Die Geisterliga

Es ist österreichische Bundesliga und keiner geht hin. Alle Vereine außer dem Aufsteiger haben, großteils eklatante, Zuschauereinbußen zu verzeichnen. Auch sportlicher Erfolg hält den Trend nicht auf und die Beteiligten flüchten sich in Scheinargumentationen.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Wenn man sich die aktuelle Zuschauerstatistik der österreichischen Fußballbundesliga anschaut, sieht man vor allem eines: Ein dickes Minus. Jeder Verein, außer dem Aufsteiger LASK, hat einen Zuschauerrückgang in der laufenden Saison zu verzeichnen. Und dieser Rückgang ist in den meisten Fällen sogar massiv. Nur Mattersburg (wo man allerdings von bescheidenem Niveau gestartet ist), Rapid und Sturm haben weniger als zehn Prozent Einbußen. Bei Klubs wie dem WAC oder St. Pölten kann man das natürlich auch am mäßigen Erfolg in dieser Spielzeit festmachen, bei Rapid vielleicht am allgemeinen ‚Unwohlsein‘ im Umfeld oder bei Red Bull daran, dass es eben nie eine Fanbase hatte und die Leute nur gegen Dortmund oder Lazio Rom das Stadion stürmen. Aber auch Vereine wie die Admira oder der SK Sturm, die bisher eine mehr als gelungene Meisterschaft hingelegt haben, leiden an rückläufigem Interesse (siehe Grafik).

Die Leute nehmen Notiz von ihrem Verein, interessieren sich auch dafür, was vorgeht, für mehr reicht es aber oft nicht. Die Mobilisierungfindet nicht statt. Lieber postet man auf sozialen Medien und jubelt oder schimpft vom Schreibtisch oder vom Smartphone aus.

Die Protagonisten führen eine Scheindebatte

Besonders bei den Schwarz-Weißen aus Graz ist das Unverständnis und das Bedauern über den mauen Besuch offensichtlich und nagt an den Verantwortlichen. Die Kollegen von laola1.at haben Sportchef Günter Kreissl zu seiner Einschätzung befragt. Der nennt für seinen Klub drei Vermutungen, die sich in aller Kürze so zusammenfassen lassen: Die Kälte in den ersten Frühjahrsrunden, den Fehlstart im Kalenderjahr 2018 nach der Euphorie rund um Heiko Vogel im Winter und das fehlende Spannungselement in der Liga. All das, besonders der dritte Punkt, mag gewissermaßen eine Rolle spielen, insgesamt ist dieser Zugang aber eine Themenverfehlung, ja, fast naiv. Der SK Sturm hat aktuell einen Zuschauerschnitt von knapp 10.000. Auch in der letzten Meistersaison 2010/11 kamen durchschnittlich nicht einmal 12.000 nach Liebenau. Die von Kreissl genannten drei Punkte trafen damals allesamt nicht zu, innerhalb dieser Schwankungsbreite bewegt sich der Andrang in Graz also je nach äußeren Umständen, wenn der Erfolg da ist.

Die Ausreißer nach unten wie etwa 2013/14 (Schnitt knapp 7.500), wo die Mannschaft unter Darko Milanic so gar nicht in die Gänge kam, zeigt wie trist es aussieht, wenn es sportlich gar nicht mehr läuft. Kleiner Ausreißer nach oben seit der Stadioneröffnung war die Zeit nach dem Konkurs ab 2007, aber selbst in diesen Jahren mit Aufbruchsstimmung war man von einer Auslastung nahe der 90 Prozent meilenweit entfernt. Irgendwelche Dinge herbeizudichten, dass schlechtes Wetter oder ein paar Niederlagen in Folge da die wesentlichen Gründe sind, ist nicht analytisch und schon gar nicht empirisch. Überhaupt werden das ganze Jahr schlechte Besuche mit irgendetwas gerechtfertigt. Ferienbeginn, zu kalt, zu heiß oder das Monatsende, wo alle schon kein Geld mehr hätten. All das mag zum Paket gehören und kleine Schwankungen auslösen. Insgesamt erklärt all das aber nicht, warum das sportliche Aushängeschild des Bundeslandes Steiermark es nicht schafft, zumindest alle zwei Wochen 15.000 Leute ins Stadion zu bewegen.

 

Die Liga erzählt keine Geschichten

Es gilt das mehr und mehr vorherrschenden Credo „interessiert, aber nicht involviert“. Die Leute nehmen Notiz von ihrem Verein, interessieren sich auch dafür, was vorgeht, für mehr reicht es aber oft nicht. Die Mobilisierung (= ins Stadion gehen und aktiv teilnehmen) findet nicht statt. Lieber postet man auf sozialen Medien und jubelt oder schimpft vom Schreibtisch oder vom Smartphone aus. Das gilt für den SK Sturm, das gilt aber in unterschiedlicher Ausprägung für die ganze Liga. Um die Massen in Bewegung zu setzen, braucht es ein Narrativ. Die Leute wollen Teil einer Erzählung sein. Ein neues Stadion ist zum Beispiel eine solche Erzählung. Kurzzeitig herrscht Neugier und man will dabei sein. Adaptionen, die von außen kaum wahrnehmbar sind, werden eher keinen Hype auslösen, mögen die Neuerungen noch so notwendig sein, wie aktuell in Graz-Liebenau geplant. Die nachhaltigsten Narrative sind wohl solche, die mit Identifikation zu tun haben. Wenn da etwa eine Mannschaft am Platz steht, wo sich die Anhänger wiederfinden können, wo man sich zugehörig fühlen kann. Wo die Chemie stimmt, zwischen Rasen und Tribüne. Auch Erfolgsgeschichten der Marke „Underdog“ oder „Phönix aus der Asche“ können einen Boom erzeugen. Man nehme etwa den Massenbesuch in Mattersburg in der Zeit als die Mannschaft aus der Burgenlandliga auf dem Weg in den Profifußball war. Das so etwas vergänglich ist, zeigen Woche für Woche die aktuellen Bilder aus dem Pappelstadion.

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

Eine solche Erzählung, die mitreißt, fehlt wohl derzeit bei allen Klubs der Bundesliga. Die Dominanz von Red Bull lullt die Liga zusätzlich ein und in den Europacup kommt die Hälfte aller Mannschaften. Das Produkt Fußball in Österreich ist im Moment mehr Skoda Fabia denn Ferrari. Geht schon irgendwie, muss aber auch nicht sein. Wie sich das in naher Zukunft ändern soll, weiß in Wirklichkeit niemand, deshalb flüchten sich alle in Scheinargumente für die mangelnde Begeisterung. Die Bundesliga müsste wieder Geschichten erzählen, aufregen und bewegen. Und damit meine ich nicht homophobe Spruchbänder im Block West. Eine der Hoffnungen dieser Tristesse zu entkommen, ist die Ligareform ab der kommenden Spielzeit. Aber ob 12er-Liga, Teilung und Playoffs hier den großen Turnaround bringen werden, darf mehr als bezweifelt werden. Und von der unsäglichen zweithöchsten Spielklasse haben wir dabei noch gar nicht gesprochen…

 

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