Die Task Force wird zur Task Farce
Der ÖFB hat in den vergangenen Wochen sehr viel an Kredit verspielt. Bis morgen, Samstag, bleiben noch wenige Stunden Zeit, um zu retten, was noch zu retten ist. Die Task Force ist zur Task Farce verkommen.
Ein Kommentar von Michael Fiala
Wenn ein Verband oder Klub die Position des Sportdirektors evaluiert bzw. daran denkt, diesen Job neu zu vergeben, kann schnell ein Dilemma entstehen: Denn der Sportdirektor ist die höchste sportliche Kompetenz in diesem Konstrukt, daher stellt sich dann immer die Frage: Wer beantwortet in einem Verband wie dem ÖFB die Frage, ob es Änderungen in diesem Bereich braucht? Da geht es einerseits zunächst um strukturelle Fragen und dann in weiterer Folge um die Person selbst.
Um diesen Prozess zu professionalisieren, bedienen sich Vereine oder Verbände dann manchmal einer externen Expertise - oder zumindest tun sie so. Damit dies höchst professionell kommuniziert werden kann, greift man dann oft auf den Begriff Task-Force zurück. Aber egal ob es offiziell eine Task-Force gibt oder nicht: Die Suche nach einer neuen sportlichen Struktur und einem neuen Sportdirektor kann auch schnell zum Eigentor werden, wann man sich nicht professionell damit auseinandersetzt.
Bestes Beispiel Rapid
Bestes Beispiel ist Rapid, das die vergangenen zwei Jahre aus sportlicher Sicht nahezu alles verpatzt hat, was man nur verpatzen konnte. Nicht zuletzt warnte auch der niederösterreichische ÖFB-Landespräsident Johann Gartner nach der letzten ÖFB-Sitzung: „Wir haben gefragt: Müssen wir nicht Trainer und Sportdirektor gemeinsam bedenken? Sonst wäre die Gefahr, dass eine Situation entsteht wie bei Rapid, wo der neue Sportdirektor einen Trainer geerbt hat, der seinen Plänen nicht entspricht.“
Also gibt es auch beim ÖFB aktuell eine Task-Force. Ins Spiel gebracht hat sie ÖFB-Präsident Leo Windtner vor ein paar Tagen in einem Interview mit dem Kurier. Windtner sah sich damals ein weiteres Mal genötigt, Internas, die über ÖFB-Kanäle an die Öffentlichkeit gelangt sind, gerade zu biegen – Stichwort Peter Schöttel. Windtner meinte: "Wir werden am Samstag über die Kandidaten diskutieren, Schöttel ist einer davon. Vorab hat eine professionelle Task Force ein Hearing durchgeführt."
Bedenken? Ja!
Gehen wir daher zunächst der Frage nach: Wer oder was steckt hinter der Task Force? Fragt man beim ÖFB nach, bekommt man die Antwort, „dass wir vor der Sitzung am Samstag keine Details zu den laufenden internen Prozessen bekanntgeben können.“ Die Task-Force will also gerne geheim bleiben. Möglicherweise könnte dies auch daran liegen, dass die besagte Task-Force aus zwei Landespräsidenten, einem Vertreter der Bundesliga und ÖFB-Präsident Leo Windtner besteht? Immerhin bestätigte Bundesliga-Vizepräsident Markus Kraetschmer gegenüber laola1.at, dass die Mitglieder der Task-Force ohne externe Experten auskommt: "Nein, es gibt keine Gruppierung außerhalb des Präsidiums, sondern es gibt eine Task Force, die vom Präsidium nominiert wurde. Diese führt Gespräche mit Willi Ruttensteiner, aber eben auch mit anderen Kandidaten.“
Die Frage, die sich nach den hunderten Medienberichten zu diesem Thema nun stellt: Gibt es berechtigte Bedenken, dass diese Task-Force nur eine schöne Verpackung für ein bereits abgekartetes Spielchen einiger Landespräsidenten ist? Die Antwort lautet: Ja!
Es geht bei dieser Diskussion nicht (nur) um sachliche Entscheidungen nach fachlichen Kriterien sondern um ein Revanche-Foul. Gewisse Landespräsidenten haben es noch immer nicht verkraftet, dass sie bei der letzten Verlängerung des Koller-Vertrags vor der Euro 2016 nicht eingeweiht wurden.
Fachliche Kriterien? Nein!
Das führt zur nächsten Frage: Haben die Landespräsidenten in den vergangenen Wochen unter Beweis gestellt, dass sie eine Entscheidung nach rein fachlichen Kriterien treffen können bzw. wollen? Die Antwortet lautet: Nein, denn es wurde ohne Not eine öffentliche und peinliche Diskussion vom Zaun gebrochen, die den gesamten Verband erschüttert und nebenbei gezeigt hat, dass Präsident Windtner zum Frühstückspräsidenten degradiert wurde.
Man muss sich vor Augen halten, was eigentlich passiert ist: Österreich hat eine WM-Qualifikation verpasst. Marcel Koller war sechs Jahre Teamchef und es war abzusehen, dass er nach Ende dieser Quali gehen wird. So weit ist das Vorgehen des ÖFB verständlich, auch wenn die Art und Weise der öffentlichen Inszenierung dieser Demontage auch bereits Bände für den Zustand des Verbands spricht. Doch warum wird die gesamte Arbeit des Sportdirektors, die in den vergangenen Jahren Früchte getragen hat, jetzt nicht nur in Frage gestellt sondern sogar zum Teil diskreditiert?
Revanche-Foul
Die Antwort ist einfach: Es geht bei dieser Diskussion nicht (nur) um sachliche Entscheidungen nach fachlichen Kriterien sondern um ein Revanche-Foul. Gewisse Landespräsidenten haben es noch immer nicht verkraftet, dass sie bei der letzten Verlängerung des Koller-Vertrags vor der Euro 2016 nicht eingeweiht wurden. Zudem ist einigen die Jahresbilanzpressekonferenz des Jahres 2016 ein Dorn im Auge, als sich Windtner und Ruttensteiner abgeputzt haben und der Mannschaft den schwarzen Peter für die schlechte Leistung bei der Euro zugesteckt haben. Daher haben sich diese Herren im Frühjahr dieses Jahres die Wiederwahl von Leo Windtner teuer erkaufen lassen. Und um das eigene Ego zu befriedigen müssen diese Personen jetzt auch der Öffentlichkeit zeigen, welche Macht sie haben. Endlich ist für diese Personen die Zeit gekommen, den unangenehmen Zeitgenossen Willi Ruttensteiner zu entsorgen und mit einem Ja-Sager zu ersetzen, denn diverse Aussagen der vergangenen Wochen lassen außerdem den Schluss zu, dass der neue Sportdirektor bei der Teamchefbestellung vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Wie in alten Zeiten!
Muss Ruttensteiner gehen?
13 Personen sind morgen Samstag stimmberechtigt: Neun Landespräsidenten, Präsident Leo Windtner und die drei Vertreter der Bundesliga. Sieben Stimmen braucht man für eine Mehrheit. Doch die Landespräsidenten haben die Rechnung eventuell zu früh geschrieben: Der Druck in den vergangenen Tagen ist enorm gestiegen - auch Marc Janko, Marko Arnautovic und Julian Baumgartlinger haben ihren Beitrag dazu geleistet. Wobei es an sich schon absurd ist, dass sich Spieler über die Bestellung des Sportdirektors äußern. Man stelle sich vor, Steffen Hofmann kritisiert das Rapid-Präsidium in Bausch und Bogen für das Auswahlverfahren eines Sportdirektors. Es wäre wohl ein Kündigungsgrund. Und: Man braucht kein großer Prophet sein, um zu wissen, wer dafür verantwortlich ist, dass genau diese Spieler für die Pressekonferenzen ausgewählt worden sind. Dem Vernehmen nach war ÖFB-Präsident Leo Windtner im Rahmen dieses Lehrgangs auffällig oft rund um das Team zu sehen. Möglicherweise also wird der eine oder andere Stimmberechtigte seine Meinung noch einmal revidieren und zugunsten von Ruttensteiner abstimmen.
Schlägt das Pendel in die andere Richtung?
Der aufgebaute Druck könnte aber auch genau das Gegenteil bewirken. Möglicherweise lässt die von oben gewollte Ruttensteiner-Charme-Offensive das Pendel bei den Landespräsidenten jetzt erst Recht in die andere Richtung ausschlagen. Es wäre der nächste Nackenschlag für Präsident Leo Windtner.
Es gibt aber noch immer eine kleine Chance, morgen die persönlichen Eitelkeiten hinten anzustellen und eine möglichst sachliche Entscheidung zu treffen, auch wenn es nicht besonders realistisch sein dürfte. Leider haben beide „Fraktionen“ ihren Anteil daran, dass die Task Force zur Task Farce verkommen ist.