ÖFB und die Medien: Reißt Ralf den Rainer mit? [12 Meter]
Ralf Rangnick ist noch nicht lange im Amt und es hat sich im und um das Nationalteam schon mehr geändert als in vielen Jahren davor. Dazu zählt, neben dem Fußball auf dem Feld, auch die Art der Kommunikation. Die großen Medien können da noch nicht mithalten.
Vielleicht gelingt ihm ja auch das Unvorstellbare: Mit dem Niveau des Spiels auch das Niveau der Debatte darüber zu heben. Er selbst macht es vor. Rangnick gibt sich selbstkritisch, trotz guter Leistungen. Er spricht die Dinge an und verliert sich nicht in Phrasen.
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Noch nie in der Geschichte wurde der Vorgänger eines neuen Teamchefs ohne genannt zu werden oder sonst irgendwie involviert zu sein, derart vorgeführt wie Franco Foda. Der Fußball des Nationalteams gegen Kroatien und gegen Dänemark hatte so gut wie nichts mehr mit dem Gemurkse der letzten Jahre zu tun. Wer das jetzt sehr gemein findet, dem sei gesagt: Alles gut, Foda wird das nicht so sehen, weil er das weder sehen will, noch ist in seiner Realität eine derartige Reflexion vorgesehen. Er wird sich weiter selbst Geschichten vom besten Punkteschnitt und historischen Ereignissen bei der Europameisterschaft vorsagen. Dem Schweizer Meister ist zudem nichts Besseres eingefallen, als Foda für die nächste Saison zu verpflichten. Ihm geht’s also gut. Gut geht es aber auch den österreichischen Teamkickern. Sie dürfen jetzt das machen, was sie können und man sieht und spürt in jeder Spielsituation und in jedem Interview die Erleichterung darüber.
Niveau der Berichterstattung muss endlich besser werden
Zur Klarstellung, ich mag Ralf Rangnick nicht einmal besonders. Viele der Fußballprojekte in seinem Leben, etwa Red Bull oder Hoffenheim, könnten mir nicht ferner sein. Sein Führungsstil in der Vergangenheit hat mir auch oft nicht gefallen. Aber nichtsdestotrotz ist beim ÖFB ab sofort einer am Ruder, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger erkannt hat, was man mit dieser Mannschaft spielen sollte. Und es ist wohl auch nicht der schlechteste Umstand, dass Rangnick von Diplomatie und Kompromissen sehr weit entfernt ist. Peter Schöttel wird sich in nächster Zeit warm anziehen müssen - und das ist gut so. Und: Nicht nur Franco Foda wurde durch die Spielweise von Rangnick vorgeführt. Mit ihm auch die ewig-gestrige Gruppe an Journalisten, die tatsächlich diesem Kader die Qualität abgesprochen hat und so den grauslichen Angsthasenfußball des Ex-Teamchefs immer wieder aus der Schusslinie genommen hat.
Ralf Rangnick hat in nur zwei Spielen mit nur wenigen Trainingstagen im Vorfeld gezeigt, wie viel man da schon beeinflussen und ändern kann. Vielleicht gelingt ihm ja auch das Unvorstellbare: Mit dem Niveau des Spiels auch das Niveau der Debatte darüber zu heben. Er selbst macht es vor. Rangnick gibt sich selbstkritisch, trotz guter Leistungen. Er spricht die Dinge an und verliert sich nicht in Phrasen. Man wird ja noch träumen und hoffen dürfen, dass mehr Substanz das Gegenüber zu ähnlichem Verhalten motiviert. Rangnick wird andernfalls ohnehin die Geduld verlieren. Ich bin nicht sicher, ob er noch viele Andi Felber-Fieldinterviews aushalten kann.
Substanzlosigkeit ist eine Frechheit
Ganz generell sollte sich der ORF endlich dazu aufraffen, in seiner Sportredaktion für mehr Qualität zu sorgen. Man hat mittlerweile mit Helge Payer und Roman Mählich zwei Experten mit Potenzial an Bord. Vor allem Mählich hat sich sehr gut weiterentwickelt, seit er einsehen musste, dass Trainer nichts für ihn ist. Urgestein Herbert Prohaska soll meinetwegen auch dabei sein, aber alles was rund um das Nationalteam der Männer moderiert und kommentiert, ist schlichtweg eine Zumutung. Die Substanzlosigkeit eines Rainer Pariasek oder die von Ahnungslosigkeit und schlechten Scherzchen geprägten Livekommentare, sind nicht nur eine Frechheit gegenüber den Zuschauern. Sie sind auch eine Respektlosigkeit gegenüber den Protagonisten am Feld, wenn sie ihre Aufgabe ernst nehmen.
In den Fodajahren ist das, wie auch schon bei einigen früheren Teamchefs, nicht so ins Gewicht gefallen. Das Niveau der Debatte hat sich bewusst und stillschweigend übereingestimmt auf ähnlichem Niveau bewegt. Das muss sich endlich ändern und jetzt wäre eine gute Gelegenheit dazu. Im ÖFB wird wohl kein Stein auf dem anderen bleiben, vielleicht entschließt sich ja auch der ORF dazu, nicht jeder innovativen Veränderung permanent einen Riegel vorzuschieben. Selbiges gilt für viele Redaktionen der Tageszeitungen, wo ständig die immer gleiche Suppe mit den immer gleichen Floskelzutaten gekocht wird. Alle Protagonisten, die Teil davon sind oder das Nationalteam verfolgen (müssen), haben sich endlich einen Schritt vorwärts verdient. Vielleicht kann das Level auf dem Ralf Rangnick in der Öffentlichkeit spricht, die Entourage des ÖFB-Teams ein wenig mitziehen. Allein dafür hätte sich sein Engagement schon gelohnt.
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