Vor Schweden: Rangnick muss auf erste Elf hoffen [12 Meter]
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Vor Schweden: Rangnick muss auf erste Elf hoffen [12 Meter]

Ralf Rangnick braucht gegen Schweden am Dienstag seine Top-Spieler. Die zweite Garnitur hat er mittels öffentlicher Demütigung zunächst einmal ins Out gestellt. Der ÖFB-Teamchef bleibt damit seinen ohnehin bekannten Defiziten im persönlichen Umgang treu.

Jeder gut ausgebildete Pädagoge weiß, dass öffentliche Zurschaustellung von Defiziten in den allermeisten Fällen nicht zu Leistungssteigerungen führt. Es ist vielmehr ein schlechter Stil und zeugt von einer nicht unbedingt mit einem Übermaß an Empathie ausgestatteten Persönlichkeit.

Jürgen Pucher

Übers Ziel schießende Direktheit begleitet Rangnick durch alle Stationen seiner Karriere. Vielleicht ist das auch der Grund, warum dieser ausgewiesene Top-Trainer, nie einer der ganz großen geworden ist?

Jürgen Pucher

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Am Dienstag spielt das ÖFB-Team in Stockholm um eine Vorentscheidung in der Qualifikation für die Euro nächstes Jahr in Deutschland. Bei einem vollen Erfolg ist die Teilnahme mehr oder weniger geritzt. Letzte Woche schob die Mannschaft von Ralf Rangnick noch einen Testlauf gegen die Republik Moldau ein. Und der war ein wenig ernüchternd. In einem schwer anzusehenden Spiel kam das Nationalteam über ein 1:1 nicht hinaus. Der Teamchef probierte dabei auf einigen Positionen Spieler aus, die sonst kaum oder gar nicht zum Einsatz kommen.

 

Teamchef mit Kontrollverlust

Das hat nicht funktioniert. Es war offensichtlich, dass nichts zusammengepasst hat. Die Offensive hatte nichts anzubieten, um den defensiven Gegner in Bedrängnis zu bringen. Und der Abwehrverbund war ein Torso. Dass im Laufe des Spiels nach und nach die erste Garnitur eingewechselt wurde, brachte dann nicht mehr viel. So ein verfahrenes Spiel umzudrehen, ist in der Regel aber immer schwierig. Nun kann man über die Sinnhaftigkeit solcher Testläufe, wo es um nichts geht, diskutieren. Man kann anführen, dass es für fast jede Mannschaft der Welt mittlerweile schwierig ist, gegen gut organisierte Defensiven zu glänzen. Geblieben ist von diesem Spiel aber vor allem eines: Ein Teamchef, der sich in der Pressekonferenz nach dem Spiel nicht unter Kontrolle hatte, und zu einem Rundumschlag ausholte.

Ralf Rangnick hat seine zweite Garnitur, von der er sich in diesem Test ein Bild machen wollte, öffentlich abgewatscht. Vor allem Sturmkicker David Schnegg wurde an den Pranger gestellt. Warum der in jungen Jahren und zu Saisonbeginn am Ende eines nicht besonders intensiven Spiels völlig platt war, könne sich der Deutsche nicht erklären, ließ er die versammelte Presse wissen. Er verpasst damit nicht nur einem Spieler, der sein Debüt in der Nationalmannschaft gibt, eine Breitseite, er kritisiert indirekt zugleich auch dessen Klub für mangelhaftes Fitnesstraining. Einen Klub, dem nachgesagt wird, eine der fittesten Mannschaften in der Bundesliga zu stellen.

 

Hat die Persönlichkeit den „großen Trainer“ Rangnick verhindert?

Dass diese – notwendige - Kritik nach dem schlechten Spiel nicht intern abgehandelt wurde, damit macht man sich nicht nur keine Freunde, damit begeht man außerdem einen strategischen Fehler. Ralf Rangnick wird in Stockholm eine komplett andere Elf aufs Feld schicken. Aber er hat die Spieler, die er öffentlich lächerlich gemacht hat, nicht nur im Kader, damit die Liste ganz ausgefüllt werden kann. Es wird der Tag kommen, da wird er den einen oder anderen brauchen. Ob diese Spieler dann in der Lage sind ihr Maximum abzurufen, wissend, was der Chef von Ihnen hält, wage ich zu bezweifeln. Jeder gut ausgebildete Pädagoge weiß, dass öffentliche Zurschaustellung von Defiziten in den allermeisten Fällen nicht zu Leistungssteigerungen führt. Es ist vielmehr ein schlechter Stil und zeugt von einer nicht unbedingt mit einem Übermaß an Empathie ausgestatteten Persönlichkeit.

Rangnick muss also stark auf das Funktionieren seiner ersten 11-15 Spieler hoffen, weil an der Breite fehlt es ihm – seine Aussagen interpretierend – im Kader offensichtlich. Ein Teamchef sollte zudem für eine gute Basis zu den Klubs sorgen, wo seine Spieler kicken. Ob man bei Sturm Ralf Rangnick nach seinem Ausbruch noch immer besonders gerne hat, bin ich mir nicht sicher. Es wird ihm egal sein, so wie er einzuschätzen ist. Übers Ziel schießende Direktheit begleitet Rangnick durch alle Stationen seiner Karriere. Vielleicht ist das auch der Grund, warum dieser ausgewiesene Top-Trainer, nie einer der ganz großen geworden ist? Wenn es Probleme gab, waren diese meist auf einer persönlichen Ebene angesiedelt. Beim ÖFB ist Ralf Rangnick mit einer Art Freibrief ausgestattet und der sportliche Erfolg gibt ihm bisher Recht. Die Saat für sein übliches Set an Problemstellungen hat er aber jetzt mit der PK nach dem Moldau-Spiel gelegt. Wenn es einmal nicht mehr rund läuft, wird ihn dieses Thema, wie schon so oft, einholen.

So seht ihr das Quali-Topduell gegen Schweden live:

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