Wie bemisst sich der Erfolg einer Liga? Eine Frage, die Fans und Verantwortliche gleichermaßen beschäftigt. Es scheint viele Parameter zu geben, die den Erfolg einer Liga festmachen können.
Ist die Liga erfolgreich, wenn das Nationalteam besonders gut ist, Europacup-Erfolge eingefahren werden, möglichst viele Fans in die Stadien kommen oder der Marktwert und die Transfererlöse hoch sind? 90minuten wirft zum Auftakt des Schwerpunkts zur Zukunft der Bundesliga einen Blick auf die ADMIRAL Bundesliga sowie über die Grenzen und versucht herauszufinden, welche Ziele erreicht werden könnten oder sollten.
Das Nationalteam
Österreich war zuletzt zweimal im Achtelfinale der Europameisterschaft. Gemäß FIFA-Weltrangliste ist Rot-Weiß-Rot das zwölftstärkste Nationalteam des Kontinents. Diese Zahl sollte man sich auf jeden Fall einmal merken. Allerdings muss das Nationalteam nicht viel über die Stärke einer Liga aussagen.
Ein Beispiel sind die Niederlande: Die haben gegen Österreich bekanntlich verloren, sind nach einem Sieg gegen Außenseiter Rumänien ins Viertelfinale gekommen, wo sie die Türkei schlugen. Auf dem Feld standen drei Kicker aus der Eredivisie, Ralf Rangnick schickte einen Bundesliga-Akteur aufs Feld. Sagt dies viel oder wenig über die Ligastärke aus?
Eigentlich eher nicht, bzw. sogar gar nichts. Kroatien hat eine viel schwächere Liga, kam aber bei den letzten Weltmeisterschaften, die Österreich nur vom Hörensagen kennt, bis ins Finale bzw. Halbfinale. Italien hat eine Top5-Liga, aber auf Nationalteamebene sehr schwankende Leistungen.
Europacup-Erfolge
Ein offensichtlicher Indikator wären Erfolge im Europacup, aber auch das hilft wohl wenig. Olympiakos Piräus hat zwar 2023/24 die Conference League gewonnen. Allerdings kam man erstens aus der Europa League in den drittklassigen Bewerb und musste mit Ferencvaros und Maccabi Tel Aviv nicht allzu große Klubs ausschalten. Dann traf man auf Fenerbahçe, Aston Villa und im Finale Florenz. Muss man alles machen, aber die Conference League ist nun einmal drittklassig.
Salzburg wäre der große Wurf "Finalteilnahme" 2017/18 beinahe gelungen, viel hat gegen Olympique Marseille nicht gefehlt. Aber die Schere geht eben weit auseinander.
Die Zeiten, als Klubs wie Ajax Amsterdam (94/95, CL, 91/92, UEFA-Cup), Roter Stern Blegrad (90/91, CL) oder KV Mechelen (87/88, Cup der Cupsieger), PSV Eindhoven (87/88, CL) oder IFK Göteborg (86/87) einen Europapokal gewonnen haben, sind lang vorbei.
Es ist ja schon eine Auszeichnung, dass man in vielerlei Indikatoren mit der weitaus größeren Türkei konkurrieren kann oder dem ebenfalls größeren Polen.
Fünfjahreswertung anyone?
Vielleicht hilft die Fünfjahreswertung weiter. In die laufende Europacup-Saison ist Österreich als Nummer zehn gegangen (bemessen an den Jahren 18/19-22/23, aktuell ist man "nur noch" 13.). Die Top5 sind in jeglicher Hinsicht außer Reichweite. Sich mit Portugal, Belgien oder den Niederlanden zu messen, ist aufgrund der verschiedenen Entwicklungen des Fußballs vermessen. Es ist ja schon eine Auszeichnung, dass man in vielerlei Indikatoren mit der weitaus größeren Türkei konkurrieren kann oder dem ebenfalls größeren Polen.
Die Stärke der Liga hat in den letzten zehn Jahren zugenommen, das ist wohl unbestritten. Verantwortlich dafür ist mit Sicherheit einerseits Red Bull Salzburg. Die Bullen haben mit immer mehr und höherklassig werdenden Europacup-Teilnahmen alle anderen mitgezogen. Mittlerweile sieht man das auch an den Erfolgen anderer Klubs, auch zur Fünfjahreswertung tragen Sturm, LASK oder Rapid einiges bei.
Auch die Ligareform hat das Niveau der Liga ansteigen lassen. In der Finalphase spielen – mit Ausnahmen – die größten Klubs des Landes gegeneinander und fordern sich mehr, als dies Spiele gegen einen Abstiegskandidaten tun würden.
Kehrseite ist dann aber auch der mögliche Europacup-Platz des achtstärksten Teams der Liga, wie es bei der Austria in den vergangenen Wochen zu sehen war, als man gegen Tampere die Segel streichen musste.
Fans olé
Auch die Anzahl der Fans ist kaum ein guter Indikator. Letztes Jahr kamen mit 8.112 so viele wie seit 2008/09 nicht mehr in die Stadien der heimischen Bundesliga.
Polen wiederum hat viermal so viele Bewohner wie Österreich, mit mehr als 12.000 Fans aber auch keinen Zuschauerschnitt, der die über 8.000 in Österreich sehr schlecht aussehen lässt. Sehen wir uns als nächstes Schottland an. Dort gibt es zwei alles überstrahlende Klubs mit Zuschauerzahlen von 50.000 bis 60.000 Fans, Heart of Midlothian, Hibernian und Aberdeen haben auch noch vergleichbar viel/mehr Fans als die rot-weiß-roten Topteams.
Danach, von Dundee bis St. Livingstone (Zahlen aus 2023/24), sieht es aber eher aus wie hierzulande. Während Celtic und die Rangers so wie Österreichs Klubs internationale B/C-Ware sind, spielt der Rest kaum eine Rolle – hinsichtlich Breite an der Spitze hat Österreich genauso wie beim Nationalteam die Nase vorne.
Die schwedische Allsvenskan begrüßt mit zum Teil hochmodernen Stadien und teils besseren Sportplätzen gegenwärtig über 10.000 Fans im Durchschnitt, bei rund einer Million mehr Einwohnern. Von Solna ist es nach Malmö auch recht weit, die Geografie scheint vergleichbar zu sein. Beim A-Nationalteam hat Österreich hingegen die Nase vorne, schwedische Klubs sind international schon länger kaum noch eine große Nummer.
Früher war einmal die Schweiz ein gutes Vorbild. Am Ende des Tages kommt es immer darauf an, zu welchem Zeitpunkt man auf die Fußballwelt schaut.
Gibt es das eine Vorbild?
Auch der durchschnittliche schwedische Marktwert liegt weit weg von Österreich. Also muss ein anderes Beispiel her? Früher war einmal die Schweiz ein gutes Vorbild. Die Nati schaffte bei der Euro den Viertelfinaleinzug, da war Österreich denkbar knapp dran. In der Weltrangliste liegt die Schweiz ein paar Plätze vor Österreich, in der Fünfjahreswertung lag man aber nur mit Abschluss der Saison 2023/24 vor Österreich, sonst in den letzten Jahren oftmals dahinter.
Hinsichtlich mancher finanziellen Kennzahlen hat Österreich aber die Nase teils deutlich vorne. Bei den Marktwerten kann die Super League der Bundesliga wiederum nicht das Wasser reichen, auch nicht bei den Toptransfers. Die 25 teuersten Abgänge aus der Schweizer Liga summieren sich auf 347,5 Mio. Euro, die österreichischen Toptransfers kommen auf 500 Mio. Euro.
Bei den Besucherzahlen haben die Schweizer mit 2023/24 11.091 wiederum die Nase vorne, Österreichs Klubs zogen im Schnitt 8.113 an. Allerdings kommt hier den Schweizern zum Teil die Geografie entgegen, ein Beispiel wäre die Distanz St. Gallen nach Genf (3:50 mit dem Zug) gegenüber Wien nach Altach (über sieben Stunden mit dem Zug).
Hinsichtlich Europacup-Erfolge kann sich die Bilanz der Schweiz ebenfalls sehen lassen. Sie ist mit Champions League-Achtelfinale, Europa League-Viertelfinale und dem Halbfinale in der Conference League in den letzten Jahren auf einem relativ ähnlichen Niveau wie Österreich.
Braucht es das eine Land für einen Vergleich?
Am Ende des Tages kommt es immer darauf an, zu welchem Zeitpunkt man auf die Fußballwelt schaut. Gedankenexperiment: Salzburg wäre in die Europa League umgestiegen, Österreich hätte die Türkei gebogen, das Land Steiermark bzw. die Stadt Graz hätten Um-/Neubauten für die Merkur Arena bzw. Hartberg durchgeführt, die Austria hätte es statt Hartberg in die Meistergruppe geschafft, gleichzeitig wäre statt Lustenau die WSG Tirol abgestiegen – wir würden das Fortkommen der Liga schlichtweg anders diskutieren.
Summa summarum ist Österreich eben eine Liga rund um den zehnten Platz, in einem Pulk mit unter einigen Parametern vergleichbaren Ländern, weit weg von den Top5 und mit Respektabstand auf klassische Fußballnationen wie die Niederlande, Portugal oder Belgien.
Als Auszeichnung kann man es ansehen, dass viele vor allem wirtschaftlich schwächere Nationen wie Serbien, Kroatien oder Ungarn im Schnitt hinter Österreich liegen und deutlich größere Nationen wie Polen oder die Türkei auch nicht besser performen.
Österreich entwickelt sich
Fakt ist: Die Liga entwickelt sich, die Wahrscheinlichkeit, bei den aktuell ganz großen Nationen und ihren drei Verfolgern anzudocken, ist aber nicht sonderlich hoch. Die Stadien mausern sich im mitunter schwierigen Doppelpass mit der Politik, schon jetzt ist man eben am Lieblingsvergleichsland Schweiz nah dran.
Man kann nicht immer das Rad neu erfinden, aber man kann schauen, wo man bereits bestehende Ideen verbessern oder einführen kann.
Das sah vor einigen Jahren ja auch noch anders aus. Dimensionen, wie sie die Jupiler League in Belgien erreicht hat – über 100 Millionen Euro TV-Vertrag – wirken aber wie von einem anderen Stern.
Und nicht alles kann über Nacht hergezaubert werden. Die WSG oder Klagenfurt haben riesige, moderne Arenen, aber im Vergleich dazu sehr wenig Fans. Hartberg wird nie ein Heimstadion mit 10.000 Fans füllen. Die Liga kann sich (Mindest-)Standards geben, aber dass innert der nächsten 50 Jahre eine Verdreifachung der TV-Gelder eintritt und plötzlich alle Klubs vor 10.000 bis 20.000 Fans spielen, wird eher nicht eintreten. Da erscheint eine Halbfinalteilnahme bei der Euro 2028 schon realistischer.
Sportlich singuläre Ereignisse werden die Liga aber nicht insgesamt weiterbringen. Schön, dass Sturm Meister wurde. Eine große Wachablöse von Red Bull Salzburg als Benchmark ist aber nicht wahrscheinlich. Griechische Klubs werden nun genauso wenig plötzlich um die Champions League mitspielen, nur weil Olympiakos die Conference League gewonnen hat.
Oder ganz einfach ausgedrückt: Österreich wird nie eine andere Geografie als jetzt haben.
Konkrete Maßnahme
Vielmehr geht es um punktuelle Verbesserungen, um das Niveau der gesamten Liga zu heben. Ein Schritt ist etwa das Verbot von temporären Tribünen. "Man kann nicht immer das Rad neu erfinden, aber man kann schauen, wo man bereits bestehende Ideen verbessern oder einführen kann. Im besten Fall, damit es sportlich bergauf geht", sagt der Bundesliga-Vorstandsvorsitzende Christian Ebenbauer im Zusammenhang mit Vorbildern.
Es gebe von Land zu Land Unterschiede, Teilbereiche sind vorbildlich. "Zum Beispiel Belgien oder Norwegen, wo man das zentrale Ticketing beachten kann", meint Ebenbauer, "oder die Schweizer Liga, die die Auslandsvermarktung über eine OTT-Plattform ins Leben gerufen hat. So etwas schauen wir uns natürlich immer gerne an."
In Dänemark hat man vergangenes Jahr bei der letzten TV-Ausschreibung eine Produktionsgesellschaft mit einem starken Partner gegründet und produziert jetzt in einem Joint-Venture: "Wir tauschen uns dabei über die Vereinigung der European Leagues regelmäßig aus und schauen, wo wir voneinander lernen können."
Step by Step
Früher hat man die Liga nämlich sehr stark umgebaut. Von 16 auf zehn, ein kompliziertes Playoff-System, mit zwei Zwölferligen, Zehnerliga; vom Unterbau ganz zu schweigen. Sieht man sich alles an, ist Österreich mit dem gegenwärtigen Ligensystem beim "Best-of-the-Rest" hinter den großen Ligen und traditionell starken Ländern mit dabei.
Vier Mal gegen denselben Gegner zu kicken, ist auch nicht unbedingt prickelnd. Ob der Sturm-Titel die Liga nachhaltig ausgeglichener macht, wird man erst in ein paar Jahren wissen.
Viele Themen, die Österreich in früheren Jahren von der großen Fußballwelt getrennt haben, bestehen in der Form nicht mehr. Die nationale Spitze zieht Fans an, arbeitet gut, zeigt regelmäßig auf.
Das neue Format etwa hat auf jeden Fall zu mehr Spannung geführt, die Runden 19-22 haben bei kalten Temperaturen früher viel weniger interessiert als das nun der Fall ist. Vier Mal gegen denselben Gegner zu kicken, ist auch nicht unbedingt prickelnd. Dennoch hat es gedauert, bis Serienmeister Salzburg einmal abgefangen wurde, ob der Sturm-Titel die Liga nachhaltig ausgeglichener macht, wird man erst in ein paar Jahren wissen.
Titelserien hemmen nämlich die Entwicklung von Ligen nicht notwendigerweise; das kann ja auch nur bedingt durch die Bundesliga selbst beeinflusst werden. Weniger Spannung oder Fans bedeutet es auch nicht wirklich, siehe die Entwicklung der Fanzahlen.
Für die nächsten 50 Bundesligajahre scheint es wichtig, nicht überhastet zu arbeiten, sondern das, was andere und vergleichbare Länder besser machen, zu analysieren und eventuell zu übernehmen. Dann wird man sehen, ob sich die Bundesliga mittelfristig von den Rängen 9-13 in der Fünfjahreswertung, auf beispielsweise 8-10, vorarbeiten kann.