Sturm: Foda's Face
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Sturm: Foda's Face

Der Motor des Titelverteidigers stottert weiter. Sturm lässt viele Tugenden aus den letzten Jahren vermissen und scheint vor allem auch mental einzuknicken. Einiges erinnert aktuell an vergessen geglaubte Zeiten. Der Sportchef ist jetzt gefragt.

Sturm unter Jürgen Säumel kommt nicht in die Spur. Zwar hat man letzte Woche noch einen Sieg gegen Blau-Weiß Linz ermurkst, aber am Sonntag folgte der nächste Rückschlag in einem bislang schwierigen 2025. Nach einer starken ersten halben Stunde und der 1:0-Führung gingen die Schwoazn bei Red Bull sang- und klanglos mit 3:1 unter.

Der Titelverteidiger gibt dabei in vielerlei Hinsicht ein Bild ab, das die Fans frustriert zurücklässt und die Verantwortlichen schön langsam mehr als nur nachdenklich stimmen sollte. Auf dem Feld und neben dem Feld passt nicht viel zusammen.

Die angezogene Handbremse

Säumel hat in den letzten beiden Runden wieder zur Raute zurückgefunden und das funktioniert vom Start weg eindeutig besser als die zuletzt oft probierte Doppelsechs. Im Laufe der Spiele, sowohl gegen Blau-Weiß als auch jetzt am Wochenende gegen Salzburg, ist Sturm aber nicht in der Lage, das über 90 Minuten durchzuziehen.

Lange wurde gar nicht reagiert, dann scheiterte der Versuch abzusichern und als logische Folge wurde Sturm bitter bestraft.

Jürgen Pucher

Das hat aus meiner Sicht mehrere Gründe. Die Intensität und die Wucht im Sturm-Spiel lassen über die Zeit konsequent nach. Vor allem nach einer Führung ist sofort die Handbremse ein Stück weit angezogen. Und es sieht leider alles ein wenig so aus, als wäre man auch körperlich nicht auf dem Level wie noch im Herbst, wo man dieses Raute-Spiel mit dem sehr frühen Anlaufen und dem enorm aggressiven Pressing noch über ein gesamtes Match durchgehalten hat.

Dazu kommt ein In-game-Coaching, das vielfach nicht nachvollziehbar ist. Input durch Auswechslungen kommt immer erst spät, wo dann nur mehr wenig zu machen ist. Salzburg hat Sturm in der letzten Runde mit jeder Einwechslung von Thomas Letsch ein Stück weit mehr unter Druck gesetzt.

Die späte Reaktion

Säumel wechselte nach einer Stunde Stürmer für Stürmer und wollte in der 70. Minute mit Defensivwechseln auf die Doppelsechs umstellen, um die ohnehin nur noch an einem seidenen Faden hängende Führung über die Zeit zu bringen. Zeitgleich erzielte Salzburg den Ausgleich und legte zehn Minuten später nach und entschied das Spiel. Die Offensivkräfte Leon Grgic und Lovro Zvonarek konnten in den letzten Minuten nichts mehr ausrichten.

Lange wurde also gar nicht reagiert, dann scheiterte der Versuch abzusichern und als logische Folge wurde Sturm bitter bestraft. Das ist alles in allem aus sportlicher Sicht eine Kombination, die einen wenig optimistisch in die Zukunft blicken lässt. Gedanken an vergessen geglaubte Zeiten unter Franco Foda kommen auf, wo man sich durch einen Rücksichtl-Vorsichtl-Fußball großer Teile des Potenzials beraubt hat.

Und jetzt hoppeln der Sportchef, wenn er etwas sagt, und der Trainer nach jedem schlechten Spiel mit einer Floskelparade hinterher und reden irgendwas von gründlicher Analyse.

Jürgen Pucher

Und über all dem schweben auch noch dieses fast blutleere Auftreten der sportlichen Verantwortlichen und schlichtweg kommunikative Fehler. Auch Kapitän Stefan Hierländer hat unlängst bei BlackFM fehlende Energie festgestellt und die Tatsache angesprochen, dass die großen Veränderungen seit dem Herbst und ihre Folgen nicht klar genug artikuliert wurden.

Das Mindset und der Teamspirit

Und in der Tat hieß es lang, der Umbruch käme erst im Sommer, dann kam viel schon im Jänner, es wurde dazu wenig erklärt, außer dass der Meistertitel kein Muss mehr ist und die Entwicklung im Vordergrund stünde. Und jetzt hoppeln der Sportchef, wenn er etwas sagt, und der Trainer nach jedem schlechten Spiel mit einer Floskelparade hinterher und reden irgendwas von gründlicher Analyse.

Die Spieler haben ein direkter ausgeprägtes Sensorium für das, was in jedem Fall vordergründig fehlt. Neben Hierländers Podcast-Interview sei hier an Otar Kiteishvili nach der Pleite beim WAC erinnert, wo er das falsche Mindset kritisierte, und am Sonntag bemängelte Dimitri Lavalee fehlenden Teamspirit bei Sturm.

Es wäre freilich jetzt recht einfach zu sagen, die Kicker sollen sich lieber zusammenreißen, anstatt Reden zu schwingen. Erfahrene Beobachter von Entwicklungen bei Fußballklubs wissen aber, dass solcherart Probleme in einer Mannschaft selten intrinsisch aus ihr herauskommen, sondern dass die Ansprache von außen sehr viel Einfluss hat.

Der Fehler im System

Und wir haben hier eine Sturm-Mannschaft, die es gewohnt war, in der Kabine und an der Linie so richtig angezündet zu werden. Neben dem Qualitätsverlust durch die Abgänge und der viel vorsichtiger gewordenen Spielweise, ist auch diese Ansprache mit dem neuen Trainerteam gänzlich anders geworden. Alles in allem wohl ein wenig viel zu schlucken, für eine Gruppe, die als Doublesieger die Mentalität bewahrt hat und noch stark aus der Sommerpause gekommen ist.

Auch wenn so mancher oberflächliche Beobachter Kritik an diesem Zustand mit nörgeln und Besserwisserei missinterpretiert, werden diese Probleme nicht durch Geduld von selbst verschwinden.

Jürgen Pucher

Jetzt fällt gefühlt alles ineinander zusammen und ich sehe in der aktuellen Konstellation niemanden in Verantwortung, der einen Hebel oder die Autorität hätte, das Ruder schnell herumzureißen. Auch wenn so mancher oberflächliche Beobachter Kritik an diesem Zustand mit nörgeln und Besserwisserei missinterpretiert, werden diese Probleme nicht durch Geduld von selbst verschwinden.

Hier gibt es einen Fehler im System, den der Sportchef bald und direkt ansprechen wird müssen. Man muss zurückfinden, zum Sturm-Fußball aus den vergangenen Jahren und dem irgendwo vergrabenen Mut und die Energie wieder zurückholen. Dieser Kader hat trotz allem genug Qualität, um eine andere Rolle spielen zu können. Und bei Michael Parensen liegt auch die Einschätzungshoheit und Verantwortung, ob das mit den aktuell in der Kabine handelnden Personen möglich ist, oder nicht.

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