SK Sturm: Leih mir einen Star
Foto © GEPA

SK Sturm: Leih mir einen Star

Wenn ein Klub wie der aktuelle österreichische Doublesieger plötzlich im Europäischen Rampenlicht steht, dann greifen auch die Mechanismen des Fußballbusiness. Gerade für einen Traditionsverein wie Sturm eine schwierige Angelegenheit.

Der moderne Fußball. Ein Schlagwort, das vor allem bei den Traditionalisten der Szene mehr Schimpfwort als alles andere ist. Die Schere zwischen den im eigenen Saft schmorenden Scheich- und Oligarchen-finanzierten "Eliteklubs" Europas und dem Rest der Welt wird immer größer. Marketingkonstruktionen wie Red Bull, wo ein globaler Konzern sich auch eine hochdotierte Fußballabteilung leistet, tun ein Übriges zum Status Quo der Wenigen, wo der Geldhahn 24/7 geöffnet ist.

Diesen Zustand als Fußballfan grundsätzlich nicht toll zu finden, ist die eine Sache. Wenn man als kleinerer Verein mit seinem Umfeld durch eine erfolgreiche Phase an der untersten Schwelle dieser Elitegesellschaft landet, stehen die Anhänger zusätzlich aber auch noch vor einem Spagat. Sie müssen mit den jetzt auch auf ihren Klub hereinbrechenden Mechanismen des modernen Fußballs umgehen und zugleich die Identifikation mit ihrem Klub bewahren.

Das Business-Rad beginnt sich zu drehen

So geschehen in den letzten Jahren beim SK Sturm. Durch geschickte Aufbauarbeit und Transfers, gelang es dem Duo Andi Schicker und Chris Ilzer einen Verein zu etablieren, der es tatsächlich geschafft hat, den finanziell haushoch überlegenen Serienmeister Red Bull Salzburg vom Thron zu stoßen. Am Ende stand das Double 2024 und plötzlich kickten die Schwoazn auf der Champions-League-Bühne.

Sei es ein Leihspieler oder perspektivisch getätigte Transfers junger Potenzialspieler, sie haben eines gemeinsam: Spielen sie gut, sind sie schnell wieder weg.

Jürgen Pucher über die Personalfluktuation

Zusätzlich hat man freilich national auf einmal andere Ansprüche und es gilt, die Ergebnisse zu bestätigen. Das Rad beginnt sich zu drehen. Die Kader werden teurer, man ist international im Fokus und die eigenen Spieler werden begehrter. Parallel dazu weiß man plötzlich darum, dass auch Sturm Graz im Gegensatz zu einst in der Lage ist, höhere Ablösen zu bezahlen und die Schnäppchen aus früheren Tagen sind nicht mehr so leicht zu erjagen.

Die Spieler kommen und gehen schneller

Immer öfter müssen Vereine wie Sturm, wenn sie nicht kurzfristig hinsichtlich der Leistungsfähigkeit ihrer Mannschaften wieder zurückschrauben wollen, zu einer Leihe greifen. Siehe in Graz nur die jüngsten Beispiele Erencan Yardimci oder Malick Yalcouyé, ein Spieler, der niemals fix in die heimische Liga wechseln würde. Sei es ein Leihspieler oder perspektivisch getätigte Transfers junger Potenzialspieler, sie haben eines gemeinsam: Spielen sie gut, sind sie schnell wieder weg.

Geliehene Leute können jederzeit von ihren Stammklubs wieder abberufen werden, siehe unlängst Yardimci, und junge Leute, die relativ günstig gekauft wurden, erliegen schnell um weitaus höhere Summen dem Lockruf aus einer der Top-5-Ligen. Mika Biereth ist da nur das jüngste Beispiel, wenn man Sturm als Anlassfall nimmt. Das ist einerseits freilich eine Geschäftsgrundlage für Klubs wie die schwarz-weißen aus Graz, vor allem wenn man kaum eigene Spieler ausbildet, und es spricht für das Scouting der letzten Jahre.

Oft passiert auch der „Forderungsunfall“, dass aus dem Umfeld gemault wird, doch bitte professioneller zu arbeiten. Wenn das dann passiert, mit den bekannten Folgen, kommt aus derselben Ecke die Kritik an der Unterwerfung im modernen Fußballgeschäft.

Jürgen Pucher über Anspruch und Wirklichkeit

Andererseits müssen die Fans aus der Grazer Nordkurve immer wieder herbe Enttäuschungen hinnehmen. Man freut sich an den Erfolgen und will sie weiter haben, zugleich leidet man immer wieder aufs Neue, wenn das Business zuschlägt und einen gerade geborenen Star plötzlich aus der Mitte reißt.

Frühere Forderungen erzeugen späteren Frust

In solchen Phasen wird von den ganz puristisch eingestellten Fans schnell die Kritik an der mangelnden Identifikationsmöglichkeit mit den Akteuren auf dem Rasen laut. Oft kommt auch der Wunsch nach Spielern aus der Region, die man früher immer gesehen hat. Das ist legitim und auch ein Stück weit nachvollziehbar.

Praktisch gibt es aber schlichtweg nur zwei Varianten: Sportlich erfolgreich sein und die Mechanismen, die es im Fußballbusiness gibt, zu akzeptieren. Oder sich in seiner Philosophie so zu positionieren, immer wieder lange Perioden des Durchschnitts in Kauf zu nehmen. Die Masse der Kritiker ist im zweiten Fall bei weitem größer und lauter.

Oft passiert auch der "Forderungsunfall", dass aus dem Umfeld gemault wird, doch bitte professioneller zu arbeiten. Wenn das dann passiert, mit den bekannten Folgen, kommt aus derselben Ecke die Kritik an der Unterwerfung im modernen Fußballgeschäft.

Eigene Akademie fördert Identifikation

Man sieht, es ist nicht so einfach. Wenn wir zu Sturm Graz zurückkehren, wo genau das gerade passiert, gibt es allerdings eine Sache, die ich als Kritikpunkt in jedem Fall unterstützen möchte. Die jahrelange Vernachlässigung der Eigenbauschiene. Sturm betreibt zwar eine Akademie in Kooperation mit dem Steirischen Fußballverband, der Output aus selbiger ist aber erstens nicht auf den Klub zugeschnitten, weil er eben nicht nur Sturm allein dienen soll, und er ist zudem insgesamt eher dürftig.

Der Fokus geht noch mehr in Richtung Unterstützung der Farben und des Klubs als solches. Das spielende Individuum am Platz ist nice to have, die Fans sind sich aber dessen Vergänglichkeit bewusst.

Jürgen Pucher über die Unterstützung des Klubs

Sturm sollte schleunigst danach trachten, wieder eine eigene Akademie mit geeignetem Personal zu betreiben und die Kooperation mit dem Fußballverband zu beenden. Nur so kann eine zweite Schiene aufgebaut werden, um in einem ersten Schritt jene Leute auszubilden, die man für die erste Mannschaft braucht, und in einem zweiten Schritt eine Option für den Transfermarkt neben dem Scouting und Weiterverkauf von Potenzialspielern zu generieren. Mit dem neuen Trainingszentrum ab 2026 sind die Voraussetzungen dafür auch infrastrukturell gegeben.

Die Farben stehen im Vordergrund

Zusätzlich würden mit einer Sturm-Akademie die Chancen wieder größer, dass der eine oder andere Local Hero hervorgebracht wird, der natürlich auf den Rängen mit offenen Armen empfangen würde. Die besten aus einer eigenen Ausbildungsstätte verliert ein kleinerer Klub im Laufe der Zeit genauso, wie Spieler, die dazugekauft wurden. Aber der Identitätsstiftung bei einem Traditionsverein sind ein paar Eigenbauspieler im Rampenlicht sicher zuträglich.

Für die Anhänger von Sturm, denen ihr Verein am Herzen liegt und die nicht rein am Titel feiern und große Gegner in der Champions League schauen interessiert sind, bleibt für den Moment angesichts der Gemengelage nur das, was große Teile der Grazer Fanszene ohnehin schon in der Praxis leben: Der Fokus geht noch mehr in Richtung Unterstützung der Farben und des Klubs als solches. Das spielende Individuum am Platz ist nice to have, die Fans sind sich aber dessen Vergänglichkeit bewusst.

Kommentare