Ümit Korkmaz ist angekommen. "Ich lebe meinen Traum", sagt der 39-Jährige. Das bezieht sich vor allem auf das Private. Vor wenigen Wochen kam sein Sohn auf die Welt, das zweite Kind nach einer Tochter. Er genießt die Zeit mit seiner Frau in Wien.
Vielleicht wird er einmal Chef der Vereinigung der Fußballer, vielleicht Rapid-Trainer oder gar Coach im Herkunftsland seiner Familie, der Türkei. Darum kann er auch sagen: "Ich träume nicht mehr."
Korkmaz, das war vor der Heim-EURO 2008 ein Fußballheld, er ist ein Vorbild für viele Kids, nicht nur, aber auch aus der migrantischen Community. Das Wissen hat er in der Akademie beim SK Rapid als Co-Trainer weitergegeben und tut das jetzt für die Vereinigung der Fußballer (VdF) sowie als Ostbahn-XI-Trainer, einem Community-Club, wie er es nennt. Ein guter Anlass, sich über diesen Klub, die türkische Fußballcommunity und junge Kicker an sich zu unterhalten.
Ein Blick zurück
2008 war das Jahr von "Ü-ü-ü", wie es durch Hütteldorf gerufen wurde. Der SK Rapid, der ihn ein paar Jahre zuvor im Wiener Unterhaus entdeckt hatte, wurde Meister. Der wieselflinke Dribblanski war einer der Shooting-Stars der Grün-Weißen. Ende Mai debütierte Korkmaz im Nationalteam, lief in allen drei Europameisterschaftsspielen auf und wechselte zu Eintracht Frankfurt.

Im Sommer brach der Mittelfuß, die große Deutschlandkarriere wurde es nicht. Die Adler verliehen ihn nach Bochum, 2011/12 noch ein Anlauf auf höchster Ebene. Es reichte nicht. Korkmaz spielte zweieinhalb Jahre in Ingolstadt in der 2. Bundesliga, ging dann in die Türkei zu Rizespor. Ein Intermezzo beim SKN 2016/17 war mäßig erfolgreich, er spielte danach noch für Mauerwerk, ein Jahr in der Stadtliga für die Vienna und noch für Slovan.
Mit dem Verein gibt es auch Parallelen. 2008 stieg der Klub von der Wiener Liga in die Ostliga auf, hielt sich dort drei Jahre, schaffte 2011/12 noch einen Meistertitel. Dann ging es runter, bis heute in die fünfte Leistungsstufe. Der ehemalige Klub von Herbert Prohaska, der 1946 sogar einmal in der höchsten Spielklasse spielte und vor mehr als 120 Jahren als Betriebsstättenverein ins Leben gerufen wurde, steht heute vor anderen Aufgaben.
Die Community
Die Profikarriere ist nun schon länger vorbei, österreichweit lief Korkmaz 2017 im Mai gegen die SV Ried auf, im Dress des SKN St. Pölten. Danach war Amateurfußball angesagt. Seit April 2024 ist er bei der VdF tätig, im Herbst holte ihn Ostbahn XI. Der Besitzer Murat Safin hatte angerufen und "gefragt, ob ich aushelfen kann. Denn wir haben hier eine große Community und halten zusammen." Mit 'Wir' meint er vor allem die austro-türkische Gemeinschaft. Dass diese sich beim Verein aus der 2. Landesliga trifft, ist unschwer zu erkennen, wenn man sich Funktionäre und Spieler ansieht.
Da spielt einer sechs Spiele bei den Rapid-Amateuren und will in die türkische Liga. Dann gehen sie mit 16, 17 dorthin und rufen dann bei mir an, dass sie zurückwollen.
Auch wenn viele der nachstehenden Worte auch "alle anderen" betreffen würden, träumen viele Austro-Türken bzw. deren Eltern sehr schnell, zu schnell. "Da spielt einer sechs Spiele bei den Rapid-Amateuren und will in die türkische Liga. Dann gehen sie mit 16, 17 dorthin und rufen dann bei mir an, dass sie zurückwollen", erzählt er, "Sie haben eben keine fertige Ausbildung und dann spielen sie dritte oder vierte Leistungsstufe."
"Man muss auch realistisch sein", führt er aus, "Der eine macht in der einen Woche ein Tor und spielt die nächste Woche nicht, da bricht dann die Welt zusammen. Wer in der U15 spielt, hat dann schon einen Manager, jeder Akademie-Kicker weiß dann schnell, was der nächste Schritt sein soll."
Nachwuchsfragen
Aber gerade die Türkei ist verlockend. Es gibt mehr als nur eine große Profiliga, man kommt schnell und ohne große Probleme hin. Die Aussagen, die Korkmaz von sich gibt, kann man auch über andere Nationen treffen, aber die Süper Lig ist noch einmal eine andere Nummer als die bosnischen, serbischen oder nordmazedonischen Pendants. Ein kleiner Zusatz: Diese Kritik lässt er bei Yusuf Demir nicht gelten. Er meint, es hätte wohl jeder so gemacht.

Dennoch gelten seine Gedanken für alle Nachwuchskicker, unabhängig von der Herkunft. Er hatte die "Gier", wollte durch den Gegner "durchlaufen".
Und heute? "Die Ausbildung ist auch bei uns top, in den Akademien noch viel besser. Aber manche sehr talentierte Spieler glauben, es reicht, zwei Zusatzeinheiten zu machen, dann geht es ab in die Kabine, Instagram ist offen und sie verpassen es so, weiter raufzukommen. Ich habe einmal einen trainiert und habe ihm gesagt, er soll im Urlaub Intervallläufe machen – das kam nicht."
Also dann?
Den Spielern fehle es an so gut wie nichts, also liegt es woanders. Das komme oft bei "uns" vor, wie Korkmaz es formuliert: "Das Problem sind die Eltern, sie glauben, dass ihr Junge Fußballer werden muss. Klar, der eigene Junge ist immer der Beste für einen selbst." Der Karriere der Sprösslinge sei es aber nicht förderlich, wenn Väter die Trainer bedrängen. Auch jetzt bei Ostbahn, in der fünften Liga, wird er angerufen und man fragt, warum der Sohn nicht spielt.
Ich habe ja nicht nur ein Jahr bei Rapid gespielt, sondern war 22 und ein gestandener Kicker, bin nicht als Milchbua nach Deutschland gegangen.
Diese Frage stellte sich bei ihm nicht. Sein Stern ging schnell auf, mit einer Akademieausbildung wäre sich vielleicht sogar eine noch größere Karriere ausgegangen: "Bei mir ist das alles so schnell gegangen, dass ich nicht viel denken konnte. Es ist aber kein Wunschkonzert." Heute schauen die Scouts ohnehin schon auch in der 5. Liga vorbei, von einem zu frühen Schritt ins Ausland rät er dennoch ab.
"Ist der Spieler schon gefestigt, wenn er nach Deutschland geholt wird? Ich habe ja nicht nur ein Jahr bei Rapid gespielt, sondern war 22 und ein gestandener Kicker, bin nicht als Milchbua nach Deutschland gegangen." Ein bisschen realistischer Weitblick täte also gut.
Der Co-Trainer als Helfer
Den hat er auch für sich gefunden. Mag sein, dass es für Ostbahn einmal ein, zwei Ligen hinauf geht, ob mit oder ohne ihm als Cheftrainer. Er habe in der Akademie bei Rapid festgestellt, dass er ein guter Co-Trainer ist. "So wie im Fußball, man muss seine Stärken kennen. Der Veli war der viel bessere Trainer, er hat mehr Erfahrung und Wissen", sagt er. Das könne er zwar auch lernen, aber als Co. ist man ohnehin näher an den Spielern dran.
Bis auf Weiteres ist er zufrieden und hebt vor allem dann ab, wenn Spieler Probleme haben oder neu in Österreich sind und sich wenig auskennen. Vielleicht ist da ja auch der eine oder andere Austro-Türke dabei, der bald wieder im Nationalteam spielen wird. Die letzten beiden waren Yusuf Demir und Ercan Kara, das war im Jahr 2021. Ramazan Özcan (ab 2008) stand 2016 zuletzt zwischen den Pfosten, Veli Kavlak 2014 am Feld (ab 2007).
Der Ayran ist weniger geworden, vorbei die Zeiten, als gleichzeitig mit Korkmaz, Kavlak und Özcan noch Yasin Pehlivan (2009-12), Ekrem Dag (2010-11) in die Fußstapfen von Muhammet Akagündüz (2002-07), Cem Atan (2007), Yüksel Saryiar (2005-07) und dem tragisch verstorbenen Volkan Kahraman (2002) geschlüpft waren.
Vielleicht hilft Ümit Korkmaz dem einen oder anderen "Landsmann" ja, es diesen gleich zu tun. Man muss dazu nur ein bisschen weniger träumen, so wie Ü-ü-ümit.