‚Dann müssen wir absteigen'
‚SV Ried'. Wie aus der Pistole geschossen antworteten jahrelang viele Klub-Funktionäre auf die Vorbild-Frage für kleinere Klubs. Und jetzt? DAS Cup-Team der letzten Jahre eben dort ausgeschieden, in der Meisterschaft am letzten Platz. Eine Reportage von G
„Wir waren mit Adi Hütter schon einig, das weiß eh jeder", sagt Stefan Reiter, Manager der SV Ried. Dann würde der FC Red Bull Salzburg heute vielleicht unter Peter Zeidler mit Co-Trainer Oliver Glasner in der Champions League spielen und in der Liga von der Chaospressing-Maschinerie SV Ried unter Adi Hütter gejagt. Es kam anders: Mit nur sechs Punkten aus neun Spielen hängt die rote Laterne derzeit im Innviertel. Gerade zu einem Zeitpunkt, als Ried am Sprung war und zu den fünf etablierten Vereinen in der Bundesliga gehören sollte. Aber ein Spitzenverein ist eben keiner, der 100 Jahre Tradition hat, sondern einer, der laufend international spielt. „Wir können das nur ab und zu."
Und so hat Salzburgs Morgengabe Oliver Glasner einen schweren Stand und die Fans haben „die Schnauze voll", wie sie nach dem Cup-Aus skandierten. Als ehemaliger Co von Roger Schmidt steht das Rieder Urgestein im Grunde für Progressivität. Jene Fortschrittlichkeit, mit der die „Wikinger" unter Paul Gludovatz und Gerhard Schweitzer im 3-3-3-1 zum Sinnbild für modernen Kick ‚Made in Austria' wurden. Auch wenn es nicht läuft: „Er wurde bewusst genommen, weil wir auch die Entwicklung am Spielersektor betrachtet haben, welche Spieler wir uns holen können. Da wollten wir den passenden Trainer holen, von der Persönlichkeit und der Spielphilosophie her. Die können wir als Verein keinem Trainer aufzwingen." Da passte Hütter, da passt Glasner. Eigentlich. Reiter wirkt trotz allem gelassen. Um das zu verstehen, muss in die Vergangenheit geblickt werden. Denn in Ried Trainer zu sein, ist laut Reiter auch nicht leicht, eventuell schwieriger als bei einem Großklub, denn „die decken Fehler mit Geld zu." Das geht in Ried nicht.
Vor 10 Jahren: Ried neu
„Ried neu hat mit dem Abstieg begonnen, also eigentlich mit dem Aufstieg", blickt der Manager zurück. Heinz Hochhauser kam und es sollten goldene Zeiten anbrechen. Doch der potenzielle Messias kam bekanntlich abhanden, Helmut Kraft wurde 2006/07 Vizemeister, mit den Säulenheiligen Oliver Glasner, Ewald Brenner, Michi Angerschmid und Herwig Drechsel, den Leitwölfen in Abwehr und Mittelfeld. Dazu geniale Kicker wie Ronald Brunmayr, Hamdi Salihi oder spätere Legionäre Namens Hans-Peter und Markus Berger.
„Dann kam der große Schnitt", spingt Reiter ins Frühjahr 2011. Ried war Herbstmeister, gewann unter Paul Gludovatz den Cup. „Wir haben einen massiven Generationsschnitt gemacht. Wir waren erfolgreich, aber alt." Martin Stocklasa ging, Ewald Brenner verließ den Verein, Oliver Glasner verletzte sich schwer. Ried neu war im Umbruch. Es wurde massiv verjüngt. „Nach Gludovatz hatten wir wieder ein schwieriges Jahr, weil Fuchsbichler unsere Philosophie nicht so umsetzen konnte. Dann kam Schweitzer. Michi Angerschmid ist dann auch ein bisschen an der Mannschaft gescheitert, konnte sich nicht so durchsetzen." Trotz des Fehlgriffs zeigt sich Reiter unbeirrbar: „Wir werden von unserer Philosophie nicht abrücken." Der Verein habe sich durchaus entwickelt. Die Mannschaft nicht. Warum? „Es ist ja keiner mehr da. Man kann keine Mannschaft entwickeln, weil von den Cupsiegern außer Gebauer keiner mehr da ist!"
Reiter „kiefelt" an der Mannschaftsentwicklung
Ein großer Punkt neben dem altersbedingten Ausscheiden sind die Abgänge. „Da gibt es jene, die nicht verhindert werden können, weil sie aus dem Vertrag raus gekauft werden", sagt Reiter. Nach dem Cupsieg gingen um gutes Geld Daniel Royer, Samuel Radlinger (beide Hannover), Thomas Schrammel (SCR) und Florain Mader (FAK). Robert Zulj folgte 2013/14 dem Ruf aus Salzburg. Mit anderen Kickern wurde kein Geld gemacht – Beispiele sind Anel Hadzic oder Rene Gartler. Andere entwickelten sich erst später weiter, Beispiel Philipp Huspek. Oder kamen in Ried nicht weiter. Es macht Reiter dennoch stolz, dass sich Spieler in Ried gut entwickeln. „Wenn ich aber nur 50 Prozent der Spieler halten hätte können, dann könnten wir über eine Entwicklung der Mannschaft reden", stellt der Manager klar. Und er „kiefelt daran", wie er es ausdrückt. Aber im Gegensatz zu anderen grüngewandeten Vereinen wird das nicht in den Vordergrund gestellt, obwohl „wir mit dem Rücken zur Wand stehen".
Wirtschaftlichkeit steht im Vordergrund
Die Rieder konnten sich nur in der Bundesliga behaupten, weil die oben genannten Transfers getätigt wurden: „Um das Niveau zu halten, brauchen wir 500.000 bis 700.000 Euro Zusatzeinnahmen pro Jahr" Sicherlich hätte der eine oder andere Spieler gehalten werden können, freilich unter Einsatz von mehr Geld für den jeweiligen Kicker. Doch nur einem mehr Geld geben, das geht in Ried nicht. Das würde einen Rattenschwanz nach sich ziehen. Kriegt einer mehr, wollen alle mehr. Aus einem zunächst kleinen finanziellen Mehraufwand wird ein handfester Budgetbrocken.
„Die Entwicklung des Vereins ist aber sehr positiv", darauf besteht der Manager. Dazu benötigte es aber auch die Hilfe von der öffentlichen Hand sowie ein Konzept. Dieses basiert auf jungen Österreichern und vor allem auf einer konkurrenzfähigen Infrastruktur. Nach dem Neubau des Stadions wurde zuletzt viel in Trainingsplätze und Akademie investiert. In die Nachwuchsabteilung „haben wir die letzten zehn Jahre nur investiert. Das kostet wahnsinnig viel Geld." Ganz entscheidend ist, eben die Transfererlöse sowie Geld aus den internationalen Auftritten dorthin umzuleiten: „Was andere Vereine in die Mannschaft stecken, haben wir ins Stadion investiert. Da gibt es nicht viele Vereine in Österreich, die das so machen." Das führt dann auch dazu, dass durch solche Maßnahmen der sportliche Erfolg auch einmal leidet.
Blick in die Zukunft
Insgesamt passt irgendwie dennoch alles. Reiter: „Wir haben um die 120 Sponsoren. Im Innviertel sehen diese nicht nur die Werbeleistung, sondern es ist auch fürs Gemüt der Innviertler wichtig, einen Verein zu haben, auf den alle stolz sein können. Wären wir nicht da, würde etwas abgehen." Nach zwei Jahrzehnten im Profifußball gehört die SV auch ein Stück weit zur Identität des Innviertels.
Und welche Fehler wurden gemacht? „Viele", lacht Stefan Reiter und fügt augenzwinkernd an, dass „man die alle vergisst." Aber Fehler passieren, sollen aber nicht noch einmal geschehen. Es bringe nichts, immer nur nach hinten zu schauen. Nach vorne schauen, das macht er gerne. Gegenwärtig heißt das, auf weniger verletzte Spieler zu hoffen und den Weg kontinuierlich weiter zu gehen. Schließlich sei alles möglich und – ganz Fußballphrase – abgerechnet werde am Schluss. Demzufolge sei es auch unerheblich, ob man nach neun Runden Zehnter oder Zweiter sei. Und dennoch könnte es für Glasner demnächst sehr eng werden, auch in Ried zählen irgendwann die erbrachten Ergebnisse.
In einem Zeitraum von fünf Jahren möchte man zwei Mal international dabei sein. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch ein achter Platz toll sei. „Dann ist man achtbester Verein Österreichs. In anderen Ligen ist das eine Spitzenplatzierung." Hier sei man „nur Achter, das ist nicht ok." Der Verein möchte jedoch, so lange Reiter fürs Sportliche verantwortlich ist, „keine Schulden machen. Ich lass mir von niemandem vorwerfen, dass ich super erfolgreich bin, aber einen Haufen Schulden gemacht habe. Wenn ich sehe, dass es nicht geht, dann sage ich das öffentlich und vor dem Vorstand. Dann müssen wir absteigen. Wenn wir uns Bundesligafußball nicht leisten können, müssen wir dazu stehen."