SK Sturm: Jetzt Taube statt Spatz?
Die Perspektivenklausur bei Sturm ist absolviert, Trainer gibt es zwar noch keinen, aber die Eckpfeiler des neuen Weges sind zumindest als Überschriften eingeschlagen. Als Kritiker der letzten Jahre mäandert man aktuell zwischen Bestätigung und Zweifel hin und her.
Es zeigt die komplette Sinnlosigkeit dieser ständigen Platzierungs-Europacup-Zielformulierungen. Wenn ich so gut als möglich sein möchte, muss ich nicht sagen, welchen Platz ich damit erreichen möchte. So gut als möglich ist schon das Maximum.
Man hat sich letztes Jahr ein Leitbild verpasst, dass für viele Dinge bei diesem neu ausgerufenen Umbruch als Vorlage dienen kann. Jetzt braucht es außerdem noch das langfristige Konzept im sportlichen Bereich.
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“Es war ein Kardinalfehler uns von der Tabelle blenden zu lassen, nicht auf Kontinuität zu setzen und ohne langfristiges Denken zu arbeiten.” Das sagt Sturm-Präsident Christian Jauk bei einer Pressekonferenz am Donnerstag anlässlich der zukünftigen Ausrichtung des Vereins. Als langjähriger Begleiter und Beobachter der Grazer Schwarz-Weißen, weiß man nicht genau ob man lachen oder weinen soll, wenn man das hört. Lachen, weil es natürlich eine grundrichtige Aussage ist, die es jetzt zu bestätigen gilt. Weinen deshalb, weil einem noch zu sehr im Bewusstsein ist, wie diametral entgegengesetzt der Zugang aller Verantwortlichen im Klub bis zuletzt war. Vielmehr noch, als naiv, realitätsfremd und einiges mehr wurde man abgekanzelt, wenn man diese Dinge eingefordert hat.
Hühner lachen laut
Es zähle nur der schnelle Erfolg, wenn man zulange keine Ergebnisse vorweisen könne, dann würde der Druck zu groß. Von Sponsoren, dem Umfeld, den Fans und so weiter und so fort. Jugendspieler sind auf der Bank - wenn überhaupt - versauert, Heerscharen von sogenannten “gestandenen” Spielern wurden geholt, weil man brauche welche, die sofort funktionieren. Dagegen zu argumentieren, war nicht möglich. Es wurde schlichtweg vom Tisch gewischt. Von Christian Jauk, von Günter Kreissl und egal mit wem in Verantwortung man noch gesprochen hat. Mit diesem Weg ist man nichts anderes als grandios an den selbst gesteckten Zielen gescheitert.
Die Verlockung der direkten Qualifikation für die Europa League-Gruppenphase bei Platz drei sei zu verlockend gewesen, sagt der Sturmboss. Deswegen hätte man noch einmal viel investiert. Bei am Ende 16 Punkten Rückstand auf dieses Ziel lachen die Hühner relativ laut. Es zeigt außerdem die komplette Sinnlosigkeit dieser ständigen Platzierungs-Europacup-Zielformulierungen. Wenn ich so gut als möglich sein möchte, muss ich nicht sagen, welchen Platz ich damit erreichen möchte. So gut als möglich ist schon das Maximum. Siehe dazu auch die Mission 33 (=wieder Meister werden nach mittlerweile über einem Jahrzehnt) in Wien Hütteldorf, mittlerweile eine absolute Lachnummer, und inzwischen feiert man dort den 2. Platz wie einen epochalen Triumph.
Tauben hegen und pflegen
In Graz heißt es jetzt plötzlich: Langfristigkeit, Spielidee von der Akademie weg entwickeln, 3-Jahresplanung, Jugend forcieren und weg von Platzierungsdenken sowie dogmatischen Europacupplatz-Forderungen. Das ist einerseits schön, andererseits beschleicht einen manchmal ein wenig der Verdacht, das könnte genauso auf Sand gebaut sein wie die “Strategie” davor. Wer jahrelang den Spatz in die Hand zu fangen versucht anstatt die Taube am Dach zu hegen und pflegen, der muss eben erst den Wahrheitsbeweis antreten, dass er es wirklich ernst meint. Und nicht beim ersten zarten Lüftchen des Erfolgs das neue Credo über Bord wirft und in alte Muster verfällt.
Einiges deutet darauf hin, dass der neue Ansatz tatsächlich ernst gemeint ist. Vor allem Neo-Sportchef Andi Schicker kauft man ab, dass er meint was er dazu sagt. Beim Präsidenten ist das so eine Sache. Das sprichwörtliche Fähnchen im Wind trifft da schon mitunter zu. Ein weiterer Knackpunkt wird natürlich auch die Trainerbestellung. Es muss gerade jetzt der richtige Mann sein, der auch bereit ist diesen Kurs mitzutragen. Und noch wichtiger: man muss es ihn tun lassen. Selbst wenn es zunächst ein holpriger Weg sein wird. Nicht zuletzt gilt es ab Herbst noch einen weiteren Baustein ins Gefüge einzubringen. Anfang Oktober soll - Stand jetzt - Günter Kreissl als Berater für die Bereiche Strategie und Entwicklung zurückkehren. Es wird nicht ganz einfach sein, das vormalige Alphatier als Zuarbeiter einzugliedern. Fingerspitzengefühl von allen Beteiligten wird gefragt sein. Man hat sich letztes Jahr ein Leitbild verpasst, dass für viele Dinge bei diesem neu ausgerufenen Umbruch als Vorlage dienen kann. Jetzt braucht es außerdem noch das langfristige Konzept im sportlichen Bereich. Es wird nicht weniger als ein Mammutprojekt für alle Protagonisten dieses Weges.