlerweile sind knapp fünf Jahre nach Krammers erstmaliger Präsidentenwahl vergangen. Und während sich die Hütteldorfer auf wirtschaftlicher Ebene professionell wie nie zuvor aufgestellt haben und relativ unabhängig vom sportlichen (Miss-)Erfolg Rekordumsätze vermelden, gleicht der sportliche Status Quo der Kampfmannschaft nahezu jenem aus dem Jahr 2013. Und das nächste Horror-Szenario droht in den nächsten Monaten: Derzeit hat Rapid vier Punkte Rückstand auf das obere Playoff, aber immerhin noch 13 Spiele Zeit, daran etwas zu ändern. So komisch es für Rapid klingen mag, aber kommendes Wochenende geht es zunächst einmal darum, Mattersburg von Platz sieben (!) zu verdrängen. Bei einer Niederlage könnte sogar die Admira an Rapid vorbeiziehen.

Ungerecht

„So ungerecht es auch ist, der Trainer ist der, der daran glauben muss“, meinte Rapid-Präsident Michael Krammer nach dem Djuricin-Ende. Ein zynischer Satz, wenn man die sportliche Entwicklung der Hütteldorfer der vergangenen fünf Jahre bewertet. In diesem Zusammenhang ist die kommende Trainerbestellung doppelt brisant: Kurzfristiger Erfolg ist mit einem neuen Trainer vermutlich relativ leicht einzufahren. Doch egal, welcher Trainer jetzt geholt wird. Solange Rapid kein nachhaltiges, sportliches Konzept auf die Beine stellt, wird sich die Geschichte der erfolglosen Rapid-Trainer wiederholen - und 2020 würde erneut ein Artikel dieser Art erscheinen.

 

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