Europacup im Scherbenhaufen
Der SK Sturm ist im Europacup. Sonst ist er aber nichts. Die Mannschaft hat kein spielerisches Konzept, einen überforderten Trainer und wenig Perspektive auf Besserung.
Ein 12 Meter von Jürgen Pucher
“Wir sind fertig mit der Scheißsaison”, lautete es auf dem Banner der Nordkurve beim letzten Saisonspiel gegen den SK Rapid am Sonntag. Die Fanklubs sprachen damit wohl weiten Teilen der Sturmfans aus der Seele. Am Ende ist der SK Sturm nach dem „Erfolg“ im Play-Off über Rapid für den Europacup qualifiziert. Freude oder gar Euphorie will aber nicht recht aufkommen. Ein bereits über Monate unansehnlicher Fußball und sechs Heimniederlagen in Folge lassen das Erreichen des Minimalziels in den Hintergrund rücken. Die Mannschaft wurde nach Wochen des sehr tapferen Supports mit Pfiffen in die Sommerpause verabschiedet. Was das alles aber noch schlimmer macht, ist die Tatsache, dass die Verantwortlichen bis zum Schluss nicht begriffen haben, wie schlecht es um den Zustand der Schwarz-Weißen bestellt ist.
Günter Kreissl sagte zu Konsequenzen nach dieser Saison am Sonntag, er müsse jetzt einmal nachdenken. Das ist im Prinzip eine sehr gute Idee. Wichtiger wäre allerdings, dass ein langfristiges Konzept für diesen Klub steht.
Keine Philosophie, keine Ergebnisse, keine Ansprüche
Sturm kann nach Monaten unter Roman Mählich, eine ganze Wintervorbereitung inklusive, nichts damit anfangen, wenn es den Ball hat und gestalterisch tätig werden muss. Das defensive Gewissen hat Priorität. Zerstören, schnell nach vorne und dann schauen was geht. Über diese „Philosophie“ ist der Trainer, der geholt wurde um die „Ergebniskrise“ unter Heiko Vogel zu beenden, nie hinausgekommen. Zur Ergebniskrise hat man dafür jetzt eine spielerische und kommunikative Krise hinzubekommen. Die Ballbesitzanteile gingen zurück, die Anzahl der Torchancen wurde weniger, man spielt das Stadion mit diesem Kick sukzessive leer und vor den Kameras wird vor und nach dem Spiel am Thema vorbeigeredet. Oder auf Kritik von der Tribüne angesprochen: „Da war ich schon im Flieger nach Sardinien, habe ich nicht gehört.“ Es müsste spätestens jetzt im Juni allen klar sein: So kann es niemals weitergehen.
„Der Europacupplatz ist alles was am Ende zählt“, sagte aber Roman Mählich unmittelbar nach Ende der Partie gegen Rapid außerdem. Abgesehen davon, dass er Markus Lackner trotz Kopfverletzung weiterspielen ließ, hat sich seine Mannschaft in einem schrecklichen Spiel zum internationalen Geschäft gewürgt. Aber der Coach glaubt immer noch, dass das sportliche Ziel im Vordergrund steht. Fast einfältig verfolgt er, auch in seinen Statements, das, wo er meint, dafür sei er im Herbst nach Graz geholt worden. Man könnte erwarten, er würde an sich selbst höhere Ansprüche haben. Da das nicht der Fall ist, folgt er dem, was damals öffentlich breitgetreten wurde: Es zählt nur der Erfolg. Jetzt ist ein Minierfolg da, inmitten eines Scherbenhaufens. Und hier gilt es, auch die Ebenen über Mählich in die Pflicht zu nehmen. Präsident und Sportchef haben dieses Mantra vorgebetet und einen Trainer dafür geholt, der weder genug Erfahrung noch genug Persönlichkeit hat, diese Grundanforderung schließlich in eine nächste Stufe weiterzuentwickeln.
Zieht Kreissl jetzt die richtigen Schlüsse?
Vielleicht sind Günter Kreissl und das Präsidium schon draufgekommen, dass hier einiges schiefgegangen ist. Die Statements von Kreissl nach dem Rapid-Spiel deuten erstmals darauf hin. Jetzt plötzlich war die ganze Saison schlecht, es könne so nicht weitergehen und so weiter. Warum erst jetzt? Während der Saison hat man sich mit der durchaus aus mehreren Ecken vorgetragenen Kritik nur insofern beschäftigt, als man sich eingeigelt hat, mit den Verfassern der Kritik am Telefon gebrüllt hat oder sie in einer Art Gutsherrenmentalität sogar ins Büro zum „Rapport“ bestellt hat. Die Außensicht mag manchmal nerven, falsch ist sie aber nicht immer. Jetzt erstmals ein Zeichen des Umdenkens zu formulieren, wenn es ohnehin kaum noch anders geht, ist leidlich spät.
Und selbst jetzt, ohne Schönrederei, hat es den Anschein, als würden wieder die falschen Schlüsse gezogen. Es brauche wieder positive Energie und Leute, die mit dem so großen Druck umgehen könnten. Der Sportchef sieht die Probleme, wenn es um die Lösungen geht, verfällt er aber wieder in die gleichen Muster. Es geht nicht um Mentalität, Druck oder Energie. Es geht darum, dass der SK Sturm mitten in der Saison wieder einmal alles über den Haufen geworfen hat. Es kam ein komplett neuer Trainer mit neuem Fußball und in Folge waren die falschen Spieler im Kader. Die Probleme anzugehen hieße aber: eine Entscheidung wofür man steht, was man will und danach zu handeln. Das ist es, was in diesem Sommer passieren muss. Ob das nun mit oder ohne Roman Mählich passiert, auch wenn es nur sehr schwer vorstellbar ist, wie dieser Mann umsetzen sollte, was so eine Neuausrichtung verlangen würde.
Das irgendetwas in diese Richtung der Neuausrichtung passieren wird, ist derzeit auch nicht zu erkennen. Dabei ist die kommende Transferperiode auch die letzte Chance des Günter Kreissl. Er hat eine Mammutaufgabe vor sich. Ein riesiger Kader muss einerseits ergänzt werden, andererseits gilt es Spieler loszuwerden. Davor sollte er aber überhaupt noch entscheiden, ob er mit diesem Trainer weitermachen wird oder nicht. Das schlimmste Szenario wäre es wohl, würde Mählich in die neue Saison starten und nach ein paar Runden gäbe es den nächsten Wechsel. Günter Kreissl sagte zu Konsequenzen nach dieser Saison am Sonntag, er müsse jetzt einmal nachdenken. Das ist im Prinzip eine sehr gute Idee. Wichtiger wäre allerdings, dass nach diesem Nachdenkprozess, für den es nur sehr wenig Zeit gibt, ein langfristiges Konzept für diesen Klub steht. Ein paar Adaptionen und sonst nichts, wäre schwer auszuhalten. Und es wäre mittelfristig wahrscheinlich das Ende von Kreissl in Graz.