Der Biedermann, der nicht anders kann

Viel wird geschimpft dieser Tage, über den gar nicht schön anzusehenden Fußball der österreichischen Nationalmannschaft. Wer mit Franco Foda etwas anderes erwartet hat, war schlichtweg naiv.

Dass Fußball aber auch noch mehr ist, als das Ergebnis - insbesondere wenn man den wohl talentiertesten österreichischen Teamkader aller Zeiten zur Verfügung hat - versteht Franco Foda schlichtweg nicht. 

Jürgen Pucher über Franco Foda

Foda nimmt seinen Teamkader, gespickt mit Europa- und Weltklassespielern, derart an die Kandare, dass man beim zusehen verzweifeln möchte.

Jürgen Pucher über Franco Foda

90minuten.at-Exklusiv - ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Als langjähriger Beobachter von Franco Foda ist die aktuelle Debatte über den unansehnlichen Fußball des österreichischen Nationalteams durchaus amüsant anzusehen, zu lesen und anzuhören. Was für eine Überraschung. Der frühere Sturmtrainer lässt einen Fußball spielen, der ausschließlich darauf ausgerichtet ist, in sehr vielen möglichen Fällen nicht zu verlieren beziehungsweise so wenig Tore wie möglich zu erhalten. Wer hat irgendetwas anderes erwartet? Ein anderer langjähriger Begleiter des Teamchefs hat dafür den Ausdruck “Abteilungsleiterfußball” geprägt. Ein statistischer Wahrscheinlichkeitsrechnungsfußball. Wer weniger Fehler macht als der Gegner, wird relativ oft erfolgreich sein. Das hat Foda bis in die Haarspitzen verinnerlicht, deshalb kann er gar keinen anderen Zugang wählen.

Verständnisproblem

Der deutsche Trainer auf der österreichischen Bank hat im Laufe seines Lebens gelernt, dass ihm das den Erfolg bringt und nichts anderes interessiert ihn. Um das zu verstehen, muss man einen Blick auf seine Persönlichkeit werfen. Foda will Kontrolle, er hasst unvorhergesehene Dinge und Disziplinlosigkeit. Darunter fällt für ihn auch schon eine gewisse Lockerheit im Zugang. Er ist bis tief in seine Seele ein konservativer, biederer Mann, der gewissenhaft und konsequent so viele Siege wie möglich einfahren will. In den allermeisten Phasen seiner bisherigen Karriere ist ihm das auch gelungen. Foda verliert nicht oft, schon gar nicht in Serie. Dass Fußball aber auch noch mehr ist, als das Ergebnis - insbesondere wenn man den wohl talentiertesten österreichischen Teamkader aller Zeiten zur Verfügung hat - versteht Franco Foda schlichtweg nicht. 


Er ist, wie nach dem Nordirlandspiel am Sonntag, wirklich und aus tiefstem Herzen voller Unverständnis, wenn er nach einem Sieg auf den schwer anzusehenden Defensiv-Fußball angesprochen wird. Er hat doch Österreich einen weiteren Sieg gebracht, wie kann man da überhaupt noch meckern? Auch im informellen Gespräch abseits von Pressekonferenzen merkt man schnell, dass Foda die Kritik an seiner Art Fußball zu spielen nicht annehmen kann. Schnell hat er immer irgendwelche Statistiken bei der Hand, die für ihn und seine Taktik sprechen würden. Wenn man auf der Kritik beharrt, wird einem schnell einmal der Sachverstand abgesprochen und am Ende kommt immer wieder der “Totschläger”: Es zähle eben in der schnelllebigen Zeit nur das Ergebnis, sonst sei man schnell seinen Job los.

Wenig internationale Erfahrung hindert am Weitblick

Ich glaube, am Ende fehlt ihm schlicht das “Leidenschaftsgen”, oder wie auch immer man es nennen mag. Franco Foda hat keinen Sinn für das schöne Spiel und das, was der Fußball noch alles ist, außer dem schnöden Ergebnis. Der Mainzer hat kein Sensorium für den Blick über den Tellerrand des Resultats. Er ist sozusagen die in einer Person komprimierte Antipode zu César Luis Menotti und Johan Cruyff. Zu seiner Persönlichkeit kommt dabei auch die durchaus geringe Erfahrung außerhalb des provinziellen Grazer Fußballkosmos zum Tragen. Foda hat vor seinem Engagement beim ÖFB im Prinzip nur bei Sturm gearbeitet, ein kurzes Intermezzo in Kaiserslautern ausgenommen. An der Mur war er die allermeiste Zeit wenig umstritten, die wesentlichen Medien waren handzahm und innerhalb des Klubs war lange Zeit sein Wort das einzige, das zählte. Das hilft nicht unbedingt dabei, wenn man sich so etwas wie Weitblick und größere Kontexte erarbeiten soll. 


Das wird schließlich auch der Grund sein, warum Franco Foda nie als "großer" Trainer in die Geschichte eingehen wird. Er ist der längstdienende Sturmtrainer aller Zeiten und Ivica Osim wird trotzdem immer über ihm strahlen. Er kann als österreichischer Teamchef sechs Spiele in Folge gewinnen, sich für Großereignisse qualifizieren und wird trotzdem niemals eine Euphorie wie damals Marcel Koller auslösen. Er selbst und sein Fußball verhindern das. Foda nimmt seinen Teamkader, gespickt mit Europa- und Weltklassespielern, derart an die Kandare, dass man beim zusehen verzweifeln möchte. Davon, dass er sie allesamt kaum einmal das spielen lässt, was sie in ihren Klubs Woche für Woche praktizieren, gar nicht erst zu reden.


Erfolg ist nicht alles

Einige sagen, wenn er sich damit für Großereignisse qualifiziert und dort eventuell auch einmal ein bisschen weiter kommt, dann ist das am Ende alles wurscht. Dann wird nur in Erinnerung bleiben, was erreicht worden ist. "Hauptsache es klappt" ist nicht genug. Wer mag sich zum Beispiel noch an die Weltmeistermannschaft von Brasilien 1994 oder an José Mourinhos Inter Mailand als Champions League-Sieger erinnern? Bei Brasilien mit Sócrates und Co in den 1980ern, die ohne Titel blieben, leuchten den beschlagenen Fußballfans heute noch die Augen. Erfolg ist nicht alles. Franco Foda wird das nie verstehen. Deswegen wird er, sein Fußball und seine Legacy bleiben was sie ist: bieder. 

 

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