LASK und Boateng: Moralischer Totalverfall
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LASK und Boateng: Moralischer Totalverfall

Der LASK hat tatsächlich Jerome Boateng für die nächste Saison verpflichtet. Die Linzer zeigen damit erneut, wie wenig ihnen Feingefühl, moralischer Anspruch oder Vorbildwirkung bedeuten.

Am 14. Juni ist in München der nächste Gerichtstermin. Eine Neuauflage eines Verfahrens gegen den Fußballer Jerome Boateng, das wegen Verfahrensfehlern wiederholt werden muss. Vor zwei Jahren gab es schon ein Urteil: Schuldig wegen Körperverletzung und Beleidigung gegenüber einer Ex-Partnerin, Strafe: 1,2 Millionen Euro Bußgeld. Der Prozess Mitte Juni wird zeigen, ob das Urteil bestätigt wird oder nicht. Aber das ist nicht alles. Vor drei Jahren nahm sich Kasia Lenhardt das Leben. Nachdem ihre Beziehung zu ebendiesem Fußballer und die Probleme darin öffentlich wurden und der deutsche Boulevard sich wie eine Hyäne darauf gestürzt hat. Der Vorwurf häuslicher Gewalt spielte auch hier eine Rolle, ein NDA (Non Disclosure Agreement) ebenso. Das hat Lenhardt auf Betreiben des Boatengs unterschrieben und es verbot ihr, über Details ihrer Beziehung zu sprechen. Der „Spiegel“ hat mit Erlaubnis von Lenhardts Familie in einer Podcast-Serie posthum dutzende Stunden Sprachnachrichten analysiert und ist auf eine äußerst toxische Beziehung gestoßen.

Die unwidersprochene Transfersensation

Jerome Boateng war früher ein Star in der Bayern-Innenverteidigung und der deutschen Nationalmannschaft. Diese Vorfälle, die zwar (noch) nicht rechtskräftig sind, aber schon ein relativ klares Bild davon zeichnen, wie Boateng pflegte mit Frauen umzugehen, haben ihn in Fußball-Europa in weiten Teilen zu einer Persona non grata gemacht. 2021-23 war er bei Lyon unter Vertrag, die Vorwürfe rund um seine Beziehungen verhinderten wohl eine Rückkehr zum FC Bayern, der gerade große Not in der Verteidigung hatte. "Es ist ja nicht so, dass wir ignorant durchs Leben schreiten", gab Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen dazu zu Protokoll. Gerade einmal der italienische Klub US Salernitana, abgeschlagen Letzter in der Serie A, war verzweifelt genug und holte Boateng noch für ein paar Spiele, was den Abstieg nicht mehr verhindern konnte.

Man war geneigt zu glauben, das war es dann mit der Karriere von Jerome Boateng, aber dann kam Siegmund Gruber.

Jürgen Pucher

Man war geneigt zu glauben, das war es dann mit der Karriere von Jerome Boateng, aber dann kam Siegmund Gruber. Der LASK holte tatsächlich diesen Mann und verkündete begleitet von Superlativen eine Transfersensation. Dem nicht genug, sprach Gruber von „einem großen Charakter“, da Boateng den Linzern finanziell sehr entgegengekommen sei. Ob sich Herr Gruber überlegt hat, ob ihn nur sonst keiner haben wollte? Sportchef Radovan Vujanovic erklärte, Boateng sei ein enormer Gewinn für den gesamten österreichischen Fußball. Da ich auch ein Teil dieses „gesamten österreichischen Fußballs“ bin, kann ich entgegnen: Nein, ist er nicht. Freilich gilt für ihn wie für alle anderen die Unschuldsvermutung. Das moralische, nicht strafrechtlich relevante Bild ist aber bis in ein Detail hinein gezeichnet, sodass bei einem Fußballklub, der auch eine Vorbildfunktion hat, alle Alarmglocken schrillen müssten, bevor man so einen Spieler verpflichtet.

Appell an das moralische Selbst der LASK-Fans

Mit der Transfermeldung am Freitag ging auch ein kollektives Medienversagen einher. Fast alle großen Player in Österreich übernahmen den LASK-Presseaussendungs-Spin und posaunten vom Ex-Weltmeister, der jetzt in der Bundesliga kicken wird. Shame on you all, kann ich da nur sagen. Erst als sich im Netz herauskristallisierte, dass das bei weitem nicht alle Fußballfans toll finden, legten viele nach und fügten ein paar Sätze zum laufenden Verfahren hinzu. Wir haben erste Reihe fußfrei erlebt, wie wenig sensibilisiert heimische Sportredaktionen abseits des reinen Kicks am Rasen noch immer sind. Oder es mangelt mittlerweile derart an Ressourcen, dass es nicht mehr möglich ist, eine solche Meldung einzuordnen, bevor man copy paste damit auf allen Kanälen rausgeht. Was auch immer der Grund sein mag, es ist so oder so eine Schande.

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Da es der Vereinsführung der Oberösterreicher offenbar an allem mangelt, was moralisch in einer Führungsfunktion notwendig wäre, sind die LASK-Fans gefordert. Sie haben bezüglich der Sponsorendeals von Siegmund Gruber schon gezeigt, dass sie Power haben und sich auf die Füße stellen können, wenn Dinge schieflaufen. „Boateng-Gate“ wäre ein noch wichtigerer Anlassfall für die Fankurve, klar Kante zu zeigen und sich zu äußern. Wenn man auch nur den geringsten Anspruch an sich und sein moralisches Selbst hat, darf das in einer Kurve nicht unerwähnt bleiben. Bis dato, war weder von den „Landstrasslern“ noch von der Fanplattform „seit1908.at“ etwas dazu zu hören oder lesen.

Update: Mittlerweile gibt es einen äußerst lesenswerten >> Gastkommentar auf seit1908.at zu diesem Thema.

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