Red Bull: Angst vor Morbus Barcelona [12 Meter]
In Wals-Siezenheim wird vor dem Schlagerspiel am Wochenende vielen Sturmfans der Zutritt verwehrt. Die Angst vor einem Auswärtsspiel für den Serienmeister geht um. Und ein paar Kilometer weiter in Linz, tut der Vereinsboss alles, um seinen Anhängern den Fußball zu vermiesen. Beide eint: Sie wollen Kunden, keine Fußballfans.
Fans mit allem was dazugehört – Leidenschaft, Identität, Bindung – braucht man dort nicht. Der Klub ist ein Produkt und die Kunden sollen es kaufen. Aber bitte nur die, die sich im „Shopping Center“ dementsprechend verhalten. Der Pöbel soll lieber draußen bleiben, der ist laut und macht sicher nur Probleme.
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Wer kann sich erinnern, als die Frankfurter Eintracht voriges Jahr im Halbfinale der Europa League beim FC Barcelona angetreten ist? Rund 30.000 Fans der Hessen haben die Reise in die katalanische Hauptstadt mitgemacht und ihren Klub im Camp Nou lautstark ins Finale gepeitscht. Die Verantwortlichen von Barca waren – vorsichtig ausgedrückt – not very amused. Diskussionen kamen auf, ob man das denn überhaupt zulassen hätte sollen, dass so viele Auswärtsfans ein Ticket kaufen können. Um nicht von diesem „Morbus Barcelona“ befallen zu werden, baut hierzulande der Titelfavorit und Serienmeister Red Bull Salzburg lieber vor. Vor dem Schlager im Meisterschafts-Finish gegen Sturm Graz bleibt der Oberrang im Stadion zugesperrt.
Bitte keinen Pöbel im Shopping Center
Mit „künstlicher Verknappung“ zur Steigerung des Interesses und Fairness gegenüber den eigenen „Kunden“ (sic), argumentieren die Verantwortliche der Salzburger diese Weigerung, Tickets für mehr Fans in den freien Verkauf zu bringen. Es würde dem „Prinzip der Kundentreue“ widersprechen, wenn jeder eine Karte kaufen könne, erklärt Geschäftsführer Stephan Reiter den Salzburger Nachrichten. In Wahrheit sind das natürlich vorgeschobene Argumente, um nicht eine Situation wie damals in Barcelona zu haben.
Leseempfehlung:
Ein geöffneter Oberrang böte für viele tausend Grazer die Gelegenheit, trotz des bereits ausverkauften Auswärtssektors nach Wals-Siezenheim zu pilgern. Red Bull könnte schnell vor der Situation stehen, dass die lautstarken Sturmfans den Showdown in der heimischen Liga zu einem weiteren Heimspiel für ihre Mannschaft umdrehen. Als Hexenkessel ist die Bullenarena zudem ohnehin nicht unbedingt bekannt. Mit den dort üblichen Kartonklatschhänden würde man gegen eine große Zahl an Sturmfans eher nicht ankommen.
Es ist natürlich ein Jammer und unter der Würde des amtierenden Meisters, derart restriktiv gegen den wesentlichsten Bestandteil des Fußballs – die Fans – vorzugehen. Die Begriffe „künstliche Verknappung“ und „Kunden“ im Sprech der Verantwortlichen zeigen zudem ohnehin, wie das dort gesehen wird. Fans mit allem, was dazugehört – Leidenschaft, Identität, Bindung – braucht man dort nicht. Der Klub ist ein Produkt und die Kunden sollen es kaufen. Aber bitte nur die, die sich im „Shopping Center“ dementsprechend verhalten. Der Pöbel soll lieber draußen bleiben, der ist laut und macht sicher nur Probleme. Da verkaufen wir lieber weniger Menge, dafür bleibt unser Produkt schön sauber. Die, denen der Fußball am Herzen liegt, bleiben auf der Strecke. Sei‘s drum.
Wir wollen brave Kunden, keine Fans
Auch ein Stück weiter östlich gibt es einen Spitzenklub der heimischen Liga, der lieber brave Kunden anstatt einer aktiven Fanszene hätte. Siegmund Gruber führt den LASK wie seine Firma, er hat dort aber das Problem, dass er einen Verein übernommen hat, wo er hinter dem Tor auf Widerstand stößt. Er gibt allerdings sein Bestes, um der Fanszene regelmäßig mit dem Hinterteil ins Gesicht zu fahren. Dressen in Sponsorfarben, der Kurve wird verboten ihre eigenen Fanartikel im Stadion zu verkaufen, Logos werden in Werbeagenturen ohne Einbindung der Fans neu designt und die Ticketpreisgestaltung lässt einen vermuten, man ist beim FC Bayern und nicht in Linz. Trotz anhaltender Proteste zeigt die Vereinsführung kein Interesse, mit den Fangruppen in einen Dialog zu treten.
Beide Beispiele, Red Bull und der LASK, zeigen Facetten des Fußballgeschäfts, die jene vor den Kopf stoßen, die diesen Sport wirklich lieben. Das kann man nur tun, wenn einem bewusst ist, wer attraktiven Fußball ausmacht. Fußball lebt von den Fans, nur Fans – keine Kunden - können ein Stadion in einen magischen Ort verwandeln. Leuten wie Stephan Reiter oder Siegmund Gruber ist das egal.
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