Sturm: Raus aus dem Niemandsland

Der SK Sturm hat das Ziel unter die ersten sechs der Bundesliga zu kommen. Darüber hinaus ist nicht viel bekannt. Ab und an vernimmt man noch ein Jammern über die begrenzten Möglichkeiten in Graz. Man dreht sich im Kreis. Auf die Idee sich anders zu positionieren, kommt niemand.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher - alle 12 Meter auf einen Blick

 

Die Grazer Schwarz-Weißen haben in diesen Tagen die Feierlichkeiten zum 110. Geburtstag begonnen und sind mit dem neuen Trainer Roman Mählich in den letzten Runden im alten Jahr ergebnistechnisch wieder in die Spur gekommen. Es geht sportlich bergauf, signalisieren die Protagonisten in Graz-Messendorf. Derzeit sieht es für das erklärte Minimalziel, die Top sechs bis zur Tabellenteilung im März zu erreichen, ja auch tatsächlich ganz gut aus. Soweit die aktuelle Momentaufnahme von der Mur.

 

Neu denken statt jammern

Ein wenig anders gestaltet sich die Stimmung auf dem Transfermarkt. Peter Zulj, letzten Sommer noch der „Acht-Millionen-Mann“, der in eine große Liga gehen soll, wurde gerade einmal mit Ach und Weh in Belgien angebracht. Um einen Bruchteil der damaligen Vorstellungen. Bei der Suche nach neuen Offensivkräften dreht es sich um Reservisten von Abstiegskandidaten der Serie A und bei Linksverteidiger Albert Vallci von Wacker Innsbruck konnte das Mateschitz-Geld mehr Überzeugung bewirken, als die Perspektive beim SK Sturm. Gerade dieser Umstand ließ Günter Kreissl wieder einmal jammern, dass einem eben die Hände gebunden seien, bei den finanziellen Möglichkeiten in Graz. Zugleich unterwirft er sich der Red Bull-Hegemonie und leiht ein paar Tage später einen Spieler von ebendort aus. Womit wir beim Kern der Sache angelangt wären. Anstatt sich dauernd über die eigene Situation zu beschweren, könnte man nämlich auch versuchen, sich anders zu positionieren.

Man könnte der Wahrheit ins Gesicht blicken und ein für alle Mal eingestehen, dass neben Red Bull, solange sie existieren, auch der SK Rapid und die Austria finanziell nicht eingeholt werden können. Selbst der LASK schafft es aktuell, aus welchen Gründen auch immer, seinen Spielern mehr anzubieten und sie langfristiger zu binden, als die Blackys aus Graz. Dinge wie der Cupsieg oder der Vize-Meistertitel werden für Sturm die Ausnahme bleiben und wenn sie gelingen, heißt es Abschied nehmen von den Leistungsträgern. Trotzdem spielen die Entscheidungsträger in Graz das immer gleiche Spiel weiter mit, in dem sie aber nur verlieren können. Wenn einer geht, dann beginnt die Suche nach adäquatem Ersatz. Der sollte natürlich billiger, im besten Fall ablösefrei sein, und wird vielleicht manchmal die Lücke wieder schließen können. Öfter einmal aber auch nicht, siehe die letzte Übertrittszeit im Sommer 2018. Dann beginnt das Jammern. In der Geschäftsstelle und auf den Rängen. Die erzeugte Erwartungshaltung kann – wieder einmal – nicht eingehalten werden.

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Für Christian Jauk, Günter Kreissl und Co ist Erfolg sei das einzig Wesentliche. Und zwar kurzfristig, wenn geht sofort. Wenn man sich den gängigen Gesetzmäßigkeiten des Geschäfts unhinterfragt unterwirft, ist das auch tatsächlich der Anspruch.

Jürgen Pucher

Im Moment ist, so hört man, im Rahmen des Jubiläumsjahres die Arbeit an einem Leitbild für den Klub in der finalen Phase. (...) Ob da die eigene Positionierung in einem größeren Kontext ein Kapitel bekommen wird?

Jürgen Pucher

Eigengewächse statt Pseudo-Stars

Was es braucht, ist ein Paradigmenwechsel. Ein Klub wie der SK Sturm müsste sich von den Mechanismen der „Großen“ im Fußball entkoppeln. Weil er dort nicht mithalten kann, weil es ein ewiger Kreislauf der Frustration ist und in Folge das „Gegenüber“, die Fans, wieder einen vernünftigeren Zugang zu ihrem Klub bekämen. Es darf an dieser Stelle kurz daran erinnert werden, dass es den Verein vom Jakominigürtel schon fast 90 Jahre gegeben hat, bevor der erste Titel gewonnen wurde. Dieser Umstand hat aber nichts am Mythos und an der Anziehungskraft des Sportklub Sturm geändert. Oder es darf das vielfach gebrauchte, deshalb aber nicht weniger zutreffende, Beispiel der Zeit unmittelbar nach der Abwendung des Konkurses wieder einmal bemüht werden. Damals gab es kein Geld für einen einzigen Transfer. Was im Nachwuchs da war, hat gespielt. Und das gut. Und begeisternd.

Man darf nicht so naiv sein und an eine Generation Prödl-Jantscher-Leitgeb alle zwei Jahre glauben. Aber anstatt zweit- oder drittklassigen „fertigen“ Spielern hinterherzuhecheln, wäre es schon Wert, den einen oder anderen Gedanken darauf zu verwenden, ob ein Klub wie Sturm nicht mit einem Fokus auf die Ausbildung von Spielern besser fahren würde. Transfererlöse oder zumindest Ausbildungsentschädigungen könnten mittelfristig höher sein. Der mäßige Zuschauerschnitt (trotz Titel) würde durch mehr Fanbindung und mehr regionale Verankerung vielleicht auch steigen und der Klub würde als identitätsstiftendes Element wieder im Mittelpunkt stehen. Man würde sich das Geheule ersparen, wenn eine Pseudo-Identifikationsfigur wie Deni Alar zu Rapid oder ein paar andere Kurzzeitgäste in Graz zur Austria wechseln.

 

Authentizität statt Orientierungslosigkeit

Das Gaudiwipferl von Sky, Alfred Tatar, posaunte unlängst, dass er Worte wie Entwicklung im Fußball nicht mehr hören könne. Man möchte meinen, so ein Mann dürfte eigentlich kein Maßstab für die seriöse Führungsetage eines Profiklubs sein. Christian Jauk, Günter Kreissl und Co schlagen aber in dieselbe Kerbe. Erfolg sei das einzig Wesentliche. Und zwar kurzfristig, wenn geht sofort. Wenn man sich den gängigen Gesetzmäßigkeiten des Geschäfts unhinterfragt unterwirft, ist das auch tatsächlich der Anspruch. Auf dieser Basis verhandelt man mit Sponsoren und solche Ziele verkauft man den Fans. An diesem Anspruch kann ein ökonomischer Zwerg wie der SK Sturm aber nur scheitern. Sogar, wenn man es nur national denkt. Es sei zudem hier die These aufgestellt, dass mit einem veränderten Zugang in Richtung Ausbildung von Eigenbauspielern, zumindest mittelfristig, die sportliche Performance keineswegs schwächer ausfallen müsste. Verlieren würde man die guten Leute im Erfolgsfall auch. Aber zu besseren Konditionen und im Optimalfall wartet der Nachfolger nicht in der Scoutingdatenbank sondern schon bei den Amateuren.

In der Durchschnittssuppe zwischen Platz drei und fünf könnte man in jedem Fall trotzdem mitschwimmen. Und zusätzlich hätte man die Chance sich wieder als das zu positionieren, was man eigentlich ist. Als „Regional Player“ mit Potenzial für große Momente. Dazu braucht es aber die in der Region notwendige Authentizität und nicht ein Herummäandern zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sich mit dem „Mählich-Riegel“ unter die ersten sechs mauern und was danach ist schauen wir dann, ist damit eher nicht gemeint. Die „Entwicklung“, allen Unkenrufen zum Trotz, von begeisterndem Fußball, dessen Grundsteine schon in der Akademie gelegt werden, der nicht den kurzfristigen Punktgewinn in den Vordergrund stellt, sondern das größere Ganze im Blick hat und der ein Alleinstellungsmerkmal werden könnte, schon eher.

Im Moment ist, so hört man, im Rahmen des Jubiläumsjahres die Arbeit an einem Leitbild für den Klub in der finalen Phase. Dort soll definiert werden, wofür der SK Sturm steht und was die wesentlichen Eckpfeiler seines Daseins sind. Details sind den Verantwortlichen vor der Präsentation, die vermutlich im Mai stattfinden wird, keine zu entlocken. Ob da die eigene Positionierung in einem größeren Kontext ein Kapitel bekommen wird? Man wird sehen. Das Niemandsland, in dem man sich in Graz derzeit befindet, muss jedenfalls schnellstmöglich verlassen werden. Dort wird nämlich mittel- bis langfristig niemand das große Glück finden. Weder der Klub noch seine Fans.

 

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