Fünf Gründe, warum der ÖFB heute im 20. Jahrhundert angekommen ist

Der heutige Tag hat fünf interessante Erkenntnisse gebracht: Ruttensteiner wurde entsorgt, man braucht kein Konzept, um Sportdirektor zu werden, das Anforderungsprofil für den Teamchef wird so gebogen, dass es passt, Leo Windtner hat sich an die Macht geklammert und auf die sportliche Kompetenz im ÖFB wird weniger Wert gelegt.

Ein Kommentar von Michael Fiala

 

Es ist also fix, was vor vier Tagen kolpotiert und vor rund zwei Wochen bereits in Insiderkreisen gemunkelt wurde: Peter Schöttel ist der neue Sportdirektor des ÖFB. Er hat sich in der entscheidenden ÖFB-Sitzung gegen den bisherigen Sportdirektor Willi Ruttensteiner „durchgesetzt“. Oder auch anders formuliert: Eine Gruppe von Landespräsidenten hat sich gegen Willi Ruttensteiner (und Leo Windtner) entschieden.

 

Über die Art und Weise, wie diese Gremien in den vergangenen Wochen agiert haben, ist bereits an dieser Stelle geschrieben worden. Die heutige Pressekonferenz hat jedoch fünf zentrale Erkenntnisse ans Tageslicht gebracht, die den Verband in keinem guten Licht erscheinen lassen. Oder anders gesagt: Fünf Gründe, warum der ÖFB wieder im 20. Jahrhundert angekommen ist.

 

Erstens - Hauptziel: Ruttensteiner entsorgen

Die Task Force (neben Windtner waren in diesem Gremium noch die ÖFB-Direktoren Bernhard Neuhold und Thomas Hollerer sowie Bundesliga-Vizevorstand Markus Kraetschmer  dabei), die vor drei Wochen eingesetzt wurde, um den neuen Sportdirektor zu suchen hat auf kein detailliertes Konzept von Peter Schöttel bestanden. Diese Vorgehensweise zeigt vor allem, dass es einigen Personen in erster Linie um die Personalie Ruttensteiner gegangen ist. Nahezu irrwitzig klingt insofern die Erklärung von Windtner zur Tätigkeit der Task Force: „Die Task Force hat sich zum Ziel gesetzt, hier keine Alibiaktion sondern eine Analyse zu machen.“ Die Übung ist gelungen: Ruttensteiner wurde "erfolgreich" enstorgt. 

 

Zweitens – Ohne Konzept zum Job

Über die mögliche Arbeit von Peter Schöttel kann heute noch wenig analysiert werden. Der Ex-Rapid-Trainer und -Sportdirektor kommt quasi wie die Jungfrau zum Kind zu diesem Job. Dass er kein Konzept vorlegen musste, ist nicht sein Fehler. Windtner sagte heute: "Wenn einer gerade vom Spielfeld der U19 kommt, ist es klar, dass er noch nicht mit vielen Konzepten aufwarten kann. Die Frage ist, wem traut man es zu, den Fußball mit seinen Konzepten nach vorne zu bringen." Auffallend war jedenfalls, dass Schöttels Formulierungen über die künftigen Ziele und Visionen relativ inhaltsleer waren: „Der österreichische Fußball soll den nächsten Schritt machen. Wir wollen aufbauen auf dem, was Ruttensteiner gemacht hat. Wir wollen die Entwicklungen der Zeit mitgehen, in allen Bereichen weiterkommen. Wir wollen weiterhin gut ausbilden, mehr aber im athletischen Bereich arbeiten müssen, um näher an die Spitze zu kommen.“ Egal ob es jetzt ein Konzept gibt oder nicht: Sehr visionär klingen diese Sätze bei einer Antrittspressekonferenz nicht.

 

Drittens – Das Anforderungsprofil wird so gebogen, dass es passt

Leo Windtner erwähnte heute in der Pressekonferenz, dass es nach wie vor ein gültiges Anforderungsprofil für den Teamchef gäbe. Bei der Bestellung von Marcel Koller im Jahr 2011 hieß es dazu in der offiziellen Presseaussendung: „Das erstellte Anforderungsprofil war umfangreich. So wurde nach einer Persönlichkeit mit internationaler Erfahrung gesucht, die Erfolge in Form von Titeln auf nationaler und/oder internationaler Ebene mitbringt.“ Andi Herzog wäre demnach kein passender Teamchefkandidat. Peter Schöttel wurde heute ebenfalls – wenig überraschend – zu seinen Gedanken zum neuen Teamchef befragt. Er sagte: „Er muss eine Persönlichkeit darstellen. Er muss mit dieser Mannschaft, die aus ganz eigenen Charakteren besteht, umgehen können. Er muss Klartext reden, er muss etwas darstellen“, so wie die oberflächliche Beschreibung. Doch dann ergänzte Schöttel: „Er muss als Trainer schon Erfolge gehabt haben, das müssen aber nicht Titel sein. Erfolg kann man auch auf anderer Ebene haben, in dem man Spieler weiterentwickelt. Ich vergleiche das mit der Trainersuche damals bei Rapid. Damals habe ich mich festgelegt, dass es ein Österreicher sein sollte, ich schließe es nicht aus, dass es ein Ausländer ist, auch wenn ich einen Österreicher bevorzuge." Diese Sätze hat Schöttel wohl nicht zufällig gewählt – damit fällt der vieldiskutierte Andreas Herzog zumindest in Schöttels Anforderungsprofil. Weniger später bestätigte er auf Nachfrage: „Andreas Herzog ist ein Kandidat.“

 

Viertens – Leo Windtner hat sich an die Macht geklammert

Leo Windtner ist im Juni mit einer Gegenstimme zum dritten Mal zum ÖFB-Präsidenten gewählt worden. Während sich am offiziellen Titel – Präsident - in den vergangenen Jahren nichts geändert hat, ist die informelle Macht des Oberösterreichers mit Verdacht auf Pensionsschock in den letzten Monaten geschwunden. So gut wie alle wichtigen Entscheidungen in den letzten Monaten sind nicht so gefallen, wie sie sich Windtner vorgestellt hat. Zunächst musste Marketing-Chef Wolfgang Gramann auf Geheiß einiger Landespräsidenten gehen – auch wenn es Windtner gerne anders darstellt. Dann haben sich die Landespräsidenten wieder ins Präsidium wählen lassen. Zuletzt hat er auch seinen engsten Vertrauten Willi Ruttensteiner wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Und warum? Leo Windtner hatte nicht mehr die informelle Macht und die Kraft dazu, diese Entscheidungen in seine Richtung zu lenken. Der Erhalt der Präsidentschaft war das Minimalziel, das er jetzt erreicht hat. Nach außen hin klingt das aus dem Mund von Windtner so: „Wenn ich überall gleich davongelaufen wäre, wenn Gegenwind kommt, wäre ich nicht weit gekommen. Wenn die See rau wird, muss man ans Steuer gehen. Von der rauen See soll man dann wieder in ruhigere Gewässer steuern. Davon bin ich überzeugt. Eines war heute festzustellen: Alle Präsidiumsmitglieder gehen wieder einen Schritt in die Mitte, damit wir uns nicht weiter selbstbeschädigen." Windtner kann jetzt nur hoffen, dass die nächsten Jahre bis zum Ende seiner Präsidentschaft sportlich halbwegs erfolgreich verlaufen, um nicht wieder in derartige Situationen zu kommen.

 

Fünftens – Sportliche Kompetenz ist weniger wichtig

Die letzten Monate haben vor allem eines gezeigt: Die sportliche Kompetenz ist bei der Gewichtung von Entscheidungen in den Hintergrund gedrängt worden. Noch 2015 sagte ÖFB-Präsident Leo Windtner im Interview auf die Frage: „Bislang war es ja so, dass jeder Landespräsident seine Interessen hatte. Es stand zumeist nicht das sportliche Profil im Vordergrund. Sondern: wer kann besseres Lobbying für seinen Kandidaten betreiben.“ Windtner antwortete: Das heißt: Es war beim letzten Mal (Anm.: bei der Teamchefbestellung Kollers) zum ersten Mal anders. (lacht laut). Und heute? "Dass die neun Landespräsidenten Einfluss haben, ist gesetztes Recht. Es ist schon feststellbar, dass in Zeiten, wo es sportlich floriert, keine Problemfelder entstehen. Wenn es nicht läuft, haben wir die Situationen wie jetzt. Da muss man durch, da muss man den Schaden begrenzen und wenn man durch ist, dass man einen Neustart hat, wo alle dabei sind. Da sind wir jetzt. Das ist nicht eine Frage der Kompetenz, sondern des Rechts. Über die Kompetenz der Landespräsidenten maße ich mir kein Urteil an."

 

Der ÖFB hat in den vergangenen zwei Jahren den Weg verlassen, ständig an sich zu arbeiten, um sich weiterzuentwickeln. Mit den Entscheidungen der letzten Wochen gehen der Verband, der Präsident aber auch die Landespräsidenten einen neuen, einen anderen Weg. Einen Weg des geringeren Widerstands. Ein Weg, den man aus früheren Zeiten noch gut kennt.