Tanke, gut! Die Kicker und ihre Stroh-Tankstellen

Tanke, gut! Die Kicker und ihre Stroh-Tankstellen

Ex-Kicker, Treibstoff-Pionier, Tankstellen-Mogul, Fußball-Mäzen. Wie der längst vergessene Leopold Stroh den Fußball prägte.

"Er hat gesagt: 'Wie schaut’s aus, ich stell dir zwei Tankstellen zur Verfügung.' Ich hab sofort zugesagt", erinnert sich Josef Sara (71) an das Jahr 1983.

"Er" war Leopold Stroh, Mineralöl-Pionier und Tankstellen-Mogul in Österreich, FAC-Legende und Austria-Mäzen. Kaum ein Mann hat über Jahrzehnte hinweg die Floridsdorfer und die Veilchen so intensiv gefördert, und ist völlig in Vergessenheit geraten.

Nicht einmal eine Wikipedia-Seite gibt’s. Immerhin ist er eine Randnotiz auf jener seines Bruders Josef Stroh, auch Stroh I genannt.

Floridsdorfer Fußballer-Familie

Die Familie Stroh aus Floridsdorf hatte den Fußball im Blut, war beim FAC legendär. Josef ihr erfolgreichster Vertreter. Zwei Mitropacup-Triumphe und drei Cupsiege feierte der "Pepi" als kongenialer Einfädler für Matthias Sindelar und Camillo Jerusalem vor dem 2. Weltkrieg. 1949 legte er noch einen Meistertitel nach.

Sepp Herberger setzte auf Pepi Stroh - am Feld und auf der Betreuerbank
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Sepp Herberger setzte auf Pepi Stroh - am Feld und auf der Betreuerbank

Stroh I spielte nicht nur im österreichischen, sondern während des Kriegs auch im deutschen Nationalteam, lief sogar bei der WM 1938 auf.

Eineinhalb Monate nach seinem Auftritt in Sepp Herbergers Team im Pariser Parc des Princes stand Pepi Stroh wieder in Floridsdorf, um gegenüber des Schlingerhofs eine Tankstelle zu eröffnen.

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"Automobilisten, die am Fußballsport interessiert sind, besonders Anhänger der Austria, wissen also, wo sie in Zukunft zu tanken haben", schrieb die "Kronen Zeitung".

Jahre in Schweden

Doch so richtig warm wurde der "Pepi" mit dem Tankstellen-Geschäft nicht, der Fußball ließ ihn auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere nicht los. Stroh I lebte 17 Jahre lang in Schweden, war 1956 sogar schwedischer Teamchef, trainierte unter anderem aber auch Malmö und Göteborg. In Norwegen stand er bei Brann Bergen an der Seitenlinie, in Deutschland bei Hannover 96.

Und Herberger verpflichtete ihn bei der WM 1958 in Schweden sogar dazu, Teil des DFB-Betreuerteams zu werden. Stroh saß mit auf der Bank, als die Deutschen ihren WM-Titel erfolglos zu verteidigen versuchten.

Der Poldi baut sein Tankstellen-Netz auf

Bruder Leopold, auch als Stroh III bekannt, kam fußballerisch nicht so weit, aber immerhin auch vom FAC zur Austria, wo er vor dem Krieg als Seitenhalf und Mittelläufer seine beste Zeit erlebte.

Doch als Geschäftsmann war er talentierter als sein Bruder. Der "Poldi" war 1950 erst knapp über 30 Jahre alt, als er bereits mehrere Tankstellen besaß, unter anderem in Strebersdorf, Jedlersdorf und Atzenbruck.

Leopold Stroh, 1954 als FAK-Funktionär in der "Weltpresse"
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Leopold Stroh, 1954 als FAK-Funktionär in der "Weltpresse"

Auch seine Funktionärs-Karriere hatte er zu diesem Zeitpunkt schon vorangetrieben. Im August 1949 legte er sein Amt als Jugendleiter der Austria aufgrund beruflicher Überlastung zurück, nahm aber gleichzeitig die Wahl zum Obmann des Staatsligajugendausschusses an. Später war er auch im ÖFB tätig.

Die Stars der Austria zu dieser Zeit: Ernst Stojaspal, Lukas "Harry" Aurednik, Ernst Melchior und vor allem Ernst Ocwirk. Der "Ossi" galt zu diesem Zeitpunkt als einer der besten Fußballer der Welt. Dass er zur Austria gekommen ist, war Pepi Stroh zu verdanken.

Denn auch Ocwirk kommt aus Floridsdorf, stand schon kurz vor einem Wechsel zu Rapid, als es zu einer schicksalhaften Begegnung kam.

Ocwirk und die schöne Frau

Ocwirk schreibt in seiner Autobiographie "Weltbummler":

Eines Tages treffe ich auf der Straße zufällig einen berühmten Floridsdorfer Fußballer. Ich grüße freundlich und will weitergehen. Da hält mich der Stroh Pepi auf und fragt unvermittelt: "Hast du Lust, zur Austria zu kommen?" Überrascht, gerade von einem meiner großen Vorbilder angesprochen zu werden, antworte ich nur zögernd: "Ich weiß nicht. Ich werde mir das überlegen."

Die Austria ist für mich wie eine schöne Frau. Sie hat mich wohl schon in Träumen betört, ich habe ihr zuweilen auch scheu nachgeblickt, ich hätte aber nie versucht, mit ihr auch nur zu kokettieren. Zu sehr umschwärmt, zu unnahbar erschien sie mir. Die vielen bekannten, ja zum Teil berühmten Kanonen in der Mannschaft der Violetten hatten mich im Glauben bestärkt, daß ich ihnen auf alle Fälle unerwünscht käme. Zumindest dem Namen nach kann sich der doch gerade erst großjährig gewordene Ocwirk nicht etwa zu einem Stroh stellen.

Das war früher. Anfang der 1950er-Jahre ist Ocwirk ein Star, und denkt an Nebenverdienste. Anfang 1952 ist er bei einer Tankstelle Strohs angestellt, im September 1952 übernimmt er dann von seinem Teamkollegen Friedl Joksch die Tankstelle am Kardinal-Rauscher-Platz.

Doch das Glück währt nicht lange, die Tankstelle muss geschlossen werden, weil die Benzindämpfe in ein nahe liegendes Krankenhaus ziehen.

"Gemeinsam mit dem Sektionsleiter der Austria habe ich um eine Tankstelle angesucht. Die Anschaffung kostet eine schöne Stange Geld."

Ernst Ocwirk 1954

Das Thema Ocwirk und seine Tankstelle beschäftigt die Medien in den Folgejahren intensiv. Der Superstar wird von internationalen Top-Klubs umgarnt, vor allem Racing Paris meint es sehr ernst.

Ocwirk will eigentlich in Wien bleiben, also sucht er nach einem lukrativen Nebenerwerb – einer Tankstelle.

Das Theater um die Ocwirk-Tankstelle

Stroh ist zu diesem Zeitpunkt wieder zurück beim FAK, als Sektionsleiter.

"Gemeinsam mit dem Sektionsleiter der Austria habe ich um eine Tankstelle angesucht. Die Anschaffung kostet eine schöne Stange Geld. Einige Gönner, dann Stroh und die Austria wollen mir in dieser Hinsicht behilflich sein, doch muss ich später dieses Darlehen zurückzahlen. Sollte ich diese Tankstelle erhalten, dann bleibe ich unter allen Umständen in Wien. Nur wenn die Existenzgründung scheitern sollte, müsste ich einen Zweijahresvertrag mit einem ausländischen Verein abschließen, damit ich mir so viel Geld sichern könnte, um eine Existenz zu schaffen", sagt Ocwirk in der "Tiroler Tageszeitung".

Erst als sich Ende 1954 der ÖFB einschaltet, wird das Ansuchen erfolgreich beantwortet, die Kosten sind mit 300.000 Schilling nicht gerade unerheblich, erst im August 1955 wird gebaut, im Februar 1956 sind die Gelder aufgebraucht, die Tankstelle nicht fertig.

Der Pepi war nicht unschuldig

Ocwirk hat genug, er wechselt zu Sampdoria Genua, kassiert eine Million Schilling, die Austria eine Spur weniger. Es ist zu diesem Zeitpunkt der zweitteuerste Transfer der italienischen Fußball-Geschichte.

Die Kritik am Vorstand rund um Sektionsleiter Leopold Stroh ist groß, er tritt kurz darauf zurück.

Nicht unschuldig am Transfer war sein Bruder Pepi. Als Sampdoria-Coach Lajos Czeizler nach Schweden gereist war, um ähnliche Kracher wie Gunnar Nordahl, Niels Liedholm und Gunnar Gren zu finden, die zu diesem Zeitpunkt im Milan-Trikot für Furore sorgten, traf er den dort als Trainer tätigen Stroh, der ihm just Ocwirk empfahl.

Es war eine gute Empfehlung, wurde Ocwirk in Genau doch schließlich als "Il Dio", der Gott, verehrt.

Josef Sara beim Interview mit 90minuten
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Josef Sara beim Interview mit 90minuten

Josef Sara lernte damals gerade erst das Laufen. Womöglich haben seine Eltern 1954 aber das "Weltpresse"-Interview mit Leopold Stroh als Austria-Sektionsleiter gelesen. Er sagte: "Es ist mein Bestreben, dass sich die Spieler schon während ihrer Spielerlaufbahn eine berufliche Existenz gründen, um sorgenlos dem Fußballsport nachgehen zu können."

Sara, kleiner Bruder von Robert, hat sich Zeit seines Lebens nie vor Arbeit gescheut. Seine Lehre als KfZ-Mechaniker konnte er nicht abschließen, weil er im letzten Lehrjahr den Sprung in die Kampfmannschaft der Austria geschafft hatte, und sein Arbeitgeber die Fehlzeiten für die Trainings nicht tolerieren wollte.

Ein Hackler

Gearbeitet hat Sara aber trotzdem, nämlich beim Klub-Boss.

"Ich habe in Joschi Walters Firma angeheuert. Wir haben die Neuwägen vom Waggon runtergeholt, das war eine anstrengende Arbeit, du musstest kurbeln, Schienen legen, und so weiter. In der Früh habe ich 50 Autos abgeladen, dann bin ich zum Training gefahren, dann bin ich wieder zurück, habe den Rest gemacht, und dann bin ich zum Nachmittagstraining gefahren", erzählt er.

Elf Jahre lang hat der Vorstopper auf höchstem Niveau gekickt und nebenbei körperliche Arbeit verrichtet.

"Ich habe es gelernt, zu arbeiten. Ich war mir sicher, dass ich alles machen kann. Wenn einer gesagt hätte, steig in den LKW und fahr dorthin, hätte ich das gemacht. Deswegen habe ich mir nie groß Gedanken gemacht", sagt Sara, der 1979 sein einziges Länderspiel bestritten hat.

Die Strohs hatten ein Vermögen, denen haben Ländereien gehört. Angeblich hat der Wert ihrer Tankstellen und Grundstücke fast eine Milliarde Schilling betragen.

Josef Sara

Mehr verdient habe er schon mit dem Fußball. Wenngleich die Prämien vergleichsweise lächerlich anmuten.

"Erste Runde Europacup, 2.000 Schilling (inflationsbereinigt 520 Euro) Antrittsprämie, 3.000 Schilling (780 Euro) fürs Weiterkommen. Für das Double hast du 25.000 Schilling (6.500 Euro) Prämie bekommen", rechnet er vor.

"Das Geld war schon ein Thema, aber du konntest ja nicht weg, das war vor Bosman", sagt der Mann, der mit der Austria fünf Mal Meister und vier Mal Cupsieger wurde, 1978 ins Europacup-Finale einzog und in Summe 330 Pflichtspiele im violetten Trikot in den Beinen hat.

Zwei Brüder, zwei Tankstellen

1982 hatte die Austria keine Verwendung mehr für Sara, gab ihm keinen neuen Vertrag. "Baric wollte mich nach Innsbruck holen, aber der Walter hat so viel Ablöse verlangt, dass aus dem Wechsel nichts wurde", erinnert er sich. Also wurde er nach Neusiedl verliehen.

Ein Jahr später trat Leopold Stroh mit dem eingangs erwähnten Tankstellen-Angebot an ihn heran: "Der Herr Stroh war auch im Vorstand. Ihm hat nicht gefallen, wie mit Fußballern umgegangen wurde, die so lange beim Verein waren."

Gemeinsam mit Bruder Robert betrieb er zunächst zwei Tankstellen. Jene in Wien-Favoriten, in der Muhrengasse 55, wurde nach einem Jahr schon wieder geschlossen, weil eine Genehmigung ausgelaufen war.

Jene in Floridsdorf auf der Leopoldauer Straße 131 betrieb Sara aber 18 Jahre lang.

Die violetten Tankstellen-Pächter
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Die violetten Tankstellen-Pächter

"Wir hatten einen Riesenzulauf. Ich habe meinen Tankwarten immer gesagt, dass sie nicht betrügen sollen. Das hat sich herumgesprochen, die Leute haben sich bei uns sicher gefühlt, es sind viele Frauen gekommen", berichtet er.

Sara selbst war immer da, selbst als er noch aktiv war: "Ich bin um 5 Uhr in der Früh aufgestanden, habe aufgesperrt, alles hergerichtet und dann bis um 16 Uhr gearbeitet. Dann bin ich zum FAC zum Training gegangen. Ich bin jeden Tag in der Tankstelle gestanden. Vor Silvester haben wir immer einen Ausschank gemacht, es gab Brötchen. Da sind die ganzen Austrianer gekommen. Eine schöne Zeit."

Die Saras waren nicht die einzigen, die Stroh-Tankstellen pachten durften.

Parits, Daxbacher und Co.

Thomas Parits hatte ab Februar 1982 eine in Eisenstadt, Erich Obermayer bekam die Ocwirk-Tankstelle – ja, irgendwann wurde sie dann doch noch fertig – auf der Felberstraße und eine in Simmering – zunächst Nähe Schwechat, als diese geschlossen wurde, eine an der Grenze zu Favoriten.

Alfons Dirnberger, Nationalspieler in den 1960er-Jahren, hatte eine Stroh-Tankstelle in Stockerau. Und Karl Daxbacher zwei in Niederösterreich. Eine davon an der Donau, an der auch Motorboote tanken konnten, sie war fast Jahr für Jahr überschwemmt.

Sara selbst erklärt, er habe nicht allzu viel Kontakt zu Leopold Stroh gehabt. "Die Strohs hatten ein Vermögen, denen haben Ländereien gehört. Angeblich hat der Wert ihrer Tankstellen und Grundstücke fast eine Milliarde Schilling betragen. Er hat das nie raushängen lassen, dass er reich ist. Ein bodenständiger Mann und Vollblut-Austrianer", sagt er.

Eine Würdigung

1971 wurde der Funktionär und Mäzen in der Festschrift zum 60. Geburtstag der Wiener Austria gewürdigt:

Komm.-Rat Leopold Stroh, in der Benzinbranche eine bekannte und anerkannte Persönlichkeit, ist einer jener Funktionäre, ohne die ein Verein heutzutage nicht bestehen kann. Dass sein Herz Violett schlägt, ist beim Namen Stroh ja kein Wunder - ein Wunder ist es manchmal, wie sehr es für Violett schlägt. Gibt es doch kaum eine Bitte die Leopold Stroh nicht gewillt ist, für die Austria zu erfüllen, wenn es in seiner Macht steht. Gibt es doch kaum ein Problem, das er nicht gewillt ist, mit seiner Hilfe zu lösen, wenn es nur irgendwie geht.

Das Flair eines Waldmannes lässt ihn zum Heger werden. Auch zum Heger für die Austria, der er immer wieder seine ganze Kraft zur Verfügung stellt. Wenn die Austria diesen Leopold Stroh nicht hätte, müsste sie ihn für sich erfinden - Grund genug, ihm noch viele Jahre inmitten der Austria-Familie zu wünschen.

Ein Jahr später bekam der Herr Kommerzialrat das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

Am 27. August 1985 erlag Leopold Stroh im Alter von nur 69 Jahren einem Herzinfarkt.

Der Austria-Nachwuchs in den 1990er-Jahren in Stroh-Trikots
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Der Austria-Nachwuchs in den 1990er-Jahren in Stroh-Trikots

Auch über seinen Tod hinaus blieb das ikonische Logo seiner Firma mit dem gelben Fußball auf blauem Hintergrund fixer Bestandteil der Fußballszene. Die Stroh-Banden gehörten in den 1990er-Jahren neben jenen von Memphis, Elan, Minolta und Co. zum fixen Inventar jedes Stadions.

Auch der Austria-Nachwuchs lief noch lange mit von Stroh gesponserten Trikots auf.

1987 wurden posthum die Leistungen des Geschäftsmannes in Floridsdorf gewürdigt, als der FAC-Platz in "Leopold Stroh"-Sportanlage umbenannt wurde.

Verkauf an die ÖMV

Zu diesem Zeitpunkt hatte der staatliche ÖIAG-Konzern die Leopold Stroh Tankstellen GesmbH bereits zu 100 Prozent übernommen, es waren 134 Tankstellen. Die Marke wurde noch einige Jahre weitergeführt, Ende 2001 gab es österreichweit immer noch 77 Stroh-Tankstellen, Ende 2006 waren es nur noch sechs.

"Als Stroh gestorben ist, sind die Mätzchen losgegangen. Der Vorstand der Firma wollte mit Gewalt die Tankstelle an die ÖMV verkaufen. Sie haben versucht, uns rauszudrängen", sagt Sara. Als der Vertrag dann auslief, mussten sein Bruder und er die Tankstelle abgeben.

Starthilfe für Rene Benko

Josef Sara ging mit 62 Jahren in Pension, war nach seiner Zeit als Tankstellen-Pächter 18 Jahre lang auf der Donauinsel als Hausbesorger für acht Stiegen bzw. 200 Wohnungen zuständig.

"Mich hat Arbeit nie gestört", sagt er.

Und das Stroh-Vermögen? Etwas davon erbte ein gewisser Karl Kovarik, der mit dem Verkauf der Tankstellen an die ÖMV ein Vermögen verdiente. 25 Millionen Euro davon investierte er 2006 in die später "Signa" genannte Immobilien-Firma eines gewissen Rene Benko.

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VIDEO: Die Top-Transfers von Austria Wien

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