Super League: Grenzenlose Heuchelei
Ein paar Geldsackklubs wollen eine exklusive Super League gründen. Die Aufregung darüber ist riesig, dabei handelt es sich nüchtern betrachtet nur um die logischen Fortsetzung einer langjährigen Entwicklung im europäischen Fußball. Die größte Witzfigur im ganzen Drama ist dabei die UEFA.
Da erdreistet sich etwa die UEFA, sich vor Empörung gar nicht mehr einzukriegen und beschließt mehr oder weniger parallel dazu eine neuerliche Reform der Champions League, die nichts anderes im Sinn hat, als das, was die Super League verfolgt.
Wer nicht sieht, dass eine Super League eine logische Fortschreibung des Status Quo darstellt, ist entweder ein bisschen beschränkt oder sehr naiv.
+ + 90minuten.at Exklusiv - ein 12 Meter von Jürgen Pucher + +
Jetzt haben also einige der großen Sympathieträger im Fußball beschlossen, eine sogenannte Super League zu gründen. Keine sportliche Qualifikation notwendig, ein exklusiver Kreis mit einem einzigen Zweck: jährlich wiederkehrende Geldmaximierung. Real Madrid und Co verkünden die Parole, dass es das ist, was die Fußballwelt braucht. Die instabile wirtschaftliche Situation durch die Corona-Krise und die nicht zufriedenstellend verlaufenden Gespräche mit der UEFA hinsichtlich der aktuellen europäischen Bewerbe, würden diese Schritt mehr oder weniger alternativlos machen. Das schreiben die Klubs in ihrer gemeinsamen Aussendung. Das ist natürlich Unsinn und alle wissen das. Man will in Wahrheit schlicht und einfach der schon vorherrschenden Profitgier noch eines draufsetzen. Nicht mehr und nicht weniger.
Heuchelei wohin man schaut
Diese Entwicklung ist im Prinzip wenig überraschend und hat sich schon einige Zeit abgezeichnet. Die Klubs, die sich hier bei der Gründung hervorgetan haben, sind längst keine Fußballklubs mehr, die sich mit dem befassen, was es irgendwann einmal gab. Sportlicher Wettbewerb, Fans, Emotionen und Verankerung im regionalen Umfeld sind wenn nur zur Marketingbehübschung erwünscht. Die Vereine sind global agierende Wirtschaftsunternehmen, die das tun, was solche Unternehmungen eben tun: Geld scheffeln und Profite maximieren. Das ist ekelhaft und einem jeden Fußballfan ein Dorn im Auge. Die Ausrufung der Super League ist außerdem der Beginn der Zerstörung der nationalen Bewerbe in den jeweiligen Ländern. Und nicht zuletzt tritt sie das endgültig mit Füßen, worum es beim weltweit populärsten Sport eigentlich gehen sollte: Faninteressen.
Was aber dem Fass den Boden ausschlägt, sind die Reaktionen aus unterschiedlichen Ecken auf diese jüngste Entwicklung. Da erdreistet sich etwa die UEFA, sich vor Empörung gar nicht mehr einzukriegen und beschließt mehr oder weniger parallel dazu eine neuerliche Reform der Champions League, die nichts anderes im Sinn hat, als das, was die Super League verfolgt: Mehr Geld für die ohnehin schon finanzstärksten Protagonisten. Dann haben sich umgehend Vertreter von Red Bull zu Wort gemeldet und die Gier der Super League-Vertreter beklagt. Vertreter von RED BULL, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Und dann hat auch noch Manchester United-Legende Gary Neville in eine Fernsehkamera gejammert, dass es ein Verbrechen sei, wenn “sein” Klub an der neuen Liga teilnimmt. Mit der schon lange vorherrschenden wirtschaftlichen Hegemonie von unter anderen Manchester United in den gängigen Bewerben, national und international, hatte der Ex-Kicker allerdings nie Probleme. Jetzt plötzlich aber würden alle Werte, die es hochzuhalten gilt, verraten und verkauft.
Nicht zuletzt entdecken auf einmal etwa Liverpool-Supporter auf der ganzen Welt, wie schlimm die Teilnahme an der Super League denn wäre. Ihr Fußball-Herz würde bluten, die Werte und das, wofür man an der Anfield Road stünde, würden jetzt verkauft. Und so weiter und so fort. Dass das, wofür Liverpool einmal gestanden ist, spätestens mit dem Verkauf an amerikanische Investoren nur noch ein Feigenblatt war, haben sie erst jetzt bemerkt? Das kann doch alles nur ein Scherz sein.
Internationaler Fußball spielt für TV-Geld, nicht für Fans
Was hier alles passiert, ist eine abscheuliche Entwicklung und die grässliche Fratze des modernen Fußballs, und somit der globalisierten Wirtschaft - es wird wieder einmal deutlich sichtbar. Aber eben wieder einmal. Wer nicht sieht, dass eine Super League eine logische Fortschreibung des Status Quo darstellt, ist entweder ein bisschen beschränkt oder sehr naiv. Alles, was die oft abschätzig als “Fußballromatiker” belächelten echten Fußballfans lieben, wird auf dem höchsten Level seit vielen vielen Jahren mit Füßen getreten und abmontiert. Es geht um TV-Geld, Sponsoren und das Erschließen von “Zukunftsmärkten” in Asien. Der Fan in der Region, in der Stadt, wo der Klub seine Wurzeln hat, zählt nichts mehr, weil er monetär nur Peanuts darstellt. Das war lange vor der Erfindung einer Super League schon so und ist nicht neu.
Das Fazit ist einfach und schnell erzählt. Es ist wie in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Ohne Regulativ wird die Schere zwischen Geldsackklubs und den anderen immer weiter auseinandergehen. Eine jenseitige Elite frisst den Kuchen bis sie daran irgendwann einmal ersticken wird, der Rest darf sich um die Brösel streiten. Die hysterische Schnappatmung, die jetzt wegen der Super League losgegangen ist, ist eine Augenauswischerei. Nichts an diesen Plänen ist neu, nichts daran bedeutet noch einen Tabubruch. Und nichts von alldem darf Leute, die sich bis vor Kurzem noch für schon genauso degenerierte Produkte wie die UEFA-Champions League interessiert haben, auch nur ein bisschen überraschen.