Sturmtransfers: Jetztklassig
Es hat sich wieder einiges getan, in der sommerlichen Übertrittszeit. Der SK Sturm hat besonders ganz am Ende noch einige Transfers getätigt. Wie auch schon in den letzten Jahren lebt man dabei strategisch eher im Moment als in der Zukunft.
Die ordnende Hand der sportlichen Leitung war hier (Anm. Personalie Philipp Hosiner) permanent abwesend.
Dario Maresic konnte diesen Sommer nur deshalb um viel Geld transferiert werden, weil er damals als 17-Jähriger ins kalte Wasser geworfen wurde, als Not am Mann war. Aber es wird immer nur aus der Not eine Tugend gemacht.
Ein 12 Meter von Jürgen Pucher
Die Transferzeit ist endlich zu Ende und ab jetzt ist es tatsächlich möglich die Kader der Bundesligisten wirklich einzuordnen. Der SK Sturm hat am allerletzten Tag am Montag ordentlich auf die Tube gedrückt und mit Dante Amadou einen Linksverteidiger geholt, der gleich weiter an Hartberg verliehen wurde, mit Isaac Donkor einen weiteren Verteidiger, der Innenverteidigung oder außen spielen kann und mit Cyril Despodov einen Mann für den rechten Flügel und eventuell auch für den Angriff.
Zusätzlich hat man Philipp Hosiner in Chemnitz an den Mann gebracht, womit ein unrühmliches Transferkapitel zu Ende geht. Hosiner gelang in Graz nicht sehr viel, er wurde aber vom Klub und den Fans auch mehr als nur schlecht behandelt. Ein bedeutungsloser Kurzzeittrainer ließ ihm ausrichten, er könne sich einen Klub suchen, dann war unter dem neuen Trainer wieder unklar, ob er nicht doch noch eine Zukunft hätte, um schließlich nach einem schlechten Auftritt wieder auf der Tribüne zu verschwinden. Die ordnende Hand der sportlichen Leitung war hier permanent abwesend. Was sich Hosiner von den „Fans“ im Stadion und im Internet so alles gefallen lassen musste, ist nicht druckreif und hat mit Kritik an fußballerischer Leistung rein gar nichts mehr zu tun gehabt. Es bleibt für ihn zu hoffen, dass es in Chemnitz wieder besser läuft. Beim dortigen Umfeld schwer genug.
Transfers nur für den Moment
Abgesehen vom persönlichen Schicksal des Philipp Hosiner, ist er zugleich ein Sinnbild für die Transferpolitik, die beim SK Sturm, aber auch bei den meisten anderen österreichischen Klubs, vorherrscht. Sie lässt das vermissen, was auch die Tagespolitik sehr oft vermissen lässt: jeglichen Weitblick. Um beim Beispiel Hosiner zu bleiben: Der kam zu einer Zeit, als der SK Sturm einen Fußball gespielt hat, der mit dem heute kaum etwas zu tun hat und außerdem hat er den Stürmertyp Deni Alar ersetzt, der mit den Anlagen von Hosiner aber schon überhaupt nichts gemein hat. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen dafür, dass ein Neuzugang einschlägt wie eine Bombe. Im Gegenzug war der SK Sturm jetzt in der Offensive, neben Bekim Balaj, nun insofern aktiv, als man mit Cyril Despodov zwar sicher einen Mann mit Qualität verpflichtet hat, aber eben nur für den Rest dieser Saison auf Leihbasis. Wenn er einigermaßen hält, was er verspricht, wird das ein Kurzauftritt in schwarz-weiß.
Dieses Last-Minute-Leihgeschäft als ein weiteres Beispiel macht offensichtlich, wo die Prioritäten der Klubführung und der sportlichen Leitung liegen. Es interessiert absolut niemanden, was in drei Jahren ist. Heuer muss was gehen, was auch immer dabei die Nachteile für die Zukunft sind. In welche Richtung sich ein Despodov auch immer entwickeln wird, der SK Sturm hat genau gar nichts davon und währenddessen auch keine Möglichkeit gehabt, jemandem eine Chance zu bieten, der den Klub weiterbringt, und nicht nur den Tabellenplatz 2019/20. Dass man für die linke Abwehrseite diese Transferzeit wieder aktiv werden musste, ist zum Beispiel dem Umstand geschuldet, dass letztes Jahr jemand die Idee hatte Gideon Mensah von Red Bull auszuleihen. Sicher ein Mann mit Perspektive. Nur nicht in Graz. Was er an der Mur dazugelernt hat, verbessert er jetzt in Belgien weiter und am Ende wird Red Bull davon profitieren. Denen gehört der Spieler nämlich.
Transfers wider die Identifikation
Neben dem Umstand, dass das nichts mit einer langfristigen Strategie zu tun hat, die den Klub in seiner Gesamtheit weiterbringen könnte, hat so ein Vorgehen weitere Probleme zur Folge. Zunächst ist es jedes Mal wieder eine Ohrfeige für jene Leute aus dem eigenen Nachwuchs, die man mit Lippenbekenntnissen bei der Stange hält, um sie dann doch in der Regionalliga versauern zu lassen. Statt Tobias Koch zu forcieren, holt man den Oldie Christoph Leitgeb als Edeljoker, anstatt in der Innenverteidigung auf Florian Ferk als Backup zu setzen, wird man lieber noch einmal aktiv und holt einen arrivierten Mann mit keinem Bezug zum Klub. Ich darf hier kurz die Erinnerung auffrischen: Dario Maresic konnte diesen Sommer nur deshalb um viel Geld transferiert werden, weil er damals als 17-Jähriger ins kalte Wasser geworfen wurde, als Not am Mann war. Aber es wird immer nur aus der Not eine Tugend gemacht. Am Mut zur Regelmäßigkeit fehlt es normalerweise.
Und genau der angesprochene fehlende Bezug führt zum nächsten Thema. Der SK Sturm hat mittlerweile keine Identifikationsfiguren mehr. Der einzige, der die Kriterien dafür einigermaßen noch erfüllt, ist Jakob Jantscher und der ist nicht unbedingt der größte Charismatiker vor dem Herrn. Und dass mir keiner auf die Idee kommt jetzt „Christoph Leitgeb“ zu rufen. Bei aller Sympathie, aber die ganze Karriere bei Red Bull spielen und als Leitwolf und Identifikationsfigur zurückzukehren, geht sich nicht aus. Es geht bei dem Thema nicht um den naiven Wunschgedanken, jeder Klub könne sich ausschließlich auf regional verwurzelte Burschen verlegen und so eine ordentliche Mannschaft aufstellen. Aber es braucht ein Backbone, ein paar Local Heroes, ein paar Leute, die mit dem Klub schon eine gemeinsame Geschichte haben. Speziell dann, wenn man – wie der SK Sturm – aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen nie im Transferkonzert der ganz Großen mitspielen kann.
Das neue Leitbild, das demnächst präsentiert wird, hat als eine seiner Kernaussagen, dass Fan sein im Wesentlichen im Stadion stattfinden soll. Um den Stadionbesuch wieder populärer zu machen, wäre eine Mannschaft, mit der sich die Leute wirklich identifizieren eine Grundvoraussetzung. Mit den aktuellen kurzfristigen, strategiefernen Prioritäten wird das allerdings sehr schwer werden. Das geht nur mit einer geplanten Aufbauarbeit, die auf einer starken Akademie basiert. Darüber steht im Leitbild aber leider nichts.