Legendenstatus als Job-Qualifikation
Erneut wurde mit Robert Almer eine Legende eines Klubs in eine Management-Funktion gehoben. Das kann nach hinten los gehen.
Die 91. Minuten von Michael Fiala
Turbulent wie selten zuvor ging es in Mattersburg in den vergangenen Tagen zu. Zunächst musste der Co-Trainer seinen Hut nehmen, kurz darauf der Trainer und auch der sportliche Leiter ist mittlerweile Geschichte. Kurz danach wurde Ex-ÖFB-, Austria- und Mattersburg-Torhüter als neuer starker Mann im Pappelstadion vorgestellt.
Wohlfahrts Geschichte
Zeitsprung, Jänner 2018: Der neue Vertrag von Franz Wohlfahrt wird mit viel Lob von der obersten Vereinsspitze gefeiert. „Franz Wohlfahrt ist nun bereits seit drei Jahren als Sportdirektor eine fixe Größe in unserem Klub und war in dieser Zeit mit seiner Arbeit erfolgreich. Er war dabei auf sportlicher Ebene nicht nur eine treibende Kraft, sondern ist auch für die Zukunft ein wesentlicher Bestandteil unserer Planungen“, meinte etwa Austria-Präsident Wolfgang Katzian. AG-Vorstand Markus Kraetschmer streute ebenfalls Rosen: „Wir haben ehrgeizige Ziele, wollten immer eine Lösung haben, die den Gedanken unserer sportlichen Philosophie trägt und das macht Franz mit großer Überzeugung. Er kennt den Klub von der Pike auf und genießt von allen das Vertrauen.“
Am 12. Juni 2018 war dann plötzlich alles anders: Franz Wohlfahrt musste seinen Hut nehmen. Nur knapp fünf Monate nach der Vertragsverlängerung analysierte Kraetschmer die Situation wiefolgt: „Wir haben uns nach eingehender Analyse der Gesamtsituation zu diesem Schritt entschlossen und beschäftigen uns bereits mit der Neuausrichtung. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei Franz Wohlfahrt für seine gute Arbeit, aber sahen eine Veränderung als notwendig an.“ Das Ende von Wohlfahrt soll „ein Impuls für die neue Saison und die mit der neuen Generali-Arena beginnenden neuen Ära des Klubs sein.“ So ganz nebenbei bemerkte Kraetschmer, dass man sich nicht im Streit trenne. Auch das sieht mittlerweile anders aus.
„Austria-Legende“
Entlarvend ist jedenfalls der letzte Absatz der Austria-Presseaussendung, die zum Sportdirektoren-Ende von Wohlfahrt verschickt wurde, die die bisherigen Erfolge von Franz Wohlfahrt noch einmal aufzählte: „Franz Wohlfahrt war seit Jänner 2015 als Sportdirektor im Amt. Als Spieler avancierte der 53-Jährige zur Austria-Legende, wurde 2011 zu „Austrias Torhüter des Jahrhunderts“ gewählt, nachdem er als Spieler knapp 500 Partien für Violett absolvierte, sechs Mal Meister und vier Mal Cupsieger wurde. Österreichs Fußballer des Jahres 1993 kann auch auf eine beachtliche internationale Karriere zurückblicken.“
„Austria Legende“ also. Franz Wohlfahrt sollte wohl für alle österreichischen Klubs ein warnendes Beispiel sein. Einfach „Legende sein“ reicht in der heutigen Fußball-Zeit nicht mehr aus, um bedeutende Management-Funktionen wahrzunehmen. Da kann man noch so viele Kontakte auf seinem Handy haben, wichtig ist ein nachhaltiges Konzept – und dieses konnte Wohlfahrt bekanntlich nicht liefern, auch nicht drei Jahre später. Der Scherbenhaufen ist übriggeblieben, ein Neustart war notwendig.
Nicht alle Klubs lernen daraus
Doch lernen die Klubs daraus? Nicht alle. Erst am Dienstag wurde wieder ein Torhüter mit einer Führungsfunktion betraut. Die Rede ist von Robert Almer, einer der sympathischsten Kicker, die in Österreich in den vergangenen Jahren gespielt haben und vor allem den Mattersburg-, Austria- und auch Nationalteam-Fans in bester Erinnerung geblieben ist. In Mattersburg wurde er erstmals österreichweit bekannt, die weitere Karriere ist bekannt. Vor wenigen Wochen hat er seine aktive Karriere wegen anhaltender Knieprobleme beendet. Ende August darf er bereits die sportlichen Geschicke eines Klubs leiten.
Verantwortlich für diese Rochade ist Klubboss Martin Pucher. Robert Almer hat in seiner Karriere viel erlebt, ist sicherlich ein charakterstarker und sympathischer Mensch mit vielen Qualitäten. Praktische Erfahrung im sportlichen Management fehlt Almer jedoch, ein Studium für Management hat er begonnen. Das gibt er auch offen zu: „Sicherlich werden neue Aufgabenbereiche auf mich zukommen, die am Anfang neu und unbekannt sind, doch ich bin davon überzeugt, dass ich das gut handeln werde.“ Möglicherweise ist Almer ein guter Sportdirektor, möglicherweise aber auch überhaupt nicht. Möglicherweise macht ihm seine neue Aufgabe sehr viel Spaß, möglicherweise aber auch nicht. Möglicherweise geht Almer in seiner neuen Funktion auf, möglicherweise ist er aber auch überfordert. Fragen wie diese können Pucher und Almer im Vorfeld nicht beantworten, denn es fehlt schlichtweg die Erfahrung.
Zwei Fragen drängt sich daher auf: Würde Martin Pucher einen „No-Name“-Tormann, der vor drei Monaten seine Karriere beendet hat, zum Sportdirektor machen? Und: Würde der Manager in seiner Bank auch jemanden in Führungsposition heben, der zuvor keinerlei praktische Erfahrung damit gemacht hat?