Der ganz normale Kaderplanungswahnsinn

Mehr als die halbe Bundesligamannschaft des SK Sturm hat nur noch einen Vertrag bis zum Sommer. Ein halbes Dutzend absolute Leistungsträger wäre aktuell ab Juni ablösefrei. Günter Kreissl ist mehr denn je gefragt, den Kader zusammenzuhalten. Und es ist ein Hamsterrad, in das er jeden Sommer erneut muss.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Der SK Sturm trainiert wieder. Neo-Coach Heiko Vogel war guter Dinge und hat schon seine erste Einheit sehr engagiert geleitet. Auch bei der anschließenden Pressekonferenz zeigte er sich zuversichtlich. Der Deutsche merkte an, er hätte – unüblich für Trainerwechsel – richtig Zeit gehabt, sich auf die Aufgabe einzustellen und vorzubereiten. Normalerweise würde man ins kalte Wasser springen und eine eher nicht so gut dastehende Mannschaft kurzfristig übernehmen. Aber er übernimmt Sturm als Tabellenführer, was für ihn natürlich auch nicht ganz einfach ist. Von ganz oben kann es nicht mehr weiter rauf, sondern nur noch runtergehen. Neuzugänge seien im Winter keine vorgesehen, die aktuelle Mannschaft verdiene Vertrauen. Das kündigte auch Sportdirektor Günter Kreissl in den letzten Tagen schon an. Aber: Vertraut ein großer Teil der Mannschaft auch weiterhin auf Schwarz-Weiß?

Unser Problem ist sozusagen der Erfolg. Der gute Herbst weckt natürlich die Begehrlichkeiten.

Günter Kreissl über die Vertragsverlängerungen

Einige der Besten bei Sturm könnten gehen

Mehr als ein Dutzend Verträge enden im Sommer 2018. Bei einigen Kickern gibt es eine Optionsmöglichkeit auf ein weiteres Jahr. Nicht wenige Akteure stehen im Kader, wo die Wege entweder auseinandergehen oder eine Vertragsverlängerung geschafft werden muss. Mit Dario Maresic, Stefan Hierländer, Marvin Potzmann, Charalampos Lykogiannis, Christian Schoissengeyr und James Jeggo sind darunter zumindest sechs absolute Leistungsträger, die der SK Sturm wohl lieber nicht ziehen lassen möchte. Bei Maresic und Hierländer sind die Gerüchte schon sehr laut hörbar, dass es Interessenten geben soll. Auch die Leistungen von Marvin Potzmann sind sicher auch außerhalb der Bundesliga aufgefallen. Lykogiannis gilt seit jeher als begehrter Spieler, Schoissengeyr ist nach langer Verletzung wieder zurück und Jeggo hat seinen Stammplatz in den letzten Monaten zurückerkämpft. Beide sind wohl auch eher nicht die Kategorie unvermittelbar.

Dem aufmerksamen Beobachter wird aufgefallen sein, es handelt sich einerseits um Stammspieler in der Grazer Hintermannschaft und im defensiven Mittelfeld sowie mit Potzmann und Hierländer um die beiden flexibelsten Akteure im Blackies-Kader, die von Außenverteidigung bis offensive Mittelfeldvarianten alles spielen können. Schon seit geraumer Zeit versucht Günter Kreissl hier die Dinge voranzutreiben, allein bis jetzt ohne Durchbruch. Auf Nachfrage lässt er gegenüber 90minuten.at wissen: „Unser Problem ist sozusagen der Erfolg. Der gute Herbst weckt natürlich die Begehrlichkeiten.“ Die Gespräche ziehen sich. In erster Linie auch wegen der Berater, die auf die Spieler einwirken und ihnen immer wieder andere Optionen schmackhaft machen würden.

Nachvollziehbar, bedeutet doch ein Wechsel auch Bewegung am Beraterkonto. Kreissl sieht weiterhin keine Not die betroffenen Leute bereits im Winter anzubringen und so noch Ablöse zu lukrieren. Lieber wäre dem Grazer Sportchef, die Spieler mit auslaufenden Verträgen würden bis Sommer Top-Leistungen bringen und ablösefrei weiterziehen. Abgesehen von der Optimalvariante: Verlängerung des Kontrakts in Graz. Dass bereits im Winter ein Angebot kommt, wo er schwach würde und ein Verkauf zu überlegen wäre, glaubt der Geschäftsführer Sport bei den Schwarz-Weißen nicht. Das mittlerweile ganz ordentlich gefüllte Bankkonto des SK Sturm macht das Sportdirektorenleben hier wohl ein wenig leichter.

Kreissl bleibt ungestresst und zuversichtlich

Dagegen, dass nach einem starken Frühjahr einige an lukrativere Adressen weiterziehen, könnte Kreissl zunächst aber natürlich wenig machen. Der Sportchef kann hoffen, dass der eine oder andere auf Nummer sicher gehen will, nach dem Motto „besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“ zuerst verlängert und auf ein so erfolgreiches Frühjahr hofft, dass ohnehin ein Interessent auch bereit ist in die Tasche zu greifen. Und da ist ja noch die Option Europa League oder eventuell sogar Champions League-Qualifikation. Das sei als Argument nicht zu unterschätzen, unterstreicht Kreissl, und fügt hinzu: „Da liegt es dann natürlich auch an mir, die Spieler davon zu überzeugen, dass das vielleicht schwerer wiegt, als ein paar Tausender mehr zu verdienen.“ Er bleibe jedenfalls zuversichtlich und ungestresst.

Nichtsdestotrotz, könnten sich im Kader einige Baustellen auftun. In einem sehr schlechten Szenario, geht eine gesamte Abwehr im Sommer. Aus dem Trio Jeggo-Hierländer-Potzmann über die laufende Saison hinaus alle zu halten, scheint auch nicht ganz so einfach. Ein langweiliges Frühjahr steht der Grazer Geschäftsstelle jedenfalls nicht bevor. Und die Sache wiederholt sich 2019, wo die nächste Gruppe mit, unter anderen, Deni Alar, Fabian Koch oder Thorsten Röcher am Verhandlungstisch Platz nehmen wird. Der permanente Transferdruck regt auch zum Nachdenken an. „Ein- oder Zweijahresverträge erlauben natürlich Flexibilität, andererseits ist der ständige Transferstress mühsam. Ich beginne darüber nachzudenken, mehr in Richtung längerfristige Verträge zu tendieren“, überlegt Günter Kreissl eine Strategieänderung. Das würde natürlich das Risiko beinhalten, auf den nicht gelungenen Verpflichtungen sitzen zu bleiben, es würde aber den Druck aus der Kaderplanung ein wenig herausnehmen.

So oder so, ein Verein wie der SK Sturm aus einer Liga wie der heimischen Bundesliga, wird hier immer ein wenig in Bedrängnis sein. Man kann weder kaufen wen man will, noch ist man davor gefeit, dass ein potenter Klub aus einer finanzkräftigen Liga die Leistungsträger weglockt. Wenn alle Neuverpflichtungen so funktionieren wie jene letzten Sommer, dann funktioniert das Werkl auch. Aber das in jeder Übertrittszeit hinzukriegen ist nicht die einfachste Übung. Dinge wie Scouting und punktuelle Ausbildung im eigenen Nachwuchs werden umso wichtiger. Wie sich der SK Sturm hier mit seiner Akademie zukünftig positionieren wird, ist einer der interessantesten Fragen für die nahe Zukunft.

 

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