"Wo ist der Hügel für die Medizinballübungen?", frage ich FAC-Trainer Mitja Mörec halbernst. Er lacht. So einen Hügel hat der legendäre Trainer Felix Magath seine Spieler rauf laufen lassen, mit dem schweren Turngerät. Aber drei deutsche Meistertitel sind nicht nichts.
Einen Meistertitel aus dem Jahre 1918 haben die Floridsdorfer, dafür haben sie keinen Hügel und geben die Möglichkeit, dass 90minuten mittrainieren kann. Die Spieler fragen dann auch, warum ich das mache. Die Antwort gefällt ihnen: Weil eben jeder denkt, er kann das auch.
Start in Vereinsmontur
Profifußball ist nicht immer glamourös, vor allem weit weg von den Klubs wie Bayern, mit denen Magath Meister wurde. Mörec und seine Co-Trainer, unter anderem Mario Sonnleitner, haben ihr Büro in einem Container neben der Tribüne. In einem weiteren Container neben der Cornerfahne ist der Fitnessraum.
"Wir haben eine gemütliche Einheit, gestern und vorgestern war es anstrengender. Du bist fix eingeplant und machst wie alle anderen mit", gibt Mörec an seinem Schreibtisch sitzend Auskunft.
Athletiktrainer Florian Koppensteiner sitzt ebenfalls da. Fitness ist eigentlich das Einzige, was ich in die Waagschale werfen kann und will wissen, wie schnell die "Burschen" laufen. 2023 bin ich den Vienna-City-Halbmarathon in 1:42 Stunden gelaufen, also ein Kilometerschnitt unter fünf Minuten. Die Betreuer nicken anerkennend, wobei ich nicht weiß, ob sie jetzt denken, dass ich ein Angeber bin oder sie die Zeit wirklich gut finden.
Zwar bin ich derselbe Jahrgang wie Luka Modrić, Cristiano Ronaldo oder Andi Ulmer, aber jeder weiß: Da zwickt schon einmal was. Oder eigentlich: immer.
Luka Modrić, Cristiano Ronaldo, Andi Ulmer
Der Zeugwart übergibt mir Trainingskleidung des FAC, ich hätte natürlich auch was mitgehabt, unter anderem Thermounterwäsche. Es ist immerhin Winter und was beim Skitourengehen warm hält, wird auch am Fußballplatz reichen. Gebraucht hätte ich sie aber nicht.
Aber die Dehnübungen, die die Spieler am Boden vor den Kabinen unter der Haupt- und einzigen voll verbauten Tribüne des Fußballplatzes machen. Zwar bin ich derselbe Jahrgang wie Luka Modrić, Cristiano Ronaldo oder Andi Ulmer, aber jeder weiß: Da zwickt schon einmal was. Oder eigentlich: immer irgendwas. In meinem Fall aktuell das rechte Knie, was später noch wichtig wird. Oder eine Ausrede.
Kabinengeflüster
Der FAC ist bekanntlich nach einigen guten Saisonen dieses Jahr schlecht reingestartet, außer mir sind auch noch eine paar Testspieler da, um die zweite Saisonhälfte zu verbessern. Mit einem komme ich ins Gespräch. Er will wissen: "Und, hast schon einmal gekickt?" Darauf kann ich außer Schülerliga und den einen oder anderen Hobbykick auf maximal Halbfeld nichts entgegnen.
Immerhin: In der Jugend hab ich Leichtathletik gemacht, irgendwo gibt es eine Silbermedaille über 4x100 Meter im Nachwuchs aus dem Jahre Schnee. Dadurch weiß ich aber schon, wie Trainings grundsätzlich ablaufen. Ich frage ihn retour: "Ich wollte die Story schon immer machen und ärgere mich, dass es jetzt saukalt ist. Was ist dir angenehmer? Winter- oder Sommervorbereitung?"
Die Tendenz geht aufgrund eines immer heißer werdenden Sommers zur Wintervorbereitung. Das steht aber auch noch auf meiner journalistischen Bucket-List. Noch.
Aufwärmen, abklatschen
Hier ist übrigens noch einiges traditionell. Die Jüngsten müssen die Bälle und die Wasserflaschen tragen. Oder dass Trainingsgäste oder Neuzugänge nach der Begrüßung durch ein Spalier der Kicker laufen müssen und "abschlagen". Irgendwie treffen die Jungs aber nicht meine Hände, sondern meinen Rücken. Macht nichts, etwas dumme-Buben-Gehabe darf sein und wir Journalisten sind ja auch nicht immer zimperlich.
Apropos: Beim individuellen Aufwärmen jogge ich neben zwei Routiniers und wieder kommt die Frage nach den Fußballerfahrungen. Sie sind verwundert, ich entgegne einen meiner Standardsätze: "Innenpolitikjournalisten müssen ja auch nicht Kanzler gewesen sein." Zustimmung, Bedauern für die Kollegen aus der IPO. Und ich frage mich dann immer, ob Ernst Hausleitner beim Interview mit Lewis Hamilton auch gefragt wird, ob er Formel 1 gefahren ist.
Das Hirn einschalten
Koppensteiner bringt uns in einen Strafraum. Wir werden in zwei Teams eingeteilt und bekommen Nummern, von eins bis elf, ich bin die Nummer sechs. Beide Teams bekommen einen Ball, man wirft ihn sich teamintern zu, während wir da so herumhopsen. Ich bekomme ihn vom Fünfer, gebe ihn an den Siebener weiter. Dann bekommt jedes Team einen zweiten Ball. Alles wird schneller.
Schließlich noch ein Dritter Ball: Der fliegt aber vom Siebener zum Fünfer. Jetzt muss ich denken auch und ich komme gar nicht dazu, die anderen zu beobachten, was sie machen, weil bewegen, zweimal rauf- und einmal runterzählen schwierig ist.
Eh wie andere Sportarten auch
Nun liegen Plastikrechtecke am Boden, dort muss der Ball reingepeppelt werden und es gibt einen Punkt. Außer ein Fuß ist drinnen, dann nicht. Wenigstens nicht denken, denke ich mir, während ich mich freue, hier nicht denken zu müssen.
Zweimal hintereinander kommt der Wechselpass. Renne ich raus, mach’ ich die Mitte zu? Verdammt, sind die schnell! Ah, ein Schuss. Links, rechts, oben, unten, das ist für einen Nicht-Profi hier selbst im Training Stress pur.
Die Burschen sind kompetitiv und haben sichtlich Spaß, richtig zählen tut aber niemand. Zwischendurch wird der Körper vergleichsweise kurz aktiviert, sprich noch einmal gedehnt und gestreckt. Bis hierhin könnte niemand erraten, welchen Sport wir machen. Ich habe nur das Gefühl, dass früher beim Leichtathletiktraining mehr gedehnt wurde. Fußball oder Handball gab es auch dort zum warm werden.
Abwehr gegen Überzahl
Mir fällt auf: Ich habe noch keinen Ball getreten. Das wird sich jetzt ändern. Wieder werden Teams eingeteilt. Die Aufgabe: Abschlüsse in Überzahlsituationen nach Umschaltmomenten. "Sehr spezifisch", schießt mir durch den Kopf, während Mörec die Aufgabe erklärt:
Auf der einen Seite des Feldes spielt sich Team A den Ball gegen Team B in einem kleinen Bereich zu, nach einer gewissen Anzahl an Pässen wird ein Sechser angespielt, der einen "Breitengeber" auf der anderen Seite anspielt, zwei Stürmer und ein 10er laufen auf das Tor zu.
Vor dem werde ich stehen, denn die Angreifer sollen trainieren, hier kann ich wohl wenig kaputt machen. Ich schaue mir das erst einmal an. Und komme dann dran. Zweimal hintereinander kommt der Wechselpass, vier (oder fünf?) Angreifer laufen auf uns zu. Renne ich raus, mach’ ich die Mitte zu? Verdammt, sind die schnell! Ah, ein Schuss.
Rein ins Getümmel, wie ein Angsthase
Links, rechts, oben, unten, das ist für einen Nicht-Profi hier selbst im Training Stress pur. Mag sein, dass sich so mancher Ex-Kicker hier denkt, dass der Sohler halt keine Ahnung hat - was grundsätzlich nicht falsch ist. Aber hier ist einmal nur Training, die Hektik ist im Kopf und es ist nicht einmal meine Position, die trainiert werden soll.
Dennoch werfe ich mich mutig ins Getümmel, in voller Verachtung meines fast 40 Jahre alten Meniskus versuche ich an der Grundlinie einen Angreifer zu stellen; der junge Mann wird vielleicht keinen Halbmarathon durchlaufen wollen (oder können), ist sehr flink. Einmal werfe ich mich in einen Schuss und blocke ihn. Gratulation. Einmal drehe ich mich wie ein Angsthase weg. "Rein in den Schuss, trau dich", ruft Mörec. Das war nicht mein hellster Moment.
Passive Übung
Die Übung ist vorbei, das andauernde Sprinten ist für einen, der ohne Probleme zu jeder Uhrzeit zehn Kilometer laufen kann, auf seltsame Weise anstrengend. Obwohl mein Bewegungstracker meine Vormittagsperformance mäßig anstrengend sieht, muss ich hin und wieder durchkeuchen. Dann geht es weiter.
Es folgt wieder eine Angriffsübung. Wir dürfen nicht wirklich mitfilmen, darum verrate ich auch besser nicht allzuviel – abgesehen davon, dass ich während den Instruktionen nicht genau zugehört habe, weil ich daran denken musste, noch keinen Ball mit dem Fuß gespielt zu haben.
Mein Gegenüber als Wingback erklärt es noch einmal: "Der Ball wird herumgespielt, dann kommt ein hoher nach vorne und wir üben Abschlüsse." Die Verteidigung soll passiv sein, wenn der erste Abschluss absolviert ist, schießen Coach Mörec auf der einen und Co Sonnleitner beim anderen Strafraum Bälle rein. Jetzt bekomme ich endlich einen Ball an den Fuß.
Ich kann ja gar net kicken
Sagen wir einmal so: Es hat schon Wingbacks gegeben, die den Fußball kräftiger nach hinten gespielt haben. Um das Training indes nicht zu stören, schaue ich, was mein Gegenüber macht.
Red' mit unserem Manager, wie viel du uns zahlen musst, um bei uns zu spielen.
Ich werde eine Weile auch nicht angespielt und versuche, eine Abseitslinie herzustellen. Ex-Kicker oder Amateurspieler können das gut einschätzen, aber ich habe noch nicht so oft versucht, eine Linie zu bilden und es ist auch gar nicht so einfach.
Vor allem reißt mich ein Go aus den Gedanken und ich muss mit drei, vier anderen vorsprinten. Ich schneide in den Strafraum rein, ohne Gegenspieler. Den Abschluss macht der Kollege in der Mitte, ich bekomme einen Ball und endlich kann ich richtig draufhauen. Der Ball geht wirklich irgendwo hin, aber schon beim Kick mit Freunden war ich eher dafür zuständig, die Seite auf und ab zu laufen und von zwölf Flanken 14 schlecht reinzubringen.
Abschluss. "Zahl, dass du bei uns spielst"
Dann ist die Einheit auch schon vorbei. Ich bedanke mich für das Vertrauen und befürchte ein bisschen, dass noch eine unsinnige, arachaische Mutprobe oder so ein Blödsinn folgt. Tut es aber nicht. Dafür machen wir noch ein paar Schüsse. Irgendwie traue ich mich nicht, voll draufzuhauen. Das Knie, also das Alter...
Vielleicht treffe ich ja doch noch was, zumindest vom Elferpunkt. Tatsächlich! Einer geht rein. Das wurmt den jungen Goalie. Nochmal. Komplett überheblich und in vollkommener Negierung meiner eigenen Fähigkeiten versuche ich einen Panenkaschlenzer.
Ungelogen: Der war schlecht. Wenigstens musste er einen Schritt zur Seite machen. Dann ist es vorbei, Schlussfazit Mario Sonnleitner: "Red' mit unserem Manager, wie viel du uns zahlen musst, um bei uns zu spielen." Ich warte indes noch, ob Coach Mörec nicht doch einen Unkicker für die rechte Außenbahn braucht. Bevor dort gar niemand ist...