Sturm vor der Saison: Euphorie und Stolpersteine
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Sturm vor der Saison: Euphorie und Stolpersteine

Der regierende Doublesieger steht vor dem Traum Champions League und startet auf einer Welle der Euphorie in die neue Saison. In den nächsten Monaten warten aber auch einige potenzielle Hürden auf den Verein, erste Vorboten waren schon sichtbar.

Sturm Graz startet am Wochenende gegen Rapid als Titelverteidiger in die Meisterschaft. Die "Schwoazn" haben eine der erfolgreichsten Saisonen der Klubgeschichte hinter und das Abenteuer Champions League vor sich. Das ist für die Protagonisten ein Traum, der in Erfüllung geht. Die Vorfreude ist groß, die Erwartungshaltung natürlich auch.

Die von Andreas Schicker für die kommenden Herausforderungen getätigten Transfers wirken überlegt, sein eigener Verbleib und der des gesamten Trainerteams sorgen zudem für Kontinuität. Alles in allem nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um in die neue Spielzeit zu gehen.

Ein erster Hinweis, wie schnell es auch in die andere Richtung gehen kann, war der Auftakt im Cup gegen Regionalligist Krems. Mit Hängen und Würgen schaffte Sturm erst kurz vor Ende der Verlängerung den Aufstieg in die nächste Runde.

Doublesieg vs. Tiefstapeln

Sturm und sein Umfeld sind generell dafür bekannt, dass es hinsichtlich der emotionalen Ränder schnell in beide Richtungen gehen kann. Die aktuelle Euphorie mit Rekord-Aboverkäufen und Mitgliederzahlen ist die größte in der Vereinsgeschichte. Die Fans können den Start in die neue Saison kaum erwarten. Und sie erwarten sich freilich, dass es jetzt so weitergeht.

Andreas Schicker, Christian Ilzer und Co. sind händeringend darum bemüht, trotz allem Salzburg die Favoritenrolle umzuhängen. Wenn man sich die Möglichkeiten und finanziellen Unterschiede ansieht, ist das auch ein absolut verständliches Unterfangen. Nichtsdestotrotz wird es wohl nicht gar so einfach, einen sportlichen Durchhänger zu erklären, wie vielleicht in den Meisterschaften früherer Jahre. Man ist eben jetzt Doublesieger.

Und die Antithese zu jeglicher Vernunft, die Kommentarfunktion in sozialen Medien, wetzt schnell ihre Messer. Man führe sich nur die Kommentare unter der Testspielniederlage von Sturm gegen den FC Porto zu Gemüte. Die Sturmfans generell haben in letzter Zeit schon einige Mal bewiesen, dass sie den aktuell gegangenen Weg wertschätzen und auch die eine oder andere klare Niederlage in der Europa League richtig einordnen konnten. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Zugang auch für den Auftritt im höchsten europäischen Bewerb und in der anstehenden Meisterschaft beibehalten wird.

Im Rausch der Königsklasse ist es umso wichtiger, nicht die Werte zu verlieren, die man sich selbst gegeben hat.

Bodenhaftung und Professionalisierung

Die Fans sind also in der Pflicht, das Kommende richtig einzuordnen. Umso mehr gilt es für alle im Verein, die Bodenhaftung zu bewahren. Im Rausch der Königsklasse ist es umso wichtiger, nicht die Werte zu verlieren, die man sich selbst gegeben hat.

Das misslungene Champions-League-Ticketing im geschützten Verkauf für Mitglieder und Abonnenten und die Kommunikation im Nachgang dazu, waren ein erster Wink, wie schnell man Kredit bei den Fans verspielen kann. Ab und an im Leitbild blättern und die wichtigsten Grundsätze memorieren, sollte in der kommenden Saison regelmäßig auf der Tagesordnung stehen. Es wird in den nächsten Monaten genug Gelegenheiten geben, wo man diese brauchen kann. Sturm schmückt sicher gerne mit dem Label des Mitgliedervereins und man will ein Klub für alle sein. Das muss auch dann gelten, wenn es für einmal "Königsklasse" heißt.

Sportlich ging es seit 2020 stetig bergauf und der Verein wurde Schritt für Schritt professionalisiert. Diesen Anspruch braucht es aber für alle Teile des Vereins in der Geschäftsstelle. Da gibt es in einigen Bereichen noch Luft nach oben, insbesondere hinsichtlich der personellen Ressourcen, die für die gestiegenen Anforderungen nötig sind. Die Verantwortlichen sind gefordert, die durch den sportlichen Erfolg zusätzlich lukrierten Gelder nicht nur für den Kader und die Infrastruktur aufzuwenden, sondern auch jene Bereiche "Champions League-fit" zu machen, die den Betrieb am Laufen halten. Die Mängel, die im Ticketing unlängst offensichtlich waren, sollten Warnung genug gewesen sein.

Dauerthema Stadion

Dazu kommt das ewige Thema Infrastruktur, das weiterhin kein Wohlfühlthema sein wird. Sturm schlägt beim neuen Trainingszentrum den richtigen Weg ein und schafft eine Heimstätte für Damen, Sturm II, Akademie und Nachwuchs, geplante Fertigstellung 2026.

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Die Merkur Arena: Stadion mit Konfliktpotenzial

Das Stadionthema bleibt allerdings eines mit vielerlei Konfliktpotenzial. Nachdem die Botschaft der Bürgermeisterin recht klar gewesen sein soll und ein zweites Stadion in Graz wohl abgesagt ist, wird daran gearbeitet, wie Liebenau für Sturm und GAK hergerichtet werden kann. Um den alten Kasten wieder für alle europäischen Bewerbe und sonstigen Anforderungen zu adaptieren, wird es viel Aufwand und auch Geld brauchen.

Dauerdebatten mit der Stadtpolitik sind vorprogrammiert. Und vor allem Sturm-Präsident Christian Jauk muss den kommunikativen Spagat von "Wir wollen Liebenau für uns allein" zu "Wir haben mit Stadt und GAK der gemeinsamen Nutzung zugestimmt" erst einmal hinkriegen. Speziell auch gegenüber den Sturm-Fangruppen.

All diese Dinge bergen Problemstellungen, die schnell auch in der öffentlichen Debatte recht unangenehm werden könnten. Je besser die Saison sportlich laufen wird, desto einfacher werden die Dinge rundherum zu moderieren sein. In jedem Fall gilt es, neben der weiteren Professionalisierung, auf allen Ebenen die Ruhe zu bewahren, wenn so Manches vielleicht nicht nach Plan verläuft.

Für das Umfeld heißt das, Kritik, wenn notwendig, besonnen zu üben und für den Verein heißt das in erster Linie, sich eine kluge und gemeinsame Kommunikationsstrategie für alle Eventualitäten zurechtzulegen. Da gibt es einiges zu tun, war das doch in der Vergangenheit nicht immer die größte Stärke von Christian Jauk und Co.

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