Sturm: Ein kleiner König als große Nummer
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Sturm: Ein kleiner König als große Nummer

Sturm verlässt die große Bühne erhobenen Hauptes. Der Europacup mag seinen Zauber verloren haben, doch die Grazer und ihre Fanszene können und konnten sich anders positionieren als all die steinreichen Konstrukte. Eine Bilanz:

Sturm hat die Champions League-Bühne mit einem Sieg verlassen. Mit einem Sieg gegen ein ideologisches Gegenmodell aus dem globalen Fußball. Gegen die Red Bull-Abteilung Leipzig behielt am Mittwoch in Klagenfurt ein gallisches Dorf die Oberhand, auch wenn diese Dörfer im Konzert der globalen Fußballunternehmen grundsätzlich immer weiter zurückfallen.

Nur wenn eine Ration Zaubertrank verfügbar ist, kann so etwas gelingen und ein Verein wie Sturm Graz in der Königsklasse für einen Tag ein kleiner König sein. Und die Schwoazn waren in dieser Saison 2024/25 hinsichtlich der Rahmenbedingungen der kleinste aller Könige unter den 36 teilnehmenden Klubs.

Millionen aus Europa für die Zukunft des Klubs

Aus dieser Perspektive betrachtet, sind zwei volle Erfolge und ein paar respektable Partien (u.a. Dortmund auswärts) aller Ehren wert und es gibt keinen Grund nicht erhobenen Hauptes von der Bühne zu gehen. Aber was hatte die Teilnahme an diesem Bewerb abseits des Kicks am Rasen für die Grazer zu bedeuten?

Zunächst einmal viel Geld. Mehr als 30 Millionen Euro spülten die Teilnahme und die Nebengeräusche aus Punkteprämien sowie Zusatzeinnahmen in anderen Bereichen in die Klubkasse. Marktwertsteigerungen der Kicker und Imagegewinn für den Klub sind da noch gar nicht eingerechnet. Geld, das, wenn richtig eingesetzt, einen Verein der Dimension Sturm Graz über Jahre stabil aufstellen kann.

Mit dem Cash aus der Champions League hat man trotzdem Spielraum für Investitionen sowie die Gewissheit, auf Sicht auf sicheren Beinen zu stehen und in der Liga konkurrenzfähig bleiben zu können.

Jürgen Pucher

Bedarf gibt es genug. Ein neues Trainingszentrum wird gebaut, ein wichtiger Schritt für die Aufwertung des Nachwuchses und der Damenabteilung. Bis man im Heimstadion Liebenau weiß, woran man ist, muss man sich noch gedulden. In jedem Fall kommen hinsichtlich Infrastruktur für die erste Mannschaft noch einige dürre Jahre auf den Klub zu, wo man nicht auf Mehreinnahmen in diesem Bereich hoffen kann.

Erfahrungsgewinn und ein schaler Beigeschmack

Mit dem Cash aus der Champions League hat man trotzdem Spielraum für Investitionen sowie die Gewissheit, auf Sicht auf sicheren Beinen zu stehen und in der Liga konkurrenzfähig bleiben zu können. Schön wäre zudem, könnte man außerdem an der einen oder anderen Schraube in Bereichen wie Merchandising oder Fanservice (Ticketing) drehen. Die Mittel sind jetzt da, Pläne dazu gibt es auch, wie man hört.

Dazu kommt auf der Habenseite durch die Teilnahme an der höchsten europäischen Spielklasse ein Erfahrungsgewinn für Trainer und Spieler, der die Mannschaft dauerhaft auf ein höheres Niveau hebt.

Mit den Fahrten nach Klagenfurt konnten sich die Sturm-Fans nie anfreunden
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Mit den Fahrten nach Klagenfurt konnten sich die Sturm-Fans nie anfreunden

Trotzdem bleibt auch der eine oder andere schale Beigeschmack aus diesem Bewerb. Da ist die bereits eingangs erwähnten Schere, die international immer weiter auseinandergeht und nur an einzelnen Tagen für kleinere Klubs geschlossen werden kann. Das hat für die Fans ein gewisses Frustrationspotenzial, wenn man vorgeführt bekommt, wie chancenlos man, ohne konkret etwas falsch zu mache,n auf diesem Level meistens ist.

Klagenfurt und die verschwundene Magie

Und dann ist da freilich das sehr schmerzhafte Ausweichen nach Klagenfurt. Das jahrelange Versagen der Grazer und steirischen Politik, zwingt zehntausende Sturmfans zu nächtlichen Bus- und Autofahrten über die Pack, um ihren Verein in Europa sehen zu können. Ein schlichtweg erbärmlicher Umstand, nicht zuhause in Liebenau spielen zu können. Das stimmt traurig und klebte durchaus beständig als Makel an dieser internationalen Teilnahme von Sturm. Insbesondere deshalb, weil in nächster Zukunft keine Lösung für die Misere am Tisch liegen wird.

Vielerorts ersetzen gut zahlende Kunden die Fans, altehrwürdige Stadien mit besonderer Atmosphäre sind nicht mehr zugelassen, nahezu alle Spiele finden in austauschbaren Arenen mit dem Charme eines Einkaufszentrums statt.

Jürgen Pucher

Und ganz generell ist aus dem Europacup der Zauber früherer Tage verschwunden. Das Business "moderner Fußball" made by UEFA hat die Magie des europäischen Wettbewerbs glattgebürstet und gewinnmaximiert. Das ging auf Kosten der Authentizität, der Fans und der Ursprünglichkeit des Fußballs.

Vielerorts ersetzen gut zahlende Kunden die Fans, altehrwürdige Stadien mit besonderer Atmosphäre sind nicht mehr zugelassen, nahezu alle Spiele finden in austauschbaren Arenen mit dem Charme eines Einkaufszentrums statt. Und die Multi-Club-Ownership und Red Bull-Konstruktionen tun ein Übriges. Geschäftsmodelle haben Fußballklubs aufgefressen, Heerscharen an Spielern werden wie Ware hin und hergeschoben und der letzte Rest an Eigenständigkeit wird den verschlungenen Vereinen ausgetrieben.

Mission Double-Verteidigung startet jetzt

Auch ein Klub wie Sturm kann sich diesen Mechanismen am Spielersektor nicht verschließen, will man nicht alle sportlichen Ambitionen über Bord werfen. Aber der Verein selbst und speziell seine Fanszene können sich anders positionieren und sie tun das auch. Der Support der Farben und der eigenen Tradition, unabhängig von gerade agierenden Spielern, müssen in den Vordergrund rücken. Die Spieler kommen und gehen. Sturm bleibt.

Und es liegen schöne Aufgaben vor den Schwoazn. Schon am Wochenende steht der Cup-Schlager gegen Wien-Favoriten auf dem Programm und eine Woche später folgt der Frühjahrauftakt in der Liga ebenfalls gegen die Austria aus Wien, aktuell erster Verfolger des regierenden Meisters. Die Mission Double-Verteidigung geht für die Grazer ohne Eingewöhnungsmöglichkeit direkt zur Sache.

Sturm mag in Europa der kleinste König sein. Als Klub sind die Schwoazn für und vor allem durch ihre Fans wieder eine richtig große Nummer geworden.

Jürgen Pucher

Die Partie gegen Leipzig war die bestmögliche Vorbereitung für die beiden richtungsweisenden Spiele in den nationalen Bewerben. Der Sieg gegen den finanziell übermächtigen Gegner war ein Geschenk. Das Gerede über Alltag und Tristesse, die jetzt nach der Königklasse kommen würden, ist Unsinn.

Kleiner König, große Nummer

Das Trainerteam und die Spieler können diesen Schwung in die kommenden Partien mitnehmen und mit der Gewissheit über die eigenen Fähigkeiten mit breiter Brust die großen Ziele in Cup und Meisterschaft angehen. So eine "Vorbereitung" ist bei weitem mehr wert als jedes Testspiel gegen einen noch so starken Gegner.

Und Sturm ist nicht Red Bull, wo nach der großen Bühne in Europa immer die leere Schüssel in Wals-Siezenheim dasteht. Die Säumel-Elf spielt jetzt zwei Mal in einem ausverkauften Liebenauer Stadion mit Top-Atmosphäre gegen die Wiener Austria und die lautstarke Tribüne wird einen Post-Europacup-Durchhänger schlichtweg gar nicht zulassen.

Einmal mehr eine Gelegenheit, der Grazer Nordkurve Respekt und Anerkennung dafür auszudrücken, was Woche für Woche abgeliefert wird. Sturm mag in Europa der kleinste König sein. Als Klub sind die Schwoazn für und vor allem durch ihre Fans wieder eine richtig große Nummer geworden.

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