Hätte man Alexander Schriebl vor rund einem Jahr und vier Monaten gesagt, dass er heute hier - im ÖFB-Stammhotel am Wiener Prater - als Teamchef Rede und Antwort stehen würde, hätte er wohl große Augen gemacht. Aber im Fußball geht es eben manchmal schnell und mit dieser Floskel sollte eigentlich auch schon zum Teil erklärt sein, warum der 49-Jährige gerade neben dem Verbands-Sportdirektor Peter Schöttel Platz genommen hat.
"Ein großes Dankeschön an die Spielerinnen, die in der letzten Saison eine unglaubliche Reise mit mir gegangen sind. Wir haben einen Fußball gespielt, der im Frauenfußball nicht selbstverständlich ist", so die erste Botschaft des Teamchefs, gerichtet an seinen bisherigen Verein, den österreichischen Bundesligisten FC Bergheim.
Trainersuche im In- und Ausland
Auf dem Papier bringt Schriebl viel mit, was man sich von einem Teamchef wünschen würde: Eine 17 Saisonen andauernde Spielerkarriere inklusive 200 Erst- und Zweitligaspielen, vielleicht keinen anhaltenden Erfolg, aber zumindest Erfahrung als Trainer. Damit ist er zumindest nicht weniger qualifiziert, als seine Vorgängerin und Vorgänger beim Amtsantritt.
Der Grund für die Entscheidung war die Art und Weise, wie seine Mannschaften Fußball spielen.
Für Schöttel war etwas anderes ausschlaggebend: "Der Grund für die Entscheidung war die Art und Weise, wie seine Mannschaften Fußball spielen. Sie deckt sich mit dem Stil, den wir in den letzten Jahren beim ÖFB eingeführt haben." Auf die Frage eines Medienvertreters, der ihm ebendiese Worte in den Mund legt, entgegnet der Sportdirektor zwar: "Ich habe es jetzt nicht Red-Bull-Fußball genannt, aber...", letztlich kommt seine Neuverpflichtung aber schon von jenem Klub, der ab der nächsten Saison in FC Red Bull Salzburg umbenannt wird.
Schriebls sportliche Idee - frühes Stören, hohe Intensität - passt gut ins Bild: "Die Defensive ist die Basis für alles, das war bei Bergheim auch so. Vor einem Jahr wurden Spiele noch 0:5 verloren ohne groß nachzudenken, wir haben es gemeinsam geschafft, die Spiele enger zu gestalten. Wir wollen offensiv verteidigen, sehr mutig sein."
Wie lief der Prozess hinter der Bestellung generell ab? "In kurzer Zeit die Weichen neu zu stellen, war eine Herausforderung. Ich habe mit Anfang Jänner damit begonnen, mit Leuten zu sprechen, denen ich den Job zutrauen würde." Auch im Ausland habe er sich umgeschaut, meint Schöttel, in der finalen Runde geschafft habe es dann aber niemand.
Positive Reaktionen aus dem Team
Nachdem ein Engagement beim Männer-Regionalligisten Pinzgau-Saalfelden im Oktober 2022 nach einem desaströsen Saisonstart vorzeitig zu Ende gegangen war, entschied sich der Salzburger ein Jahr später für einen Wechsel in den Frauenfußball. Beim Bundesliga-Klub FC Bergheim gelang es ihm, innerhalb kurzer Zeit für Aufschwung zu sorgen. Der sonst eigentlich designierte Abstiegskandidat spielt derzeit die punktereichste der jüngeren Vereinsgeschichte und liegt im Tabellenmittelfeld.
Ob das für eine Teamchefbestellung ausreicht, ist eine Frage, die sich vor allem Schöttel gefallen lassen muss. Dass man mit achtbaren Unentschieden als Underdog gegen heimische Topteams wie St. Pölten, Sturm Graz oder Austria Wien bei etablierten Nationalspielerinnen keine Euphorie entfacht, liegt auf der Hand.
Ich habe von Anfang an gespürt, dass jede Spielerin Feuer und Flamme ist für das, was wir tun.
Laut 'Salzburger Nachrichten' hätten sich zumindest einige Nationalspielerinnen wohl eine renommierte, internationale Lösung gewünscht. Schriebl selbst berichtet von "unglaublich schönen" Gesprächen in den vergangenen Tagen: "Ich habe von Anfang an gespürt, dass jede Spielerin Feuer und Flamme ist für das, was wir tun. Diese Telefonate haben mir persönlich viel Energie gegeben, ich freue mich, alle persönlich beim Lehrgang begrüßen zu dürfen."
Teambuilding als erster Schwerpunkt
Der persönliche Kontakt für Nationaltrainer ist in der Regel limitiert, trotzdem gilt es, auf die gute Teamchemie unter Irene Fuhrmann aufzubauen: "Es geht in erster Linie um Menschen, um Liebe, Wertschätzung, Anerkennung und Zugehörigkeit. Das muss der erste Ansatz sein. Es ist für mich der tollste Job im Frauenfußball in Österreich", meint Schriebl.
Gerade die ersten Wochen müssen gut genützt werden: "Ich springe gerne ins kalte Wasser - am Beckenrand lernt man Schwimmen einfach nicht. Das wichtigste ist, dass wir gute Rahmenbedingungen vorgeben und klar sind in dem, was wir wollen. Ich bin guter Dinge, es geht um die besten Spielerinnen, die wir in Österreich haben, ich glaube, dass sie das gut umsetzen können."
Dank an Ex-Teamchefin Fuhrmann: "Pionierin"
Sportdirektor Schöttel war es sichtlich ein Anliegen, gleich zu Beginn die Amtszeit von Irene Fuhrmann zu würdigen. "Irene war viereinhalb Jahre Teamchefin, in diese Zeit fallen große Erfolge. Sie hat nicht nur als Teamchefin, sondern in diversen Funktionen viel für den ÖFB geleistet, sie ist eine Pionierin im Frauenfußball." Eine weitere Zusammenarbeit in anderer Funktion könne er sich jedenfalls vorstellen.
Fuhrmann wurde die verpatzte Qualifikation für die EM 2025 in der Schweiz zum Verhängnis, der ÖFB unterlag Polen enttäuschend im Play-Off. Auch Schriebl wird sich an Endrunden-Teilnahmen messen lassen müssen, das Quali-Turnier für die WM 2027 in Brasilien wird Anfang November ausgelost und beginnt im Februar 2026.
Keine fixen Ziele, Vertrag mit Option
Die Amtszeit startet mit Ambition: "Die Spielerinnen haben sich in der Vergangenheit erarbeitet, dass es Erwartungen gibt. Es muss der Anspruch von jedem Nationalteam - auch von uns - sein, sich für Großereignisse zu qualifizieren. Es gibt so viele tolle Spielerinnen, die so viel leisten, können. Es ist klar, dass das unser Ziel ist."
Offiziell läuft der Vertrag des neuen Teamchefs bis Ende 2026, falls die WM-Qualifikation erfolgreich bestritten wird, gibt es eine Option auf zwei weitere Jahre. Schöttel verdeutlichte aber sofort, dass er sich auch eine Verlängerung der Zusammenarbeit vorstellen könne, wenn Österreich in der Qualifikation scheitert.
Das Teamchef-Debüt ist für den 21. Februar angesetzt, in der Nations League trifft Österreich auf Schottland, es wird wohl ein vorgezogenes Duell gegen den Abstieg aus Liga A. Vier Tage später wartet Deutschland in Nürnberg - ein Achtungserfolg wäre wichtig, um schnell für Ruhe zu sorgen, bei zwei Niederlagen würden kritischere Stimmen wohl schnell lauter.