Im Laufe des Freitags wird offiziell verkündet, was viele Sturm-Fans seit einigen Wochen als böse Vorahnung mit sich herumgetragen haben: Sie verlieren nach dem Sportchef auch den Erfolgstrainer der letzten Jahre und mit ihm fast das komplette Trainerteam. Christian Ilzer folgt seinem Freund Andreas Schicker, mit dem er in Graz so große Erfolge gefeiert hat, nach Hoffenheim.
UPDATE: Christian Ilzers Wechsel zur TSG Hoffenheim offiziell >>>
Am Montag hat Schicker bei der TSG den glücklos agierenden Pellegrino Mattarazzo freigestellt und somit den Weg geebnet, für die große Reunion mit Ilzer. Schnell sickerte durch, dass der Sturm-Meistertrainer der absolute Wunschkandidat im Kraichgau ist und die Gründe dafür liegen auf der Hand. Schicker weiß, was er bekommt und er kann mit seinem Vertrauten das Team in Hoffenheim in den nächsten Transferzeiten genau nach seinen Vorstellungen umbauen.
Ilzer fährt in den sicheren Hafen
Aktuell hat der Kader dort wenig damit zu tun, wie Ilzer-Fußball aussieht. Der Trainer weiß aber, dass er einen Weg einschlägt, wo er die Zeit bekommen wird, den ganzen Laden nach seinen Bedürfnissen zu gestalten. Für Ilzer ist diese Sicherheit wichtig, hat er doch unter anderem genau deshalb Angebote, wie zum Beispiel aus Stuttgart, abgelehnt. Die handelnden Personen dort waren ihm nicht zur Gänze geheuer.
Christian Jauk hat, vor allem finanziell, noch einmal alles versucht, um Ilzer umzustimmen. Aber der Trainer war nicht mehr zu halten und Sturm hat binnen zwei Monaten sein Erfolgsduo der letzten Jahre verloren.
Ilzer ist zudem im Ausland unerfahren und hat sich den Weggang von Sturm schon mehrmals noch anders überlegt. Jetzt hat er mit Andreas Schicker den Sicherheitsfaktor, den er braucht. Der Trainer sieht außerdem sein Werk in Graz getan. Lange hat er wissen lassen, solange er keine Titel hat, solange ist seine Mission bei Sturm nicht erfüllt. Mittlerweile hat er drei von vier möglichen in den letzten beiden Saisonen geholt. Mission accomplished.
Dazu kommt: Der Saft geht ihm in Graz schön langsam aus. Ilzer hat intern immer wieder angedeutet, dass ihn der Saisonstart sehr viel Kraft gekostet hätte. Das neue Team nach dem großen Erfolg wieder in die Spur zu bringen, hat an seiner Substanz genagt. Nachdem er auch diesen – aus seiner Sicht – Kraftakt hinbekommen hat und er Sturm an der Spitze der Tabelle übergeben kann, sieht der Erfolgscoach auch das Hindernis aus dem Weg geräumt. Vielsagend dazu das Interview nach seiner letzten Partie in Hartberg, wo er wie nebenbei anmerkte, dass der Zustand einer Mannschaft, nachdem der Trainer gegangen ist, viel über dessen Arbeit aussagt.
Kommt jetzt Scheiblehner?
Christian Jauk hat, vor allem finanziell, noch einmal alles versucht, um Ilzer umzustimmen. Aber insgeheim wusste auch der Sturm-Präsident davor schon, dass es das jetzt gewesen ist. Der Trainer war nicht mehr zu halten und Sturm hat binnen zwei Monaten sein Erfolgsduo der letzten Jahre verloren. Zumindest kassiert Sturm für Ilzer eine stattliche Ablöse. Mehr als 2,5 Millionen Euro werden kolportiert - Rekord für einen Trainer aus der heimischen Bundesliga. Trotzdem wird für Jauk die nächste Zeit kein Honigschlecken. Er muss einen neuen Sportchef bestellen, das Hearing der drei verbliebenen Kandidaten steht unmittelbar bevor, und gemeinsam mit dem gilt es einen neuen Mann an der Linie zu suchen.
Ob die neuen Personen schnell funktionieren, wird nicht nur die diesjährige Meisterschaft entscheiden. Es wird auch gnadenlos aufzeigen, wie gut der SK Sturm mit seinen geschaffenen Strukturen personenunabhängig in der Spur bleiben kann.
Für die nächsten Spiele wird es eine Interimslösung geben. Vereinsurgestein und Entwicklungstrainer Günther Neukirchner, der diese undankbare Aufgabe schon das eine oder andere Mal angenommen hat, möchte es dieses Mal nicht mehr machen. Alles deutet darauf hin, dass Sturm-II-Coach Jürgen Säumel mit seinem Co. Michael Madl zwischenzeitig auf der Einser-Bank sitzen wird. Spätestens ab der Winterpause sollte der neue Mann aber parat stehen, um die gesamte Vorbereitung gestalten zu können. Wer das sein wird, wird sich weisen. Der neue Geschäftsführer Sport bringt wahrscheinlich auch die eine oder andere Idee mit.
Einer, der sich aber in Gedankenspielen zu Sturm ohne Christian Ilzer immer wieder aufgedrängt hat, ist Blau-Weiß-Linz-Trainer Gerald Scheiblehner. Er ist nicht nur ein Freund Ilzers, er lässt auch einen durchaus dem Ilzerschen Spiel ähnelnden Fußball spielen. Auch was man über ihn von der menschlichen Seite weiß, könnte zu Sturm passen.
Scheiblehner selbst sah sich unlängst in einem Interview für einen großen Klub bereit. Wie passend, dass der Blau-Weiß-Übungsleiter explizit sogar eine Ausstiegsklausel für ein Angebot des SK Sturm im Vertrag stehen hat. Ein Schelm, wer meint, da hätte es schon irgendwann einmal vorausschauende Gespräche gegeben.
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Ein Stresstest steht bevor
Für Sturm bedeuten die anstehenden Weichenstellungen in jedem Fall die größte Zäsur im Klub seit dem Jahr 2020, als Schicker als Sportchef installiert wurde. Ob die neuen Personen schnell funktionieren, wird nicht nur die diesjährige Meisterschaft entscheiden. Es wird auch gnadenlos aufzeigen, wie gut der SK Sturm mit seinen geschaffenen Strukturen aktuell schon personenunabhängig in der Spur bleiben kann. Einen derart radikalen Stresstest, wo fast alle relevanten Leute in sehr kurzer Zeit verlorengehen, hat sich aber wohl niemand gewünscht.
Das trifft vor allem auf die Sturm-Fans zu. Der Kredit, den Andreas Schicker bei seiner Verabschiedung beim Spiel gegen Sporting Lissabon noch hatte, ist wohl beträchtlich kleiner geworden. Nicht wenige empfinden das Abwerben von Ilzer als Foul des Ex-Sportchefs. Manche sprechen sogar von Raubrittertum. Das moderne Fußballbusiness schlägt beim österreichischen Meister brutal zu und in diesen Tagen wird wohl einigen gerade klar, welch kleines Licht man im internationalen Vergleich trotz der Euphorie und der Erfolge der letzten Jahre ist.