„Sturm macht keinen Spaß“

Der SK Sturm taumelt wieder einmal mit furchtbar anzusehendem Fußball den „Ergebnissen“ hinterher. Wenn man in Graz nicht bald begreift, dass das in die falsche Richtung führt, wird auch die beeindruckende Fankurve die Unzulänglichkeiten nicht mehr verdecken können.

Ein Fußballklub muss auch eine Geschichte erzählen, und nicht nur nach Eckball-Abstauber und Freistoß-Abfälsch-Eigentor 2:0 gewinnen.

Jürgen Pucher

Was soll Sturm sein? Ausbildungsverein, Spitzenklub in der Bundesliga, Mitgliederverein, Karriereplattform oder doch noch etwas Anderes?

Jürgen Pucher

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Sturm hat in der Südstadt gegen die Admira gewonnen und wird im Frühjahr nach Runde 22 in der Meistergruppe spielen. Nach der Punkteteilung wird auch der dritte Tabellenrang in absoluter Reichweite sein und somit ist sportlich eigentlich alles noch drinnen, was realistischerweise als möglich erachtet werden kann. Zufriedene Gesichter müssten eigentlich an der Tagesordnung sein, im Umfeld der Schwarz-Weißen. Das ist aber so gar nicht der Fall. Wenn man sich durch diverse Foren klickt, kommt als Grundtenor in den allermeisten Fällen: „Sturm macht keinen Spaß“. Unansehnlicher Fußball, keine Identifikationsfiguren am Feld und eine Geschäftsstelle samt Trainer, die auch schon länger keine besonders gute Figur mehr abgibt.

 

Kommunikation, Glaubwürdigkeit und Sympathie…

Man kann diesen Stimmungen aus dem Fanlager recht wenig entgegenhalten. Wer den Kick gegen die Admira, von jenem beim Auftaktspiel gegen Mattersburg gar nicht erst zu reden, gesehen hat, wird sich schwertun, außer dem Ergebnis etwas Positives zu finden. Es war ein hartes Stück Arbeit, sich auf der Tribüne oder vor dem TV durch diese 90 Minuten zu quälen. Noch-Sportchef Günter Kreissl meinte nach dem Spiel, man habe das dieses Mal, wie international oft üblich, über die Standardsituationen lösen können. Und das sei gut so, weil das wichtigste wäre nach der Auftaktpleite das Ergebnis gewesen. Die Frage ist, für wen das das wichtigste ist? Wenn man die allgemeine Stimmung rund um den Klub ansieht, dann sind das schnöde Ergebnisdenken und irgendeine Platzierung über oder unter dem Strich wohl nicht die einzigen Parameter, die zählen.

Es ist eben nicht egal, wie Fußball gespielt wird und was ein Klub darstellt. Es sind in der Regel nicht die Mannschaften, die das Maximum an Ergebnissen – gemessen an ihren Möglichkeiten – herausholen, die die Menschen begeistern. Ein Fußballklub muss auch eine Geschichte erzählen, und nicht nur nach Eckball-Abstauber und Freistoß-Abfälsch-Eigentor 2:0 gewinnen. Ein Leitbild zu präsentieren, ist von mir aus eine Basis für ein solches Narrativ, mit Leben gefüllt muss es aber auch werden. Und das meint nicht, dass jede Woche ein spielerisches Feuerwerk gefragt ist. Jeder einigermaßen vernünftige Fan kann das, was hier bei Sturm möglich ist und was nicht, schon ganz gut einordnen. Aber das Drumherum, die Kommunikation, die Glaubwürdigkeit oder ganz simpel der Sympathiefaktor, müssen auch passen.

 

fehlen beim SK Sturm im Moment

Tatsächlich kommuniziert Sturm schlecht, es fehlt aktuell sehr viel Glaubwürdigkeit, wenn man zum Beispiel das Leitbild mit der Realität in Bezug setzt, und mit dem Sympathiefaktor ist es auch nicht weit her. Um mit letzterem zu beginnen: Die lächerliche Schmierenkomödie, die der Präsident und der Geschäftsführer Sport in den letzten Tagen geliefert haben, erzeugt doch bei den Fans nichts Anderes als Abscheu. Der eine hat es wieder einmal nicht geschafft, seine Zunge im Zaum zu halten und der andere liefert den gefühlt dutzendsten hysterischen Aufreger in den letzten paar Monaten. Es ist also offenbar nicht einmal möglich, sich gemeinsam auf ein Procedere zu einigen und wie und wann man es kommuniziert, selbst wenn man eigentlich das gleiche anstrebt. Da hilft es auch nicht mehr, wenn man sich danach spätabends mit Bierkrug fotografieren lässt und am Tag danach eine merkwürdige Pseudo-Harmonie-Pressekonferenz gibt. Kreissl braucht eine Pause und Sturm einen oder mehrere Nachfolger. Daraus muss man nicht ein solches Theater machen.

Noch schlimmer steht es darum, was er denn nun sein soll, dieser SK Sturm? Ausbildungsverein, Spitzenklub in der Bundesliga, Mitgliederverein, Karriereplattform oder doch noch etwas Anderes? Ich weiß es nicht. Und diese Gesichtslosigkeit ist eines der Kernprobleme, das die maue Stimmung im Umfeld ausmacht. Es ist schwer sich zu identifizieren und mitzuleben, wenn man nicht einmal weiß wofür. Die schönen Überschriften kauft einem niemand ab, wenn man sie nicht lebt. Die Kurzfristigkeit und Planlosigkeit über das Saisonende hinaus sind offensichtlich. Die Leute merken, dass es nur Wasser ist, selbst wenn Wein gepredigt wird. Wenig verwunderlich, wenn auf diesem Fundament keine Euphorie entsteht.

 

Sturm braucht eine Story

Diese Grundausrichtung spiegelt sich auch in der Mannschaft wider. Die ist ein Potpourri an Einzelnen, die einmal in der Woche der SK Sturm sind, aber nur, weil sie das gleiche Dress tragen. Es ist nichts Gewachsenes, nichts womit sich Fans identifizieren können oder wollen und das ist, wenn ich es nicht falsch verstanden habe, nicht das, was im Leitbild steht. Unter dem Strich ist so ein Team die Folge einer Transferpolitik, die sich aus einer Mischung aus Durchschnittskickern im mittleren Alter (die sogenannten gestandenen Spieler), Leihgeschäften und früheren Helden, die davor aber jahrelang mit Sturm nichts mehr am Hut hatten, zusammensetzt. Die eine oder andere Ausnahme mögen diese Regel bestätigen. Transferpolitik misst sich außerdem nicht nur an den Erlösen der Weiterverkäufe, nur um das der Vollständigkeit halber festzuhalten.

Wenn Liebenau wieder beben soll, wenn Sturm wieder mit Leben gefüllt werden soll, dann müssen grundlegende Dinge anders angegangen werden. Es braucht ein Narrativ. Eine klare Kommunikation, was der Klub ist, wo man hinwill und was langfristig das Ziel sein soll. Nicht das ewig gleiche Geschwätz vom Erfolg, der sofort da sein muss, alles andere komme danach. Ein Weiterwurschteln in dem aktuellen Niemandsland würde nur die aktuelle Tristesse und Beliebigkeit prolongieren. Irgendwann werden das Christian Jauk und Co begreifen müssen. Es ist nicht nur der (kurzfristige) Erfolg, der zählt und der sich außerdem ohnehin nicht oft realisieren lässt. Das einzige was Sturm aktuell noch vom Durchschnittsbrei der Bundesliga unterscheidet, ist die über die Maße beeindruckende Kurve. Aber auch die wird nicht für immer die Kraft haben, den hatscherten Klub hinter sich zu verstecken.