Marko Arnautovic: Der Unbelehrbare
Mit einer nächtlichen Autofahrt sorgte Marko Arnautovic jüngst wieder einmal für Wirbel. Werder Bremen, sein Arbeitgeber, suspendierte ihn und wird ihn im Sommer wahrscheinlich verkaufen. Ein neuer Klub ist Arnautovic' letzte Chance. Von Tim Röhn
Thomas Eichin hatte bis zu jenem Morgen des 26. April nur in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen gesehen, dass Marko Arnautovic ein schwieriger Typ sein soll. Er, der seit Mitte Februar als Geschäftsführer Sport bei Werder Bremen im Amt ist, hatte selbst bis dato keine Probleme mit dem dem Österreicher. Monatelang hatte Arnautovic dem Boulevard keine Schlagzeilen geliefert. Ob er überhaupt noch ein „Skandal-Profi" sei, ein „enfant terrible", wie er genannt wurde, fragten sich viele. Das sollte sich ändern, nachdem die Polizei die Medien darüber informiert hatte, dass ihnen Arnautovic und sein Kompagnon Eljero Elia in der Nacht zuvor um 3.17 Uhr auf der Autobahn 1 ins Netz gegangen war. Weil sie mit ihren beiden Luxuskarossen – einem Porsche und einem Bentley – angeblich zu viel Gas gaben. Dann sollen sie auch noch aggressiv gewesen sein.
< blockquote> Das waren schwerwiegende Vorwürfe, vor allem vor dem Hintergrund, dass tags darauf das Bundesliga-Spiel bei Bayer Leverkusen anstand. Eichin bestellte Arnautovic und den Niederländer Elia zum Rapport, er hörte sich nacheinander die Versionen der beiden Spieler an, die anders klangen als die der Beamten. Es ist nicht überliefert, wem Werders neuer Boss mehr Glauben schenkte. Sicher ist, dass er zum Handeln gezwungen war. Angesichts der bedrohlichen sportlichen Lage – der Klub befand und befindet sich bis heute in Abstiegsgefahr - musste er Konsequenzen ziehen. Er suspendierte das Duo für das Duell mit Leverkusen, ein paar Tage später verkündete der Verein: Der Rauswurf gilt bis zum Ende der laufenden Saison. Arnautovic hat in der Folge imposante Verteidigungsgeschütze aufgefahren. Sein Bruder und Berater Danijel holte in der „Welt" zum Gegenschlag gegen Polizei und Klub aus, er selbst ließ sich in nachdenklicher Pose fotografieren und postete das Bild samt Stellungnahme („Sicher polarisiere ich, aber das werde ich wohl immer aber lasst mich einfach meinen Job machen") auf seiner Facebook-Seite. Es mutete staatsmännisch an. Und dann war da noch ein Interview mit dem Magazin „News", in dem Arnautovic ebenfalls erklärte, alles sei ganz anders gewesen. Dass es angesichts der brisanten Lage bei Werder und seiner Vorgeschichte eine gute Idee gewesen wäre, kurz vor dem Leverkusen-Spiel zeitig ins Bett zu gehen oder den Abend und die Nacht zumindest im heimischen Wohnzimmer zu verbringen, sagte er nicht. Neben der Tatsache, dass dem 24-Jährigen offenbar die Fähigkeit, ernsthaft Selbstkritik zu üben, fehlt, brachte das Interview noch etwas anderes zu Tage: dass Marko Arnautovic an einer falschen Selbsteinschätzung leidet, und dass wahrscheinlich auch daher einige Probleme rühren. Der Offensiv-Allrounder sagte: „Schauen Sie sich den Mario Balotelli an - der hat das schlimmste Image von allen und spielt trotzdem nur bei Top-Klubs. Weil seine Trainer eben nur auf seine spielerischen Qualitäten schauen." Arnautovic verkennt, dass seine spielerischen Qualitäten weitaus kleiner sind als die des Italieners, zumindest ist es dem Österreicher bislang nicht gelungen, das Gegenteil zu beweisen. Es stimmt: Balotelli hat ein Feuerwerk im Badezimmer seiner Villa entfacht, er hat Dartpfeile auf Jugendspieler geworfen und in einem Jahr Strafzettel in Höhe von 60000 Euro gesammelt. Auf der anderen Seite ruft er aber auch Weltklasse-Leistungen ab, während das Bremer Sorgenkind nicht einmal in dieser unterirdischen Werder-Saison zu den herausragenden Spielern seiner Mannschaft gehörte. Arnautovic' Problem ist, dass er sich ständig als verkanntes Genie sieht. Der Zeit, in der er durch die Fußball-Käfige in Wien-Floridsdorf fegte, sämtliche Gegner aus dem Weg räumte und sich für einen der Größten hielt, scheint er noch nicht vollends entwachsen zu sein. Arnautovic sieht sich als Opfer. Vor allem als Opfer der Medien, die – da liegt der Spieler richtig – jede noch so kleine Verfehlung zu einer großen Eskapade aufbauschen. So schaffte es Arnautovic sogar mit Falschparken und seiner angeblich unangemessenen „Kampffrisur" in die Schlagzeilen. Das mag übertrieben sein, aber Arnautovic macht es sich zu einfach, wenn er die Verantwortung für sein mieses Image an andere überträgt. Bislang ist es ihm nicht schlichtweg gelungen, sich dauerhaft professionell zu verhalten – oder dauerhaft einen sehr guten Fußball zu spielen. < blockquote> Mit seiner nächtlichen Autofahrt hat Arnautovic sogar seine eigenen Teamkollegen zum ersten Mal so sehr gegen sich aufgebracht, dass sie öffentlich Kritik an seiner Einstellung äußerten. Vielen von ihnen hatte es schon in Arnautovic' erster Saison bei Werder nicht gefallen, dass der Neue auf dem Trainingsplatz ständig Mätzchen aufführte und nach den Einheiten hin und wieder als erstes nicht mit ihnen in die Kabine ging, sondern auf den Parkplatz zu seinem aufgemotzten Porsche Panamera lief, in dem seine Freunde ihre Coolness zur Schau stellten. Damals dachte das Gros der Mitspieler wie José Mourinho, der während der gemeinsamen Zeit bei Inter Mailand sagte, Arnautovic sei „ein Kind im Körper eines Mannes". Sie nahmen den Witzbold nicht ernst, und die Schlagzeilen waren ihnen egal. Nun aber sind sie direkt betroffen, durch den jüngsten Wirbel wird Werders Konzentration im Abstiegskampf gestört. Die Konsequenz daraus dürfte sein, dass die Tage von Marko Arnautovic an der Weser gezählt sind, selbst wenn sich Manager Eichin gegenüber 90minuten.at zurückhaltend äußerte. Nach dem Saisonende werde man weitersehen, sagte Eichin über die Zukunft von Arnautovic und Elia: „Sie haben ja beide noch einen weiterführenden Vertrag. Jetzt kümmern wir uns um unser nächstes Spiel, alles andere ist nicht wichtig." Dass Arnautovic die Vorwürfe, die ihm von der Polizei gemacht werden, aufs Schärfste zurückweist, wollte Eichin auf Anfrage nicht kommentieren. Der Werder-Boss wird versuchen, den Österreicher, der einen Vertrag bis 2014 besitzt, im Sommer zu verkaufen. Es wird nicht einfach werden, einen guten Erlös zu erzielen, die Interessenten wissen, dass es sich um einen Notverkauf handelt. Und doch gibt es keine Alternative, das Projekt Arnautovic ist in Bremen gescheitert. Es ist auch eine Niederlage für Trainer Thomas Schaaf, dem es nicht gelungen ist, seinen Schützling umzuerziehen. Dabei war allen Beteiligten klar, dass der Klub mit der Verpflichtung Arnautovic' ein Risiko eingeht. Dass neben der sportlichen Arbeit auch ein wenig Sozialarbeit geleistet werden muss. Für den Nationalspieler ist ein Abschied aus Bremen auch eine Chance. Arnautovic hat die Möglichkeit, noch einmal neu anzufangen und seinen Kritikern zu zeigen, dass sie falsch lagen. Dass er doch kein Problem-Profi ist und sehr wohl so gut kicken kann wie Mario Balotelli. Dann würden auch die Medien, die die Wurzel allen Übels darstellen, zum Schweigen gebracht werden.