Der Grazer Stadionkaugummi [12 Meter]
Die zweitgrößte Stadt Österreichs hat nur ein bundesligataugliches Fußballstadion und selbst das ist drauf und dran die Kriterien nicht mehr zu erfüllen. Der Wunsch nach einer Infrastrukturlösung bei Sturm und GAK ist groß. Wie der Weg dorthin aussieht, ist allerdings mehr als unsicher. Ein Überblick.
Ist die Bürgermeisterinnenpartei in Graz, die KPÖ, willens eine Lösung auf den Weg zu bringen? Es hält sich auf den Gängen des Grazer Rathauses hartnäckig das Gerücht, man wolle dort vor der regulären nächsten Gemeinderatswahl 2026 keine endgültige Entscheidung zum Stadienthema treffen.
Die ulkigste Rolle, wie oft in Österreichs Politiklandschaft, spielt die ÖVP. Deren Chef Kurt Hohensinner, im Grazer Proporz seines Zeichens Sportstadtrat, läuft durch die Stadt und kritisiert die Koalition für fehlende Lösungen. Sein Vorgänger Siegfried Nagl war allerdings fast zwei Jahrzehnte Bürgermeister und hat alle Ansätze zum Thema Stadionlösung im Keim erstickt.
GAK-Geschäftsführer Matthias Dielacher übt sich in emsiger Geschäftigkeit, wie man den eigenen Beitrag für ein Stadionprojekt auf den Boden bringen will, kommt aber in seinen langen Ausführungen nicht vor.
Sturm-Präsident Christian Jauk fürchtet, dass die KPÖ das Thema auf ewig verschleppen wird und ihm stößt zusätzlich sauer auf, dass er Sturm generell bei Zuwendungen der Öffentlichkeit im Vergleich zur Konkurrenz in Wien und Oberösterreich benachteiligt sieht.
+ + 90minuten.at PLUS - Ein 12 Meter von Jürgen Pucher + +
Es war der 9. Juli 1997. Sturm besiegt in einem Grazer Derby den GAK mit 4:0. Und zwar im Eröffnungsspiel des neu errichteten Liebenauer Stadions. Beide Grazer Klubs übersiedelten mit dieser Partie aus ihren alten und baufälligen Spielstätten in der Gruabn und der Korösistraße nach Liebenau in den Grazer Süden. Ein Umzug, der in beiden Fanlagern wenig beliebt, zum damaligen Zeitpunkt aber wahrscheinlich unausweichlich war.
Rund zehn Jahre später war dann Euro-Zeit und die steirische Politik traf eine folgenschwere Fehlentscheidung. Man überließ für die Fußballeuropameisterschaft in Österreich und der Schweiz Jörg Haider den Vortritt für den vierten Spielort neben Wien, Salzburg und Innsbruck. Alle Pläne für ein eurotaugliches Stadion in Graz wurden beiseitegeschoben. Sturm und GAK machten Mitte der 2000er mehr als nur schlechte Presse, schlitterten beide in den Konkurs, gerichtliches Nachspiel für einige Protagonisten inklusive. Sturm schaffte den Zwangsausgleich und erholte sich, der GAK verschwand über Jahre im Amateurfußball. Da war man in der Grazer Burg und im Rathaus der Meinung: lieber nix in den Fußball investieren, kommt nicht gut an.
Liebenau alt und von Politik kaputtgespart
In Klagenfurt steht deshalb seither das wahrscheinlich schönste Fußballstadion des Landes. Nur: jahrelang stand es die meiste Zeit leer. Jetzt dient es alle zwei Wochen einer Handvoll Zuschauer der Austria Klagenfurt als Austragungsort der Bundesligaspiele. Fände nicht das Cupfinale mittlerweile standardmäßig am Wörthersee statt, wären 25.000 der 30.000 Sitzplätze reine Platzverschwendung.
So oder so, dank der Kurzsichtigkeit der steirischen Politiker steht in Graz seit damals noch immer Liebenau. Mittlerweile in die Jahre gekommen, von der Eigentümerin Stadt Graz kaputtgespart und kaum noch heutigen Ansprüchen für ein Fußballstadion genügend. Seit kurzem teilen sich Schwarz und Rot den Spielort auch wieder, der GAK ist am Sprung zurück in die Bundesliga und der kleine Platz am Trainingsgelände in Graz-Weinzödl reicht nicht mehr. Und während die Sturmfans im Laufe der letzten Jahrzehnte Liebenau als ihre Heimat angenommen haben, ist es für den GAK die einzig mögliche Notlösung, um ein profitaugliches Stadion bespielen zu können.
Zweites Stadion: Synergie mit Straßenbahnremise?
Die Ausgangslage ist aktuell also folgende: Beide Grazer Klubs ziehen mittlerweile - einmal besser, einmal schlechter – an einem Strang für eine Stadienlösung in Graz. Bevorzugt eine solche mit einer eigenen Spielstätte für beide Klubs. Sturm wäre bereit, das Baurecht in Liebenau – übrigens ein jährliches Verlustgeschäft für die Eigentümerin – von der Stadt Graz zu erwerben, um das Stadion selbst betreiben und adaptieren zu können. Der Erlös daraus soll als Investitionsbeitrag für die Errichtung eines GAK-Stadions zweckgebunden sein. Klingt logisch, scheitert aber bis dato an einigen Dingen. Zunächst: wo soll dieses GAK-Stadion stehen? Der Verein sieht sich im Grazer Norden beheimatet und möchte am liebsten auch dort spielen. Daraus wird aber nichts, es gibt dort schlichtweg keinen geeigneten Platz. Eine Überprüfung des Trainingsgeländes in Weinzödl ergab, dass ein Stadion zwar prinzipiell möglich wäre, die gesetzlichen, baulichen und umwelttechnischen Hürden am Ende aber in ihrer Gesamtheit zu hoch seien.
Inzwischen ist der GAK gezwungenermaßen von seinen geografischen Dogmen abgerückt und wir sind aktuell wieder im Süden, konkret in Puntigam, und den dort verfügbaren riesigen Flächen rund um Industrie- und Shoppingareale gelandet. Im Stadionsonderausschuss des Grazer Gemeinderats – der wurde im Herbst 2023 als Diskussionsforum für Politik, Verwaltung und Fußballvereine eingerichtet – wurden einige Grundstücke ebendort ausgewählt, um sie einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen. Das soll nun bis Jänner 2024 gemacht werden. Neben der guten Anbindung und keinen offensichtlichen Widmungs- oder Umweltverträglichkeitsproblemen, hätte dieser Standort ein weiteres sehr gutes Argument für sich. Graz braucht in naher Zukunft eine neue Remise für seine Straßenbahnen. Neue Garnituren werden angeschafft und die brauchen mehr Platz. Eine solche Remise wäre im Bereich der Endstation der Linie 5 angedacht und die befindet sich? Genau. In Puntigam.
Auf einem dieser Gründe könnte unterirdisch die Remise gebaut werden, die ohnehin ein Muss ist, und obendrauf das Fußballstadion. Dem Vernehmen nach hat die Stadt Graz die in Frage kommenden Gründe bereits bezüglich Remise geprüft und für tauglich befunden. Ginge die Prüfung auch für ein Fußballstadion positiv aus, stünde einem großen Schritt in Richtung zweites Stadion eine Hürde weniger im Weg. Es wird außerdem neuerdings lanciert, dass es ja auch wieder ein Stadion für beide Klubs werden könnte, nur eben groß, neu und modern. So oder so, es bleiben aber immer noch genügend Stolpersteine für einen Bau an sich übrig. Der erste und wesentlichste: Ist die Bürgermeisterinnenpartei in Graz, die KPÖ, willens eine Lösung auf den Weg zu bringen? Es hält sich auf den Gängen des Grazer Rathauses hartnäckig das Gerücht, man wolle dort vor der regulären nächsten Gemeinderatswahl 2026 keine endgültige Entscheidung zum Stadienthema treffen.
Nächste Generation KPÖ ist Stadionbremsklotz
Das vorgeschobene Argument ist stets die angespannte Lage im Stadtbudget, der eine Beteiligung der Stadt an einem Stadionprojekt schwierig machen würde. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, der außerdem mit der Gegenfinanzierung über einen Verkauf von Liebenau an Sturm aus der Welt geschaffen wäre. Schwerer wiegt der Umstand, dass es in der KPÖ rund um die nächste Wahl wohl einen Generationenwechsel geben wird. Bürgermeisterin Elke Kahr und Finanzstadtrat Manfred Eber werden wahrscheinlich in die Politpension übertreten, die junge Riege dahinter gilt in punkto Stadienlösung als wenig kompromissbereit. Kahr und Eber haben sich zum Thema mit Ahnungslosigkeit und Unbedarftheit mehrmals negativ hervorgetan, waren aber zumindest immer willens den Dialog zur Lösungsfindung aufrechtzuerhalten. Die Leute, die übernehmen würden, denken ideologiegetriebener und stehen zum Beispiel einer Veräußerung öffentlichen Eigentums generell skeptisch gegenüber.
Grüne und SPÖ, ebenfalls Teil der Grazer Stadtkoalition, agieren pragmatisch beziehungsweise wohlwollender. Die Grünen forcieren die Lösungsfindung, weil sie das Thema vor dem Wahlkampf vom Tisch haben wollen, die SPÖ ist der Motor für eine Lösung, allerdings zugleich der kleinste Partner der Koalition. Die ulkigste Rolle, wie oft in Österreichs Politiklandschaft, spielt die ÖVP. Deren Chef Kurt Hohensinner, im Grazer Proporz seines Zeichens Sportstadtrat, läuft durch die Stadt und kritisiert die Koalition für fehlende Lösungen. Sein Vorgänger Siegfried Nagl war allerdings fast zwei Jahrzehnte Bürgermeister und hat alle Ansätze zum Thema Stadionlösung im Keim erstickt. Lieber hat er mit Gondelideen, Olympiabewerbungen oder U-Bahn-Hirngespinsten Zeit und Geld verschwendet und sang- und klanglos eine komplett leere Stadtkasse übergeben.
Kann der GAK seinen Beitrag stemmen?
Zu der vertrakten politischen Konstellation kommt hinzu, dass es selbst im Falle einer Einigung auf Standort und Unterstützung aus dem Stadtbudget, alles andere als sicher ist, dass der GAK es schafft seinen eigenen Anteil an so einem Projekt zu stemmen. Geld ist dort knapp, zweite Liga ist teuer. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass ein Aufstieg in dieser Saison fast ein Muss ist, da es sonst recht bald wieder recht finster werden könnte, bei den Roten. Vor allem Geschäftsführer Matthias Dielacher übt sich in emsiger Geschäftigkeit, wie man den eigenen Beitrag auf den Boden bringen will, kommt aber in seinen langen Ausführungen nicht vor. Und bei Sturm ist man inzwischen eher in Richtung Fatalismus unterwegs. Präsident Christian Jauk trägt den Frust schon recht offen vor sich her. Er fürchtet, dass die KPÖ das Thema auf ewig verschleppen wird und ihm stößt zusätzlich sauer auf, dass er Sturm generell bei Zuwendungen der Öffentlichkeit im Vergleich zur Konkurrenz in Wien und Oberösterreich benachteiligt sieht. Da geht es neben der Zwei-Stadien-Frage auch um kurzfristig notwendige Investitionen in Liebenau und um ein Trainingszentrum für die Akademie und die Frauenmannschaft, wo Jauk gerne einen finanziellen Beitrag der Stadt sehen würde.
Unterm Strich bleibt: Es ist kompliziert. Die Gemengelage aus politischem Unvermögen und Unwillen, Finanzierungsproblemen und einer zähen Standortsuche, haben bis jetzt noch zu keinem wirklich realistischen Lösungsszenario geführt, an dem man arbeiten könnte. Überlegungen, Mutmaßungen, Prüfungen und Gesprächsmarathons lassen das Stadienthema in Graz mittlerweile wie einen zur völligen Geschmack- und Substanzlosigkeit zerkauten Hubbabubba erscheinen. Es bleibt dem Fußball und seinen Fans das Prinzip Hoffnung, dass die konstruktiven Kräfte ausreichend Oberwasser bekommen, um diese Herausforderung einer vernünftigen Lösung zuzuführen.
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