Wer glauben will, soll Pfarrer werden
Sturm hat nach dem Aus im Cup den nächsten Rückschlag zu verkraften. Wieder einmal wurde der Frühjahrsauftakt gegen Mattersburg vergeigt. Was Sache ist, spricht aber immer noch keiner an.
Günter Kreissl wählte diesmal in der Nachbetrachtung ein anderes beliebtes Stilmittel, um von sportlich-taktisch-strukturellen Defiziten abzulenken: Der Schwenk zu den „Softskills“.
Bei solcherart Kult kann die Stimmung schnell umschlagen und es hat einen keiner mehr lieb. Frag nach bei Peter Pacult.
Ein 12 Meter von Jürgen Pucher ++ 90minuten.at Exklusiv ++
Mit einem Sieg gegen Mattersburg zuhause wäre die Meistergruppe für den SK Sturm mehr oder weniger fix, hieß es im Vorfeld der Partie. Nachdem das leider nicht zu schaffen war, sind es jetzt nur sechs Punkte Vorsprung auf die Austria und die letzten drei Runden bis zur Teilung der Tabelle werden wieder alle von irgendeinem großen Druck reden, der jetzt da ist. Möglicherweise bringen auch die Medien wieder Unruhe von außen rein und all das wird dann als Argument dafür herhalten, dass man noch vorsichtiger, unansehnlicher und krampfiger auftritt als ohnehin schon. Jährlich grüßt das schwarz-weiße Murmeltier.
Fehlender Glaube macht Kreissl traurig
Dass man sich in Graz endlich einmal von dieser unmittelbaren Ergebnisfokussiertheit emanzipiert, habe ich als Wunsch bereits ad acta gelegt. Wird mit den aktuell handelnden Personen nicht passieren. Das zeigen zum Beispiel wieder einmal die wenig perspektivischen Transfers im Winter. Die sportliche Leitung und der Trainer sollten aber zumindest in ihrem Tun einigermaßen in der Spur bleiben und aufpassen, sich nicht zu sehr in eine merkwürdige Parallelwelt zu begeben. Was da nämlich mittlerweile regelmäßig nach außen getragen wird, ist für die Fans nur noch ärgerlich und für den Klub beschämend. Nach dem Cupspiel gegen den LASK konnte man einigen eventuell noch weismachen, dass das eben ein Spiel gegen eine Spitzenmannschaft war, die momentan schwer zu biegen ist und so von den eigenen Problemen ablenken. Und – in Graz leider zur traurigen Regelmäßigkeit geworden – ein bisschen über den Schiedsrichter maulen geht auch immer ganz gut mit, wenn es nicht so läuft.
Gegen Mattersburg ging sich das beim besten Willen nicht mehr aus. Ein biederer Abstiegskandidat war der Gegner in einem Heimspiel und Sturm wurde in den ersten 45 Minuten schlichtweg vorgeführt. In der zweiten Halbzeit war es ein wenig besser, aber „ohne großen Plan“, wie es Trainer NEM in der Nachbetrachtung treffend festhielt. Ein Tor aufholen konnte Sturm außerdem nur, weil Jakob Jantscher einen Freistoß versenkt hat, der nie zu geben gewesen wäre. Der Referee konnte dieses Mal also nur schwer als Argument herhalten. Stattdessen wählte Günter Kreissl in der Nachbetrachtung ein anderes beliebtes Stilmittel, um von sportlich-taktisch-strukturellen Defiziten abzulenken: Den Schwenk zu den „Softskills“. „Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass die Mannschaft mit Überzeugung glaubt, das Spiel noch zu drehen. Deshalb bin ich megaenttäuscht.“ Ich glaube, nicht nur ich werde bei diesem sinnentleerten Geschwätz schön langsam unrund.
„Maestro-Kult“ in Gefahr
Plötzlich sollen elf Leute nicht ausreichend „geglaubt“ haben und deshalb kann man Mattersburg nicht schlagen? Wenn der Sportchef eines Profifußballklubs das selber auch glaubt, ist er fehl am Platz. Diese Mannschaft hat Probleme das Spiel zu machen, ist nicht in der Lage den Plan zu ändern, wenn es nicht nach der Ursprungsidee läuft, und hat auch nach Neuzugängen und der Wintervorbereitung bislang keine Verbesserungen erkennen lassen. Eher im Gegenteil. Wenn man der Meinung ist, das läge am Glauben, dann soll man den Sturmpfarrer nach Messendorf holen (siehe Foto oben: Sturm-Pfarrer Herbert Prochazka). Wenn man vernünftig bleiben will, spricht man diese Dinge bitte endlich deutlich an. Alles andere ist eine Frotzelei für Mitglieder und Fans.
Und Übungsleiter Maestro muss schön langsam aufpassen, sich mit seinen Nachbetrachtungen nicht lächerlich zu machen. Bislang schwafeln die TV-Medien immer von den „Kultinterviews“, die er besonders nach Niederlagen abliefern würde. Sich aber selbst Fähigkeiten abzusprechen, Seitenhiebe auf Schiedsrichter zu machen, Dinge kaputtzuhauen oder immer wieder die Qualität der eigenen Mannschaft zu hinterfragen, ist alles nur in einem gewissen Rahmen verträglich und launig. Bei solcherart Kult kann die Stimmung schnell umschlagen und es hat einen keiner mehr lieb. Frag nach bei Peter Pacult. Dass er den jungen Tobias Koch am Sonntag gedemütigt und nach schnellem Rückstand nach nicht einmal einer halben Stunde wieder vom Platz geholt hat, bringt ihm – zumindest von mir – noch ein extra Minus ein.
Die Zukunft beginnt jetzt
Sturm muss schleunigst für sich selbst die Karten auf den Tisch legen und die Problemstellungen angehen. Sonst stolpert man sich wieder durch die Saison und landet irgendwo im Niemandsland, das leider hierzulande auch noch für den Europacup reicht.
Mittelfristig gilt es außerdem zu klären, ob die Geschäftsführung nächste Saison noch die gleiche sein wird. Sturm mit Kreissl, ja oder nein? Spätestens bei der Tabellenteilung sollte das geklärt sein. Auch um Wirtschafts-GF Thomas Tebbich gibt es Wechselgerüchte. Um nicht auf der Stelle zu treten, braucht es hier Klarheit. Kaderplanung und vor allem die Frage, ob man auf die derzeitige Art und Weise grundsätzlich weiterarbeiten will (Trainer, Spielanlage etc.) muss sehr bald beantwortet werden. Und die Geschäftsführung hat hier das Vorschlagsrecht. Präsident Christian Jauk ist gefragt, den Verein jetzt zu ordnen und für die nächsten Jahre auszurichten.