Wiener Sportclub: Bald 2. Liga, Fernziel Bundesliga
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Wiener Sportclub: Bald 2. Liga, Fernziel Bundesliga

Im Sommer schaufelten Fans noch Erde im Trainingszentrum - dort, wo die Friedhofstribüne für eineinhalb Jahre hin ausweicht. Der dreifache Meister war lange weg vom österreichweiten Fußball, will sich in Ottakring fit für die Bundesliga machen.

"Stört es dich, wenn ich die Kabelbinder während des Interviews anbringe?", fragt David Krapf-Günther bei der Begrüßung. Die letzten Regentropfen fallen nach dem Sommergewitter auf das Trainingszentrum in der Erdbrustgasse in Wien-Ottakring.

Das erste Auswärtsspiel gegen Krems ist absolviert, das Heimspiel gegen Oberwart steht an. Dieses wird 2:2 enden, gegen die Young Violets spielte der Wiener Sportclub vergangenes Wochenende 0:0. Die Ergebnisse sind aber zweitrangig, es gilt Hand anzulegen, für langfristige Dinge.

Der Vizepräsident des WSC führt 90minuten zum Trainingsplatz, oberhalb der Böschung sind Baustellenzäune. Dort wird die Friedhofstribüne für eineinhalb Jahre den in Österreich recht einzigartigen britischen Support vollführen. Damit die Zäune halten, müssen sie eben ordentlich befestigt sein.

Während diverse U-Mannschaften ihrem Training nachgehen und Krapf-Günther sich am Zaun zu schaffen macht, schwitzen hier die Fans selbst mit Schaufel und Scheibtruhe, um "ihre" Tribüne herzurichten. So ist das bei einem Mitgliederverein. Derer gibt es genug, blicken die Hernalser doch auf eine lange Geschichte zurück.

Langes Warten

Der Umbau hätte schon viel früher geschehen können. Bereits 2018 wurden Pläne für einen Neubau präsentiert, 2020 schließlich öffentlichkeitswirksam der Spaten ausgegraben. 6,25 Mio. Euro stellte die Stadt Wien für die Revitalisierung bereit, schöne Bilder mit Baggern und dem Sportstadtrat inklusive.

Die Tribüne an der Kainzgasse, vis-a-vis der Haupttribüne, wurde abgerissen. Dann passierte nicht mehr viel, außer dass das Dach der Haupttribüne abgetragen wurde.

Bei uns wird jeder Cent verrechnet. Es ist die Spielersuche nicht so einfach, wenn jemand bei der Konkurrenz das Doppelte bekommt.

David Krapf-Günther

Bis sich Sportstadtrat Peter Hacker in diesem Frühling dem ganzen Projekt annahm. "Ich hab mir fix vorgenommen, ich steh heut’ zum letzten Mal hier", sagte der SPÖ-Politiker. Warum die Subventionen rückabgewickelt wurden und nun der ganze Platz eineinhalb Jahre neu gebaut wird, darüber gab es Spekulationen.

Gerüchte machten die Runde, der Traditionsklub hätte anders gebaut, als vom Gemeinderat bewilligt. "Das stimmt so nicht", wiegelt Krapf-Günther ab, "die 6,25 Mio. Euro hätten nie gereicht." Ein umfassendes Nutzungskonzept für Nachwuchsnationalteam, andere Sportarten und die WSC-Frauen wurde ausgearbeitet. Der seit 1904 bespielte Platz wird gegenwärtig, wie heißt es heutzutage so schön, zukunftsfit gemacht.

Moderne Arena

Die 2. Liga hat der Klub dabei fest im Visier. Aber davor noch einen Schritt zurück. Denn mit Warten kennt man sich in Hernals aus, 1993/94 hat man das letzte Mal in der Bundesliga gekickt. Finanzielle Turbulenzen brachten den WSC um das C, zwischen 1998 und 2001 war der Verein sogar in der viertklassigen Stadtliga gewesen. 2002/03 spielte der Klub als Wiener SK AXA Wienstrom zuletzt für ein Jahr in der 2. Liga, als Konsequenz des Konkurses von Meister FC Tirol. 

Erst 2016/17 schließlich gab es nach vielen Querelen wieder ein C im Namen des Vereins, die Fußballer wurden in den Polysportverein eingegliedert. Seit zwei Jahrzehnten kickt das Team in der Ostliga. Mittlerweile ist der WSC ein Regionalliga-Topklub.

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Spieler zu finden ist für den WSC manchmal nicht so einfach, wie David Krapf-Günther (links) weiß

Ein Besuch der Ostliga-Spiele war aufgrund der einzigartigen, eher links-liberalen Szene für Fußballfans und Innenstadt-Adabeis viele Jahre ein Pflichttermin am Freitagabend. Eine Wiener Melange aus großer Vergangenheit und sportlich gesehen trister Gegenwart eben.

Im Herbst 2026 soll nur noch die blaue, 1984 errichtete Tribüne übrig sein, Haupt- und Friedhofstribüne werden dann abgerissen und neu aufgebaut. Die Dornbacher bekommen eine UEFA-Kategorie 2-Arena, modern, für 4.500 Fans bei internationalen Spielen und 5.500 in der Meisterschaft.

Finanzielle Gerechtigkeit

Der Polysportverein hat heute ein Budget von rund 1,2 Mio. Euro. Ein Viertel schlucken die Kicker. Wenig, im Vergleich zur Konkurrenz. "Bei uns wird man nicht reich. Es ist schwierig, weil andere Vereine im Amateurfußball sehr viel mehr Geld zahlen", sagt der Vizepräsident dazu. Dass im Amateurkick abenteuerliche Summen auf ebenso abenteuerliche Weise gezahlt werden, gilt als offenes Geheimnis der Szene. Er muss das nicht ansprechen.

"Bei uns wird jeder Cent verrechnet", stellt er aber klar, "Es ist die Spielersuche nicht so einfach, wenn jemand bei der Konkurrenz das Doppelte bekommt." Zum Sportclub geht man eben nicht nur wegen des Kickens, sondern auch weil der Klub nicht nur aufgrund der friedvollen Atmosphäre ein Konterpunkt zu den anderen Vereinen Wiens in den höchsten Spielklassen ist.

Ich hatte in den letzten drei Monaten vier Anrufe von Interessenten. Sie wollen weitgehende Mitspracherechte, aber so sollte der Fußball nicht sein. Wir sind ein Mitgliederverein, das wollen wir nicht.

David Krapf-Günther

Man könnte es sich leichter machen. Der eine oder andere namhafte Investor hätte ja auch schon angeklopft. Doch die wollen mitreden, nicht nur eine Aufsichtsratsfunktion. Man will das investierte Geld in Form von Provisionen oder Rückflüssen wieder reinholen. "Ich hatte in den letzten drei Monaten vier Anrufe von Interessenten. Sie wollen weitgehende Mitspracherechte, aber so sollte der Fußball nicht sein. Wir sind ein Mitgliederverein, das wollen wir nicht", meint er, "Das könnten wir den Fans gegenüber, die auch im Vorstand sind, nicht verantworten."

Schwierige Fragen

Andere Klubs greifen bei finanziellen Glücksrittern national und international für den kurzfristigen Erfolg zu. Die Auswüchse, er nennt Newcastle als Beispiel, würden aber wieder verschwinden. "Seriosität im Sponsoringbereich wird zurückkehren", zeigt er sich überzeugt. Die Realität ist aber, dass die Konkurrenz in der dritthöchsten Spielklasse auf Plätzen spielt, die weniger zu bieten haben als das Vereins-eigene Trainingszentrum.

Vielleicht auch ein Konstruktionsfehler der Regionalliga, die ja irgendwann vielleicht reformiert werden würde. Die Erfolgsaussichten für ein derartiges Unterfangen quittiert Krapf-Günther mit einem müden Lächeln. Um die Frage, wie die dritte Liga gestaltet werden soll, geht es dann schon gar nicht mehr. Wenn es wie bisher so gut wie keine Vorgaben gebe, wäre es eh wurscht, wie die Liga gestaltet ist.

Aber: Es ist aber nicht alles schwarz-weiß, was super aussieht. Die Topspiele der letzten Jahre gegen die Vienna (6.554) und im Cup gegen die Austria (6.000) und die SV Ried (5.600) waren nicht unbedingt eine Werbung für den Verein.

Lange Schlangen am Einlass, leere Bierbecher in den Händen, keine Toiletten auf der Haupttribüne – das hat dem einen oder anderen bisherigen oder zukünftigem Fan schon gezeigt, dass noch einiges Wasser die Als runterfließen muss, bis die Dornbacher professioneller werden. Infrastruktur hin oder her, das sollte - siehe den Umstand, dass das die dritthöchste Liga ist - besser laufen. Das wird auch eingeräumt.

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Hier packen die Fans an und kümmern sich um "ihre" Tribüne

"Manche Dinge haben wir aufgrund der Kosten nicht gemacht", meint er dazu. Gut Ding braucht Weile, mit Warten kennt man sich aus. Der Verein konnte in den letzten Jahren Schulden ab- und Vermögen aufbauen. Sei es durch weniger Investitionen in die marode Infrastruktur oder Abgänge. Rene Kriwak schaffte es via SK Rapid nach Dordrecht in den Niederlanden, leider riss das Kreuzband und er konnte seinem Klub nicht mehr helfen, in die Eredivisie aufzusteigen.

Zuletzt erspielte sich Mario Vucenovic einen Vertrag in der 2. Liga, via Lafnitz spielt er aktuell in Bregenz. Andere wollen dem Beispiel wohl folgen, wenn es, wie bei Nicolas Wunsch (bei Rapid ausgebildet, letztes Jahr bei der Vienna) im "ersten Bildungsweg" nicht klappt. So mancher Neuzugang kommt aus der Akademie, wie Florian Steiger (Rapid) oder Marcel Röhricht (Klagenfurt). Andere aus dem eigenen Nachwuchs.

Zurück in die Bundesliga 

Dieses Jahr soll eine Elf aufgebaut werden, die perspektivisch aufsteigen kann und sich am Platz von anderen Klubs unterscheidet. Trainer und Vereinsikone Jürgen Csandl sucht Spieler, die nicht nur pressen, sondern auch mit dem Ball per du sind. Oder wie es Krapf-Günther ausdrückt:

"Nach Robert Weinstabls Abgang haben wir geschaut, dass Spieler und Betreuer auch da bleiben. Wir wollen und vollziehen keinen 10-12 Mann Umbruch, das, was wir über die letzten Jahre etabliert haben und wir weiter forcieren werden sind Spiele mit 60-65 Prozent Ballbesitz unseres Teams und hohem Pressing. In Krems zum Saisonauftakt und auch gegen Oberwart sowie die Young Violets hat man das schon wieder deutlich gesehen. Danach suchen wir unsere Spieler und damit versuchen wir uns langfristig von anderen Klubs zu unterscheiden."

Die 2. Liga, wo so mancher Klub, von dem man sich unterscheiden will, spielt, ist noch Zukunftsmusik. Noch muss der Vizepräsident nach Feierabend, genauso wie Fans, schuften. Kabelbinder hier, Erde in Scheibtruhe da. Und die Realität ist hart genug, der ehrenamtliche Einsatz trägt Früchte. In den letzten Jahren erfreute sich der WSC vieler Fans. 2023/24 kamen im Schnitt über 2.000. Damit wäre man in Liga Zwa letztes Jahr Dritter gewesen. Derzeit dürfen rund 1.500 ins Trainingszentrum.

Das Nahziel Aufstieg kann realisiert werden, wenn das Stadion zeitgerecht fertig wird. Da kann man die zwei, drei Spieler noch holen, die fehlen. Umgekehrt können die jetzt jungen Eigengewächse an die Mannschaft herangeführt werden.

Um den Klub auf Sicht in die zweithöchste Liga zu führen und „in den nächsten zehn, 15 Jahren“ in die Bundesliga, braucht es einen langen Atem.

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