Geschichte einer Fehlentscheidung
Der SK Sturm Graz trennt sich von Heiko Vogel. Zum falschen Zeitpunkt, aus den falschen Gründen und weil es offenbar schlichtweg nicht möglich ist, in Graz die alten Mechanismen hinter sich zu lassen.
Ein 12 Meter von Jürgen Pucher
Die Unserie der letzten Spiele mit nur einem Sieg aus 14 Partien ist Fakt. 15 Punkte aus 13 Spielen sind zu wenig, auch richtig. Dass es möglicherweise zu Beginn der Saison zu lange eine Phase des Experimentierens gab, mag auch noch stimmen. Und dass der Trainer nicht immer der einfachste sein soll, wird wohl auch nicht ganz falsch sein. Nichtsdestotrotz ist die Entscheidung des SK Sturm, zum jetzigen Zeitpunkt Heiko Vogel vor die Tür zu setzen, ein Fehler.
Vor allem deshalb, weil das aller Wahrscheinlichkeit nach aus den falschen Gründen passiert ist und er mit Sicherheit nicht der alleinig Verantwortliche für das, wieder einmal, größtenteils hausgemachte Chaos in Graz ist. Präsident Christian Jauk hielt in der Pressekonferenz nach der Entlassung fest: „Wir können die Mechanismen des Fußballgeschäfts nicht außer Kraft setzen?“ Warum eigentlich nicht? Das drängt sich als Frage als erstes auf.
Starke Worte als Bumerang
Nicht einmal ein halbes Jahr ist es her, dass die Schwarz-Weißen die Saison 2017/18 als frenetisch umjubelter Cupsieger und Vizemeister beendet haben. Günter Kreissl und Heiko Vogel flogen die Herzen und Sympathiebekundungen nur so zu. Wie so oft neigt man aber gerade in der Stunde des Erfolges und in den Wochen danach zu den schlechtesten Entscheidungen. Der Run der Grazer brachte als Konsequenz eine Reihe an Interessenten für die besten Spieler, wovon die meisten auch ein paar Häuser weitergezogen sind. So weit, so normal, bei einem Klub mit den Möglichkeiten des SK Sturm. Günter Kreissl musste versuchen die Lücken zu schließen. Er hat das mehr oder weniger nachvollziehbar gemacht, wobei man natürlich vorab nie wissen kann, ob es sich bei den Neuverpflichtungen um adäquaten Ersatz handelt. Heiko Vogel war in die Transfers involviert und hat somit einen Kader bekommen, an dem er mitgewirkt hat. Bis dahin, trotz einiger schmerzhafter Abgänge, war alles gut.
Wie es aber beim Verlust von Leistungsträgern eben so ist, fragt sich das Umfeld, ob es nach einer derart erfolgreichen Saison wie der letzten, so gut weitergehen kann. Trotzdem war erst die völlig unnötig vehemente Reaktion des Sportchefs auf diesen logischen medialen Reflex der Beginn einer Problemstellung. Obwohl Kreissl später ein bisschen zurückgerudert ist, hat er damals trotzig festgehalten, der Kader sei zumindest gleich stark wie jener in der Saison davor und das schon vorab in Frage zu stellen, wäre mehr oder weniger unredlich. Sogar ein Hintergrundgespräch mit den relevantesten Medienvertretern in Graz wurde organisiert, um das zu untermauern. Damit hat er das getan, worin der Sportklub Sturm wohl einer der besten Vereine überhaupt ist: Er hat eine völlig überzogene Erwartungshaltung erzeugt und sie dem Trainer und der Mannschaft um den Hals gehängt.
(Artikel wird unterhalb des Votings fortgesetzt)
Kreissl und Vogel: Geschichte einer Entfremdung
Es ging alles den Gang, den es gehen musste. Der neue Kader kam nicht wirklich in die Gänge, Heiko Vogel wollte, wie schon bei seiner Ankunft in Graz, zu viel zu schnell und die „Kampfmodus“-Worte des Sportchefs flogen allen um die Ohren. Die Abwärtsspirale begann sich zu drehen und aus so einer wieder herauszukommen ist nur dann möglich, wenn alle an einem Strang ziehen. Und wenn alle Beteiligten ein langfristiges Ziel vor Augen haben. Stattdessen begann aber intern die Unruhe und Günter Kreissl rückte zusehends, auch wenn er es öffentlich so freilich nie sagen würde, Stück für Stück ein wenig weiter von seiner „Erfindung“ Vogel ab. Der wiederum ortete nach und nach auch öffentlich Schwachstellen in der Mannschaft, was natürlich den Vorgesetzten umso mehr verärgerte. Vor allem deshalb, weil der Kader ja ihm, als sportlich Verantwortlichem, zugeordnet wurde.
Von da an war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ohne dementsprechende sportliche Erfolge, der Selbstzerstörungsmodus aktiviert würde. Anstatt sich zusammenzuraufen, hat man sich weiter und weiter voneinander entfernt. Ohne Not, wohlgemerkt. Die Kurve stand hinter der Mannschaft wie eine Wand, die Mannschaft offensichtlich hinter dem Trainer, der mediale Gegenwind war maximal ein kleines Lüftchen und die paar Nörgler von der Längsseite hätte man wohl aushalten können. Die Sache mündete in einem lächerlichen, selbstauferlegten Ultimatum, wo man sich noch einmal mit der Pflicht zu siegen unter Druck gesetzt hat. Dabei war ein Aufwärtstrend zu erkennen. Die Mannschaft spielte offensiv gut, hatte Torchancen, war eindeutig in eine wieder ein wenig vielversprechendere Richtung unterwegs. Und genau zu diesem Zeitpunkt war Ende. Wohl hauptsächlich deshalb, weil man sich selbst in die Sackgasse manövriert hat und auch zwischenmenschlich von dort nicht mehr herausgefunden hat.
„Populist“ Mählich ante portas?
Der Favorit für die Nachfolge soll jetzt Roman Mählich heißen. Ohne jemanden vorab bewerten oder abstempeln zu wollen: Diese Entscheidung wäre eine ähnlich populistische, wie es jene mit Dietmar Kühbauer in Wien-Hütteldorf war. Ehemaliger Publikumsliebling mit dem sogenannten Stallgeruch kommt, um die Aufregung zu befrieden und einen positiven „Impuls“ zu geben. Wenn man langfristig etwas aufbauen will, dann sieht die Geschichte aber wieder anders aus. Mählich hat bisher eine relevante Trainerstation hinter sich und ist meilenweit davon entfernt, irgendetwas auf der Visitenkarte zu haben, was erklären könnte, warum gerade er den SK Sturm mit einer langfristig ausgelegten Strategie im sportlichen Bereich in die Zukunft führen könnte.
Dafür ist ja ohnehin Günter Kreissl zuständig, hätte man noch zu Beginn dieses Jahres darauf geantwortet. Dass der Sportdirektor in Graz das noch kann oder will, daran ist der Glaube in den letzten Wochen zumindestens ebenso tief gesunken, wie der Klub in der Tabelle. Es scheint in Messendorf so zu sein, dass kurzfristige Ergebnisse höher im Kurs stehen, als der langfristige Aufbau von etwas, das über die Saison 2018/19 hinausgeht. Das war im Grunde in der Ära Christian Jauk meistens so. „Am Ende zählt nur der Erfolg“, war auch von Günter Kreissl immer wieder zu hören. Dass er diesen nur in so naher Zukunft in Form des ominösen Strichs der Tabelle im neuen Ligaformat interessant findet und zu suchen scheint, ist enttäuschend. Es wird viele, die das Neue und Andere das er in den Klub gebracht hat, sehr geschätzt haben, ziemlich vor den Kopf stoßen.
Zurück in der Ecke der nervösen Dünnhäuter
Kreissl hat den Klub geöffnet, durchgelüftet, mit Leidenschaft nach außen vertreten und sehr lange den Eindruck vermittelt, dass es ihm um das große Ganze geht. Dass er nunmehr so schnell in die Untiefen der reaktionären Fußballreaktionsmuster verfällt, war zu Beginn so nicht zu erwarten, hat sich aber in letzter Zeit ein wenig abgezeichnet. Zu emotional war die ganze Angelegenheit angelegt, zu sehr wurde jede noch so kleine und unbedeutende mediale Regung vernommen und überbewertet. Und nicht zuletzt begann es intern mit der Kommunikation auch zu hapern. Nur etwas mehr als zwei Jahre nach Beginn der Ära Kreissl, hat sich Sturm Graz wieder in jener Ecke positioniert, wo es auch vorher lange Zeit schon gewesen ist. Dort wo die nervösen Dünnhäuter ihre Versammlungen abhalten und jene herumstehen, die ohne den unmittelbaren Erfolg ziemlich schnell die Nerven verlieren. Schade, man hatte wirklich den Eindruck, es könnte dieses Mal anders sein.
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