Zum Erfolg verdammter Wohlfühltrainer
Roman Mählich ist der neue Sturmtrainer und er soll vor allem an den sozialen Schrauben im nervösen Grazer Gefüge drehen. Zugleich muss er die Meisterrunde noch schaffen. Er hat eine Herkulesaufgabe vor sich.
Ein 12 Meter von Jürgen Pucher
„Die Funktionäre werden ungeduldig, holen einen neuen Trainer - und ändern tut sich meistens nix." Auch wenn sich der Präsident und der Sportdirektor des SK Sturm den statistisch nicht nachweisbaren Trainereffekt mit alternativen Fakten zurechtreden wollten, als sie die Entlassung von Heiko Vogel verkündeten, ist die Aussage natürlich meistens zutreffend. Alle bisherigen Trainerwechsel in der aktuellen Bundesligasaison unterstreichen das übrigens bis dato ebenso. Gesagt hat das Eingangszitat ein gewisser Roman Mählich im Sturm12-Interview 2012.
Nervosität als Empfangskomitee
Ebendieser Roman Mählich wird jetzt der nächste Sturmtrainer und muss somit zuallererst sein eigenes Zitat widerlegen. Zumindest ist er einmal an einem Trainerkarriereziel angekommen. „Ich würde lügen, wäre es nicht immer ein bisschen im Hinterkopf einmal etwas bei Sturm zu machen“, hat der 47-Jährige Wiener nämlich auch einmal gesagt. Dieses Mal 2014, auch gegenüber Sturm12. Nicht die einzige Parallele zur jüngsten Trainerrochade in Hütteldorf. Auch Dietmar Kühbauer ist bei seinem großen Wunschziel angelangt. Er sollte dort zuallererst den großen Unmut der Fans beruhigen und die Mannschaft sportlich stabilisieren. Zweiteres ist in weiter Ferne, ersteres ist zeitweilig geglückt. Auch bei Sturm erwarten sich Günter Kreissl und das Präsidium einen „Impuls“ vom neuen Trainer, nur dass der Wunsch nach Veränderung im Umfeld bei weitem nicht so eindeutig ausgeprägt war, wie im Wiener Westen.
Fast 58 Prozent sahen den Rauswurf von Heiko Vogel in einer 90Minuten.at-Umfrage als eine falsche Entscheidung. Vor allem die organisierten Fans in der Kurve haben sich keineswegs gegen den Deutschen gestellt, was auch ein „Danke Heiko“-Transparent beim letzten Heimspiel gegen St. Pölten gezeigt hat. Der „Legendenbonus“ für Mählich fällt also eventuell geringer aus, als sich vielleicht der eine oder andere erwartet hätte. Die St. Pölten-Partie hat außerdem eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie hochgradig nervös das Grazer Umfeld mittlerweile wieder geworden ist. Interims-„Traktorfahrer“ Günter Neukirchner pflügte an der Seitenlinie beim Nachvorneschauen derart ungestüm, dass er auf die Tribüne geschickt wurde und wollte das Brutalo-Foul von Dario Maresic auch nach dem Spiel noch immer nicht als rotwürdig ansehen. Sportchef Kreissl rannte überhaupt brüllend in der Pause hinter dem Schiedsrichter im Kabinengang hinterher. Der SK Sturm gibt dieser Tage ein hypernervöses, chaotisches Bild ab.
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Kreissl & Friends
In dieser Gemengelager als Trainer zu beginnen, ist natürlich alles andere als einfach. Egal welcher Trainer man ist und was die Vorgeschichte ist. Sturm Graz im Nervositätsmodus ist ein Pulverfass und Mählich geht ein gewisses Risiko ein, weil seine bisherigen Erfahrungen als Profi-Cheftrainer auf ein Jahr Wiener Neustadt in der zweiten Liga beschränkt sind. Wenn das Engagement schief geht, sieht es für den weiteren Verlauf der Karriere natürlich nicht sehr rosig aus. Und es könnte sehr leicht schief gehen. Wie gemeinhin bekannt ist, bin ich Fan dieses Klubs und ich wünsche ihm deshalb natürlich viel Erfolg. Aber allein ein Blick auf die Tabelle reicht aus, um die Schwere der Aufgabe zu verdeutlichen. Der Rückstand auf Teams wie den WAC und Hartberg ist bereits beträchtlich und es sind nur noch acht Runden bis zur Teilung der Tabelle zu spielen. Roman Mählich ist zum sofortigen Siegen verdammt.
Eine Drucksituation, dabei wurde der ORF-Analytiker mit dem guten Schmäh besonders auch deshalb engagiert, weil er ebendiesen Druck ein wenig aus dem Klub herausbringen soll. Günter Kreissl hat die grantigen Deutschen satt. Er setzt jetzt auf alte Vertraute, wovon er sich besonders auch mehr positiven Spirit als beim fordernden Trainer Heiko Vogel erwartet. Nicht zufällig wird ein weiterer Mann aus Kreissls Neustädter Vergangenheit zu den Schwarz-Weißen stoßen. Andreas Schicker kommt als Scout an die Mur. Beim neuen Trainer geht die Richtung auch ganz bewusst in die Richtung „positive Energie“, von der der Geschäftsführer Sport der Blackys so gerne spricht. Ein „neuer Peter Stöger“ in Graz, anstatt des Taktik-Nerds Vogel? So oder so ähnlich wird der Gedanke bei der Auswahl wohl gewesen sein.
Erfolg als einzige Philosophie
„Da war immer hohes Tempo, viel Laufarbeit und Direktspiel gefragt. Explizit taktische Übungen hat es nicht viele gegeben. Er hat fast alles in der Spielform vermittelt. Das war eine Art learning by doing“, erzählt Roman Mählich 2014 über das Training bei Ivica Osim. Und fügt an, dass ihm dieser Zugang nicht ganz fremd sei. Es wird interessant zu sehen sein, wie der neue Mann das mit dem SK Sturm ab sofort anlegen wird. Es wird jedenfalls einen verbindlicheren Ton bei Medienterminen geben und eine, zumindest zu Beginn, positivere Kommunikation in der Geschäftsstelle vorherrschen. Das alleine wird aber nicht reichen, um beim SK Sturm mittelfristig zu genügen, da man sich auf Gedeih und Verderb dem kurzfristigen sportlichen Erfolg als „Philosophie“ unterworfen hat. Schafft es Mählich bis Runde 22 nicht „über den Strich“, dann wird es das wohl auch schon wieder gewesen sein, mit dem Gastspiel in Graz. Und nicht nur sein Job ist dann in Gefahr.