EURO 2024: Nebengeräusche zum Fest der Nationen
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EURO 2024: Nebengeräusche zum Fest der Nationen

Die Europameisterschaft in Deutschland wird gerne als Fest der Fans aus allen Ländern präsentiert. An vielen Stellen zeigen sich aber bereits jene Tendenzen, die sich zuhause in den Teilnehmerländern politisch auf dem Vormarsch befinden.

Bei der Europameisterschaft stehen die Viertelfinali fest. Österreich hat sich nach einem packenden Spiel gegen die Türkei im Achtelfinale verabschiedet, die durchwegs starken und attraktiven Spiele des Teams bleiben aber.

Wer sagt, das ist jetzt auch nicht besser, als es unter Franco Foda war, versteht schlichtweg nichts von diesem Spiel. Und noch einige andere Dinge sind schwer verständlich.

Die querbeet wie Eiterpustel aufplatzenden rassistischen und nationalistischen Nebengeräusche rund um die Fans und Teams vieler teilnehmender Länder. Das allerorts als rauschendes und friedliches Fest angepriesene Turnier mag das vielerorts auch sein. Nahezu täglich taucht aber irgendetwas auf, wo offensichtlich wird, in welche politische Richtung der ganze Kontinent gerade aufbricht.

Mannschaften und Umfeld unterscheiden sich stark

Britische Fans lassen sich mit Union Jack samt „Stop the Boats“-Inschrift fotografieren, im Österreich-Sektor hing in Berlin eine „Defend Europe“-Fahne, ein Spruch aus dem Identitärenmilieu, und die lautstark vorgetragenen Gewalt- und Hassfantasien zwischen Kroaten, Albanern und Serben feierten auf den Rängen fröhliche Urstände.

Merih Demiral, der türkische Doppeltorschütze gegen Österreich, feierte seinen Triumph mit dem „Wolfsgruß“ der rechtsextremen Ülkücü-Bewegung und Teile der Österreich-Fans rund ums Achtelfinale in Leipzig stimmten fröhlich „Ausländer raus“ nach der Melodie des Gigi d’Agostino-Hits L’Amour Toujours an.

Das martialisch-autoritäre Auftreten der ungarischen Fans ist schon länger bekannt, Gestik und Habitus sind mittlerweile auch bei der Mannschaft am Feld angekommen.

Dass die Europameisterschaft mit ihren Fans überall als friedliches, gemeinsames Fest der verschiedenen Nationen gefeiert wird, ist Augenauswischerei. In den allermeisten dieser Länder sind die nationalistischen Kräfte auf dem Vormarsch.

In den meisten Fällen ist aber die Diskrepanz zwischen den Teams samt ihren Betreuern und dem Umfeld offensichtlich. In Deutschland sprach sich in einer Fernsehumfrage eine Mehrheit für mehr weiße Spieler beim DFB aus.

Viele Vertreter der Rechtspartei AfD geben gerne zu Protokoll, der Nationalelf schon länger nicht mehr zu folgen. Vielfalt und unterschiedliche Migrationshintergründe sind den politischen Rechtsaußen-Provokateuren ein Dorn im Auge. Teamchef Julian Nagelsmann und seine Spieler weisen solche Dinge entschieden zurück und positionieren sich demonstrativ weltoffen.

In Österreich meldete sich Teamchef Ralf Rangnick in der ZIB2 mit einem Plädoyer für Vielfalt und gegen Rechtsextremismus zu Wort und kassierte prompt aus einigen Ecken scharfe Kritik, er solle politische Äußerungen hintanstellen. Nach dem Ausscheiden aus dem Turnier waren sich einige FPÖ-Helferleins in der rechten Online-Bubble auch nicht zu schade, Rangnick auszurichten, er hätte sich wohl besser auf den Fußball konzentriert.

Nationenfest ist eine Augenauswischerei

Das alles bekommt eine Tonalität, die zunehmend beängstigend wird. Worte wie Vielfalt oder weltoffen werden oft als Schimpfworte empfunden und aggressiv kommentiert. Und auch wenn Betreuer und Kicker aufgrund ihrer Biografien und Lebensumstände einen anderen Blick auf die Dinge haben, Einfluss auf die gesamtgesellschaftlichen Änderungen haben sie nicht.

Der Starkicker und Kapitän der „Les Bleus“, Kylian Mbappé, warnte vor den Wahlen in Frankreich eindringlich vor einem Rechtsruck im Land. Das Wahlvolk wählte die extrem rechte Politikerin Marine le Pen unbeeindruckt quer durch das Land zur stärksten Kraft.

Dass die Europameisterschaft mit ihren Fans überall als friedliches, gemeinsames Fest der verschiedenen Nationen gefeiert wird, ist deshalb eine Augenauswischerei. In den allermeisten dieser Länder sind die nationalistischen Kräfte auf dem Vormarsch. Ihre Fußballteams sind oft nur ein abgeschlossener Bereich, in dem ein anderes Modell gelebt wird.

Es erinnert ein wenig an den Balkan der 1990er-Jahre, als der jugoslawische Vielvölkerstaat an nationalistischen Bestrebungen längst an allen Ecken und Enden zu zerbrechen begann, die Nationalmannschaft aber noch so etwas wie die letzte Zuflucht der Tito-Ideologie „Brüderlichkeit und Einheit“ war. Natürlich half das am Ende nichts, und der Zerfall raffte auch dieses Team hinweg.

Nationalistische und autoritäre Tendenzen führen am Ende zum Krieg. Dieser Gedanke hinterlässt beim Verfolgen der Europameisterschaft einen schalen Beigeschmack. Der sportliche Wettkampf wird bereits vom aufkeimenden Nationalismus durchsetzt. Man möchte das, leider durch viele Beispiele der Geschichte belegt, nicht zu Ende denken.


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