Kein Profivertrag? Am US-College dürfen Österreicher weiterträumen
Foto © Creighton University Athletics Department

Kein Profivertrag? Am US-College dürfen Österreicher weiterträumen

Wer Profi werden will, muss schon in jungen Jahren viel investieren, einen Teil des "normalen" Lebens aufgeben. Klappt es nicht, ist das ein Tiefschlag. Aber von den USA aus schaut man der Realität des geplatzten Traums besser in die Augen:

Wer Mitte Februar im Sportcenter Donaucity war, wird sich vielleicht etwas gewundert haben, warum da so viele doch ein bisschen ältere Herren mit US-amerikanischem Akzent herumgelaufen sind - noch dazu in bunten Farben, mit Fabelwesen im Logo.

Das war kein Ausflug einer US-Delegation aus der nahen UNO-City und auch keine sonstige Klassenfahrt von Fantasy-Fans. Vielmehr waren es die Coaches von einigen der bekanntesten US-Colleges. Angefangen auf höchster Ebene, die drüben NCAA Division 1 heißt, etwa der Virginia Tech oder der Univerity of Alabama Birmingham, bis zu noch etwas kleineren Unis.

Es ist ein sogenannter Showcase, organisiert von "Students Go West". Die Agentur vermittelt Sportstipendien in die USA und diese Veranstaltung testet, ob eines der Colleges ein Stipendium an einen doch-nicht-Bundesliga-Kicker in der Höhe von bis zu 87.000 US-Dollar pro Jahr vergeben wird. Neben den Beinen sollte man es auch im Kopf haben. Das ist aber in den meisten Fällen weniger problematisch.

Ausgeträumt

Die Colleges halten hier generell nach (österreichischen) Kickern Ausschau, denen nach Abschluss der Akademie und Schule (noch?) kein Profivertrag in Europa winkt. Irgendwann einmal galt das auch für Fabio Rumpel, der die Agentur vor sechs Jahren gemeinsam mit einem Partner gründete.

Ich war bei der Admira im Nachwuchs und dann bei den Juniors und habe den Sprung in den Profifußball nicht geschafft. Das war ein Schlag ins Gesicht, für mich ist eine Welt zusammengebrochen.

Fabio Rumpler

"Ich war bei der Admira im Nachwuchs und dann bei den Juniors und habe den Sprung in den Profifußball nicht geschafft", erzählt Fabio Rumpler gegenüber 90minuten. Den verpassten Sprung in den Profifußball bezeichnet Rumpel als "Schlag ins Gesicht, für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Aber irgendwann wird man mit der Realität konfrontiert. Vermutlich war ich zu unkonstant, aber sonst wäre ich nie in die USA gegangen."

Das Unternehmen Sports-Scholarships vermittelte ihn 2015 an die Middle Georgia State University in Macon, Georgia. Das Fußballteam selbst habe viele "Watschn kassiert", er selbst war aber gut, weswegen er an die Creighton Univerity wechselte. Für die "Blue Jays", eines dieser Teams mit buntem Logo und fantasievollem Tier, spielte er in Washington, Cincinnati und Co. - viel größer geht es nicht. Das hätte er bei der Admira wohl nie erlebt und auch bei keinem sonstigen Verein aus der 2. Liga oder den Ligen darunter.

In den USA sei an den Colleges vieles besser, angefangen von "Trainingsmöglichkeiten, der Organisation, den Wegzeiten bis zu Fitnesscentern, Ernährungsberater. Einfach weil American Football und Basketball so viel Kohle reinspielen", erzählt er weiter. "Ich hab erst im Nachhinein gemerkt, wie schön es ist, den Traum Profifußballer zu leben und es ist ein Wahnsinn, dass in Österreich niemand diese Möglichkeiten kennt."

Agenturgründung

2019 gründete er gemeinsam mit Luca Puster die Agentur. Auch der Steirer Puster, im Nachwuchs unter anderem beim GAK und dem DSV Leoben, hatte keine Aussicht auf eine große Bundesliga-Karriere und war selber in Florida für ein Sportstipendium.

In Wien haben die Coaches ein Auge auf mögliche Collegefußballer
Foto © Students Go West
In Wien haben die Coaches ein Auge auf mögliche Collegefußballer

Grundsätzlich gibt es diese Vermittler von Sportstipendien. Eine der größten ist etwa "Scholarbook", wo die Vermittlung etwas über 5.000 Euro kostet. Andere Anbieter, wie "Keystone Sports" oder "Wagner & Woolf", fangen bei 3.500 Euro an. Die Leistungen werden klarerweise auch immer teurer angeboten; und billiger natürlich auch, aber Rumpel und Co. sind schon der Überzeugung, dass es Sinn macht, hier zu investieren, um die richtige Destination zu finden. Insofern gehört man nicht zu den billigsten Anbietern. Und überhaupt: In Österreich war dieses Konzept eher fremd. Also muss man es eben selber machen.

"Luca und ich haben 2019 in der Regionalliga gespielt, als wir die Idee in die Tat umgesetzt haben, hatten also ein gewisses Einkommen und wenig Druck", blickt Rumpler zurück. Das Wachstum kam zuerst durch Mundpropaganda und das Ansprechen von Kollegen. Mittlerweile wird man von Interessierten aktiv angeschrieben, "Students Go West" hat auch Verträge mit Schulen aus dem Raum Wien, um das Modell vorzustellen. Mittlerweile bringt man rund 70 Athlet:innen pro Jahr in die USA, zu 95 Prozent jagen diese dem runden Leder nach.

Was hat man davon?

Die Universitäten bekommen mittels Sportstipendien Fußballer:innen, die fast gut genug waren, in einer europäischen Top15-Liga Profi zu werden. Auch wenn es über dem großen Teich eine gute Sportausbildung gibt, im Fußball kann die neue von der alten Welt dann doch noch etwas lernen. Die Colleges sind im Wettbewerb, gerade der Männerfußball ist in den USA noch ein Bereich, wo man sich einen Namen machen kann, im Unterschied zu den traditionell größten Adressen für College-Football.

Für die Kicker sei eine Rechnung vergegenwärtigt: Die Anzahl derer, die es von der Akademie wirklich in den Profibereich schaffen, ist gering, im niedrigen einstelligen Bereich. "Von den 95 oder 98 Prozent hat dann die Hälfte irgendwann keine Lust mehr, Profi zu werden, der anderen Hälfte fehlt das Können", überschlägt er. "Man muss das so sehen, bzw. hab ich das so gesehen: Ich habe die Erfahrung in der weiten Welt bekommen und quasi ein 'Gehalt' in Form eines Stipendiums von mehreren Zehntausend Dollar."

Man sagt den Spielern ja auch lange nicht, dass es für den Profibereich nicht reicht und wenige gestehen sich das von selbst ein, dass sie nicht gut genug sind.

Fabrio Rumpler

Man könne die Jugend, die man von der Sportmittelschule über die Landesverbandsausbildungszentren bis zu den Akademien dem Sport gewidmet hat, quasi "vergolden", wenn der nicht gerade zimperliche europäische Fußballbetrieb einen mit 18 mit der harten Realität konfrontiert: "Man sagt den Spielern ja auch lange nicht, dass es für den Profibereich nicht reicht und wenige gestehen sich das von selbst ein, dass sie nicht gut genug sind. Viele spielen Nachwuchsnationalteam, dann sieht es von heute auf morgen anders aus und man wird fallen gelassen." Auch wenn es nur durch eine Verletzung ist.

Klartext

Für viele der "Jungs", die Rumpel oder andere Agenturen vermitteln, ist ein derartiges Stipendium wohl auch ein Stück weit Ausweg aus diesem Dilemma, dass die vielen Jahre nicht verschwendet waren. Wenn man dann von "drüben" zurückkehrt, gibt es nebst ein paar Jahren "Profitraum" dann meistens eine gute Basis für den Einstieg ins Berufsleben. Denn, so ehrlich muss man sein, wer es mit 18 hier nicht geschafft hat, wird es auch nach drei Jahren USA nicht schaffen. 

Dieser Punkt bezieht sich ausdrücklich nur auf junge Männer. Denn für Spielerinnen macht es ungleich mehr Sinn. Frauenfußball ist in den USA weitaus riesiger. Linda Mittermair etwa ging jüngst von Sturm Graz via Rumpel zu den Virginia Cavaliers.

Acht bis 15 Monate dauert es übrigens, bis man in die USA gehen kann und schauen kann, wie es ist, diesen geplatzten Traum vom Profi weiterzuleben. Für Rumpler und viele andere hat es sich bislang stark ausgezahlt: "So hab ich drei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen: Sport, Studium, Lebenserfahrung." Vielleicht ist unter den Kickern aus dem Sportcenter Donaucity ja dann doch einer dabei, der nachher doch Profi wird. Weil eines ist gerade in den USA klar: Träumen ist erlaubt.


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