Salzburg-Ultras: Lieber sportliches Niemandsland als Kommerz?
Foto © GEPA

Salzburg-Ultras: Lieber sportliches Niemandsland als Kommerz?

Austria Salzburg steht zum zweiten Mal vor der Rückkehr in den Profifußball, davon war man lange weit entfernt. Wieso haben sich die Fans für ihren Weg entschieden? Und wie will man mit Kommerz in Zukunft umgehen?

Vierzehn Meistertitel seit 2007, neun Cupsiege, viele Sternstunden in internationalen Bewerben: Auch wenn man derzeit zu oft Federn lassen muss, ist Red Bull Salzburg das internationale Aushängeschild des österreichischen Fußballs. Die dahinterstehende Philosophie hat viele Nachahmer im In- und Ausland gefunden, das kann man auch als Kritiker nicht leugnen.

Nüchtern betrachtet geht es im Sport letztlich um Erfolg, als Fan investiert man viel Zeit und Geld - zumindest ein bisschen Freude hätte man schon gerne als Gegenleistung, am besten regelmäßig. Warum also - wenn man den erfolgreichsten Klub des Landes vor der Haustüre hat - hält man seit über 20 Jahren einem Verein die Treue, der in dieser Zeit großteils nur entfernt mit professionellem Fußball zu tun hatte?

90minuten hat diese Frage im Rahmen des Themenschwerpunkts "Investoren" gestellt.

Bruch in der Vereinsgeschichte

Der Autor dieser Zeilen ist zu jung, um die erfolgreichen Zeiten des SV Austria Salzburg aktiv miterlebt zu haben. Auch der persönliche Bezug fehlt, das erklärt die unbedarfte Herangehensweise an dieses Thema.

Mit dem Einstieg von Red Bull sind Farben und Identität verloren gegangen, das versteht man auch als Außenstehender. Andererseits sind einige Spieler - darunter Vereinslegenden - auch unter neuer Führung geblieben oder "heimgekehrt": Thomas Winklhofer, Richard Kitzbichler, René Aufhauser, Adi Hütter. Mit Blick auf die eigenen Idole kam der ein oder andere Fan vielleicht ins Grübeln, wie viel man gerade verliert oder aufgibt, was am Ende dabei herausschaut.

Die Entscheidung war: Ein seelenloses Konstrukt in der Bundesliga oder dein geliebter Verein muss eben ganz unten neu beginnen.

Roland Karner (Union Ultrà)

Das Thema gut einordnen kann die Fangruppe "Union ’99 Ultrà Salzburg", gegründet vor über 25 Jahren, seitdem ist ja viel passiert. War es für sie und ihre Mitglieder eine Entscheidung zwischen sportlichem Niemandsland und Kommerz? "Nach der Übernahme wurde unser Verein ausgelöscht. Demzufolge gab es eigentlich die Entscheidung in dieser Form nicht. Eher war es: Ein seelenloses Konstrukt in der Bundesliga oder dein geliebter Verein muss eben ganz unten neu beginnen", ordnet Roland Karner gegenüber 90minuten ein.

"Wir haben uns also nicht für das sportliche Niemandsland entschieden, sondern es war unausweichlich. Darüber hinaus war das Ziel, dass die Austria wieder in die höchsten Ligen rauf muss, von Anfang an klar formuliert."

Unterschiedliche Motivationen

Um diesen Weg wirklich mitzugehen braucht es Optimismus und viel Ausdauer, gerade wenn man Titel und internationale Auswärtsfahrten miterlebt hat und sich plötzlich im tiefsten Unterhaus wiederfindet. Dass das sportliche Abschneiden eine zentrale Rolle spielt, sieht man auch bei Union Ultrà nicht anders. "Wir wollen unsere Austria zu jeder Zeit und überall bestmöglich unterstützen. Die Liga setzt diesem Zweck einerseits zwar keine Grenzen, aber ist gleichzeitig natürlich nicht unwesentlich, weil wir unseren Verein ja unterstützen, weil wir ihn möglichst erfolgreich sehen möchten."

Warum viele lange dabeigeblieben oder neu zur Gruppe gestoßen sind, hat verschiedene Gründe. "Bei meiner Generation waren insbesondere die goldenen Jahre in den 90ern mit drei Meistertiteln und den Erfolgen in UEFA Cup und Champions League ein großer Faktor."

Zwischen den größten Erfolgen und der Übernahme bzw. Neugründung liegen nur rund 10 Jahre
Foto © GEPA
Zwischen den größten Erfolgen und der Übernahme bzw. Neugründung liegen nur rund 10 Jahre

"Bei jüngeren Leuten ist die Faszination wiederum eher aus der Tradition und dem, was unsere Austria und unsere Kurve aktuell verkörpern, entstanden", meint Karner.

"Ich denke, die Zugänge sind da vielfältig. Für viele ist es der Heimatverein, sie wurden mit der Zeit an die Austria gebunden und identifizieren sich mit ihr." Dass viele Fans abseits der Kurve der Übernahme und all ihren Folgen damals weniger ablehnend gegenüberstanden, ist aber auch Teil der Geschichte.

Zukunft ohne Kommerz im Profifußball

Inzwischen klopft die Austria wieder am Tor zum Profifußball, nach mehreren erfolglosen Versuchen über die letzten Jahre gilt es, ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Imst in der Regionalliga West für sich zu entscheiden. Ob sich die Austria, die nach einem Zweitliga-Aufstieg im Jahr 2015 rasch wieder in finanzielle Probleme schlitterte, auf Dauer dem Kommerz verweigern kann, ist fraglich.

"Ich denke, wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Neben einer allgemeinen Sensibilisierung hinsichtlich der Risikobereitschaft die Finanzen betreffend haben wir beispielsweise ein Kontrollgremium etabliert, welches die Arbeit des Vorstandes kontrolliert. Bezüglich Kommerzialisierung hat unser Vorstand, glaube ich, das nötige Fingerspitzengefühl", meint Karner.

Klare Grenzen

"Es gibt, denke ich, genug Möglichkeiten einen Verein vernünftig zu finanzieren, ohne seine Seele zu verkaufen. Die Unsitte, dass sich auch bei unserem Verein früher Sponsoren in den Vereinsnamen gedrängt haben, war beispielsweise monetär niemals der große Wurf, sondern ein relativ kleiner Teil des gesamten Sponsoring-Paketes. Das hätte man also auch in der Vergangenheit nicht notwendig gehabt."

Karner zieht seine persönliche Grenze am Übergang zwischen Sponsoren, die sich platzieren wollen und Akteuren, die sich im Gegenzug ein Mitspracherecht erwarten. Wie der 90minuten-Themenschwerpunkt zeigt, sind die Grenzen oft fließend. Austria Salzburg, so der Wiederaufstieg in die 2. Liga gelingt, wird sich wie viele andere Klubs schwierige Fragen stellen müssen und hoffentlich nicht erneut daran zerbrechen.



Kommentare