Die Phrasendrescher

Man kann kaum noch hinhören, wenn Trainer oder Spieler vor oder nach Fußballmatches vor die Presse treten. Ein immer grauenvoller werdender Floskeldschungel verwässert jede Kommunikation und am Ende steht eine Nullaussage. Daran sind aber nicht nur die Phrasendrescher selber schuld.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

 

Ich denke nur an den nächsten Gegner, alles andere interessiert mich im Moment nicht. Wir denken nur von Spiel zu Spiel, wie der Trainer schon gesagt hat, und wir müssen die Leistung aus dem Training auch im Spiel abrufen. Wichtig ist es, die Zweikämpfe anzunehmen, 90 Minuten lang alles zu geben und dann sehen wir, was für uns am Ende herausschauen wird. In dieser Liga kann einfach jeder jeden schlagen und wir dürfen nicht den Fehler machen, einen der Gegner zu unterschätzen. Es wird ein sehr schweres Spiel und [Name eines Trainers einsetzen] leistet dort sehr gute Arbeit. Der Kader hat Qualität, wir haben uns aber natürlich auch die Schwächen der Mannschaft angesehen und werden versuchen diese für uns zu nützen.

Wir haben über das gesamte Spiel keinen Zugriff bekommen und wir haben bei unseren Angriffen am Ende oft die falschen Entscheidungen getroffen. Ich kann meiner Mannschaft aber keinen Vorwurf machen, sie hat alles gegeben. Wir müssen weiter hart arbeiten und endlich unsere Chancen auch nützen. Der Trainer hat uns sehr gut vorbereitet, wir haben aber schlichtweg die notwendigen Tugenden und die Mentalität vermissen lassen, um so ein Spiel gegen einen starken Gegner gewinnen zu können. Wir schaffen es einfach nicht, unsere Trainingsleistungen auch in einem Spiel abzurufen. Wir müssen den Kopf freibekommen. Ein Erfolgserlebnis würde den Knoten lösen und meine Mannschaft könnte befreiter aufspielen. Aber so, wie wir heute gespielt haben, ist es gegen jeden Gegner schwer zu gewinnen. 

 

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

Mittlerweile fährt man als Zuschauer beinahe aus der Eingelulltheit hoch, wenn da plötzlich einer anhebt, um etwas mit Substanz zu fragen.

„Wie fühlen Sie sich?“

Es ließen sich noch etliche Absätze in dieser Art und Weise verfassen, um die zur Plage gewordene Floskelsprache rund um die heimischen Fußballplätze zu dokumentieren. Pressekonferenzen und Flashinterviews sind zu einer Qual geworden. Ein Großteil der dort gesagten Worte ist Teil einer Bausatzsprache, die Woche für Woche austauschbar vorgetragen wird. Die Coaches und die Kicker wirken wie Sprechautomaten, manche aufgrund ihrer Persönlichkeit ein wenig launiger, manche nur fad. Es gibt ein Set für Erfolg und eines für Misserfolg. Fast scheinen sie aufzuschrecken, wenn einmal etwas daherkommt, das es sich zu bedenken lohnt und nicht in eines der Schemata passt.

Aber liegt das nur an den Protagonisten, die vorne auf dem Podium sitzen oder auf der „Befragtenseite“ des Mikrophons stehen? Keineswegs. Die geneigten Journalisten verdienen hier ein zumindest gleich großes Maß an Kritik. Die Pressekonferenzen vor dem Spieltag, selbst von Bundesligisten, sind mehr als dürftig besucht. Und die Fragen, die dort an Trainer und Spieler gestellt werden, sind sehr oft an Belanglosigkeit kaum zu überbieten. Von „wie fühlen Sie sich?“, über „was erwarten Sie von Ihrer Mannschaft?“ bis hin zur völligen Selbstaufgabe jeglicher Kreativität „wie war die Trainingswoche?“ gehen die Elaborate der Fragensteller. Kaum einmal etwas spezifisch tiefergehendes, selten eine Frage, die zumindest den Eindruck einer wenigstens rudimentären Vorbereitung erwecken lässt.

Floskeln vs. Unterforderung

Und so gehen die eingeübten Floskeln von der einen Seite Hand in Hand mit der strukturellen Unterforderung, die von der anderen Seite angeboten wird. Dabei wurden die sogenannten Mediabriefings auf Wunsch vieler Medien vor den Spieltagen eingeführt. Im Grunde eine sinnvolle Errungenschaft, da in den grauen Vorzeiten ansonsten nur die etablierten Haus- und Hofschreiber bei den jeweiligen Klubs letzte Infos, durch direkten Kontakt mit Vereinsvertretern, bekommen haben. Die allermeisten Medien besetzen diese Veranstaltungen aber entweder gar nicht, es sei denn eine „Breaking News“ ist zu erwarten. Bei jenen, die vor Ort sind, handelt es sich sehr oft nicht unbedingt um das qualifizierteste Fachpersonal oder das qualifizierte Personal hat keine besonders große Lust sich dort ein wenig Arbeit anzutun. Exemplarisch sei dazu nur eine kurze Begebenheit vom Spiel Austria Wien gegen SK Sturm am 21. Oktober geschildert.

 

Substanz bringt mehr Substanz

Eine Zeitung, die seit geraumer Zeit auch so etwas wie ein TV-Sender sein will, entsandte eine Vertreterin zu diesem Spiel. Sie verfolgte das Spiel im Presseraum vor dem Fernseher, die meiste Zeit telefonierend, und machte sich nach dem Schlusspfiff auf den Weg in die Mixedzone. Dort war sie sich nicht zu schade, einen Kollegen nach dem Ausgang des Spieles zu fragen, und leitete die Antwort „1:1“ kurz darauf mit dem Zusatz „was bedeutet das jetzt?“ an den verdattert dreinblickenden James Jeggo weiter. Der hat sich aber schnell gefangen und sein Programm abgespult. Zugegeben, ein Extrembeispiel an Wurschtigkeit und Inkompetenz, allerdings auch ein Indiz für die vorherrschenden Zustände. Medienhäusern, wie jenes von dem die „Kollegin“ geschickt wurde, legen auf inhaltlich Wesentliches oder Verwertbares keinen Wert mehr. Es geht um ein paar Videoschnipsel mit dem einen oder anderen brauchbaren Sager. Das reicht. Wenn man die hat, braucht man auch die Pressekonferenz im Anschluss nicht mehr zu besuchen. Ebendiese dauerte bei besagtem Spiel deshalb auch keine fünf Minuten. Und das nach einem durchaus ansprechenden Spiel mit vielen interessanten Aspekten.

Mittlerweile fährt man als Zuschauer beinahe aus der Eingelulltheit hoch, wenn da plötzlich einer anhebt, um etwas mit Substanz zu fragen. Selbiges gilt für die Flashinterviews der TV-Sender unmittelbar nach der Partie. Und siehe da. In solch seltenen Momenten fällt dann auch oft, wenn es sich nicht um generelle „Verweigerer“, die es auch gibt, handelt, die Antwort sinnvoll und hörenswert aus. Auf einmal ist da ein Mehrwert, etwas, das es sich lohnt von der Fragerunde auch tatsächlich zu berichten. Ansonsten braucht es schon einen emotional sehr gebeutelten Protagonisten, um die Fassade und den Floskelsprech zu durchbrechen. Günther Neukirchner lässt grüßen. Alles in allem ein fast schon unerträglicher Zustand für jene, für die das Ganze eigentlich gemacht wird: Die Fans und Zuseher. Man kann fast nur noch verzweifelt um Besserung flehen. Liebe Trainer, liebe Spieler, sagt uns Dinge, die etwas bedeuten. Liebe Journalistenkollegen, bitte gebt euren Gegenübern ein paar Mal öfter jede Woche die Gelegenheit das auch tun zu können. Sehr viele Fußballfans würden es euch danken.

 

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