Going home stories [Euro 2020, Tag 26]
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Going home stories [Euro 2020, Tag 26]

Guter Fußball war bislang oft zu sehen, bei dieser Euro 2020. Wir warten gespannt auf die Semifinalspiele, die am Dienstag beginnen. Welche Geschichten haben aber jene geliefert, die schon nach Hause gefahren sind?

Der VAR mag den Fußball insgesamt gerechter gemacht haben. Schön anzusehen sind diese Momente trotzdem nicht. Aber das ist wohl eine Diskussion, die uns noch eine Weile begleiten wird.

Jürgen Pucher

++ Pucher schaut EM – der tägliche 12 Meter zur Europameisterschaft ++

 

Die Europameisterschaft bringt bisher guten Sport und der gezeigte Fußball hat durchaus recht oft Spaß gemacht. Das ist bemerkenswert, weil es erstens einen mittlerweile schon anhaltenden Trend dazu gibt, aktiv zu sein. Kaum mehr Teams parken den Bus vor dem Tor. Kaum mehr Mannschaften treten im Griechenland-Rehagel-Style alles nieder und hoffen dann bei einem mürben Gegner auf ein Kopfballtor nach einem Corner. Der Wille und die Fähigkeit zu spielen sind umso bemerkenswerter, als eine wahrlich sehr schwere Saison hinter allen liegt. Unabhängig der noch ausstehenden drei Partien, kann man dieses Fazit getrost jetzt schon ziehen.

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Bei den vier Auswahlen, die noch dabei sind, wird man sehen was der Rest des Turniers noch bringt. Was waren aber die Geschichten der bereits nach Hause gereisten Mannschaften? Die zwei Lieblingsfeinde Deutschland und Holland etwa teilten ein Problem: Sie hatten keine rechte Freude mehr mit ihrem Teamchef. Jögi Löws unwürdiger Abgang war hier bereits Thema. Ein Mann, der den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören verpasst hat und somit viele von seinen großen Taten zugedeckt hat. Jetzt muss er sich in den deutschen Medien zu Gemüte führen, wie Leute, die einst sehr von ihm profitiert haben seine Strategie kritisieren. Beim kleinen Nachbarn war Frank de Boer gar nicht lange Bondscoach, aber sehr bald war sich fast das ganze Land einig, dass er nicht der richtige ist. Das sang- und klanglose Ausscheiden im Achtelfinale gegen Tschechien machte die Trennung nach dem Turnier leichter. Beim Viertelfinaleinzug hätte sich sein Vertrag automatisch verlängert.

Bei den Franzosen hat man sich nach kurzen Zweifeln darauf verständigt, dass Didier Deschamps zumindest bis zur WM in Katar im Amt bleiben wird. Zinedine Zidane stünde wohl als Nachfolger allzeit bereit. Der Weltmeister fiel außer durch frühes Ausscheiden vor allem mit Eskapaden und Skandälchen auf. Kingsley Coman legte sich mit dem Trainer an. Auf der Tribüne schimpfte Adrien Rabiots Mutter die Familien von Paul Pogba und Kylian Mbappe, weil sie der Meinung war, ihr divenhaftes Spiel wäre schuld am Ausscheiden gegen die Schweiz gewesen. Auch einige Abwehrspieler hätten sich über das Defensivverhalten von Mittelfeldstar Pogba beschwert, heißt es. Mit so einer Stimmung im Team hat noch keiner Titel gewonnen. Was im Kontext von Frankreich außerdem auffällt: „Les Bleus“ waren gemeinsam mit Deutschland, Portugal und Ungarn in der sogenannten Todesgruppe. Alle drei Großen schafften es zwar in die KO-Runde. Alle drei schieden aber unmittelbar dort aus. 

Belgien blieb wieder einmal nur ein Favorit ohne anzuschreiben. Die Tschechen und die Schweizer setzten feine Ausrufezeichen, die so nicht erwartet wurden. Und Österreich? Ja. Österreich. Wenn wir das lächerliche Gerede vom „Geschichte schreiben“ (gegen Nordmazedonien und Ukraine gewinnen ist nicht historisch. Punkt.) jetzt endlich weglassen können, bleibt ein ganz besonderer Moment im Spiel gegen Italien. Der, als Marko Arnautović mit seinem Kopfballtreffer Team Foda ein paar Momente in einen Freudentaumel versetzte. Bis dann der VAR ein Abseits feststellte. Arnautović beschwerte sich im Anschluss bitter darüber, dass der Videoschiedsrichter dem Sport die Unmittelbarkeit nehme. 

Man könne sich nicht mehr richtig freuen, immer im Hinterkopf, die Szene könnte ja revidiert werden. Ganz von der Hand zu weisen ist diese Kritik nicht. Siehe auch den entscheidenden Penalty, den der Schweizer Keeper Yann Sommer gegen Frankreich gehalten hat. Er musste kurz innehalten, ob alles korrekt abgelaufen ist, bevor er losjubeln konnte. Der VAR mag den Fußball insgesamt gerechter gemacht haben. Schön anzusehen sind diese Momente trotzdem nicht. Aber das ist wohl eine Diskussion, die uns noch eine Weile begleiten wird.

 

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