Gesucht: Neue/r Teamchef/in m/w/d
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Gesucht: Neue/r Teamchef/in m/w/d

Der Österreichische Fußballbund sucht eine Person, die die Agenden des Frauen-Nationalteams anleitet. Was soll die oder der Neue können?

Die Zeit drängt: Am 21. Februar trifft Österreichs Frauen-Nationalteam auf Schottland und steht jetzt, Mitte Jänner, ohne Chefbetreuer:in da. Kurz vor Jahreswechsel gaben ÖFB und Irene Fuhrmann das Ende der Zusammenarbeit bekannt. Nach zwei verpassten Endrunden-Qualifikationen ein letztlich logischer Schritt.

Ob dieser ursächlich von Sportdirektor Peter Schöttel ausging oder von Fuhrmann selbst, darüber gehen die Aussagen auseinander. Die Aussendung liest sich nach vor-die-Türe gesetzt, laut 90minuten-Informationen zog sie einen Schlussstrich.

Die Diskussion um die Position hätte kurz sein können. Denn schon kurz zuvor verlautbarte Serienmeister SKN St. Pölten das Ende der Zusammenarbeit mit Liése Brancão nach gut acht Jahren und vielen Erfolgen.

Ein perfect match im Grunde, passiert ist aber noch nichts; nicht ohne Verwunderung in der Szene auszulösen, einerseits, was Brancão betrifft, andererseits, weil das nächste Spiel schon so bald ansteht. 90minuten hat sich umgehört um herauszufinden, wer neue Teamchefin werden kann und was diese Person können muss.

Irene Fuhrmann war zuerst ÖFB-Teamspielerin, dann Betreuerin und schließlich vier Jahre Cheftrainerin
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Irene Fuhrmann war zuerst ÖFB-Teamspielerin, dann Betreuerin und schließlich vier Jahre Cheftrainerin

Nicht nur Fuhrmann schuld

Nahezu alle, mit denen offiziell oder mit Bitte um Anonymität gesprochen wurde, betonen, dass Fuhrmann nicht die allein Schuldige ist. Lisa Makas, Sportchefin von Austria Wien, etwa meint: "Das Ganze an Irene festzumachen, finde ich fehlerhaft und das stimmt nicht. Auch die Mädels müssen sich fragen, ob sie alles gegeben haben. Das wissen wir einfach nicht. Wir sehen am Ende des Tages nur das Spiel."

Wie schon in einem aufsehenerregenden Interview im Herbst verweist sie auf den Umstand, dass das einfach die Logik des Fußballs ist: Der bzw. die Schwächste fliegt. Das ist im Misserfolgsfall der oder die Trainer:in.

Jemand anders verweist auf den Umstand, dass man gewissermaßen verwöhnt war. Die Thalhammer-Elf, die 2017 EM-Bronze erlangte, kickte von U-Teams angefangen fast durchgehend miteinander, verstand sich quasi blind und war genau das: eine Elf.

Diesen Umbruch zu orchestrieren, ist eben nicht leicht und die Breite an Frauen, die kicken und das so professionell, dass sie für das A-Team infrage kommen, stagniert eher, als dass sie anwächst. An die individuelle Qualität von Wenninger, Schnaderbeck, Prohaska oder wie sie alle heißen, kämen die heutigen Kickerinnen nicht ran.

Die Athletik werde hingegen besser, aber die entscheidenden Phasen eines Spiels laufen nicht dort ab, wo mit Bayern-Export Sarah Zadrazil die beste Kickerin spielt.

Ich war überzeugt, dass Brancão noch vor dem 6. Jänner als neue Teamchefin vorgestellt wird.

Philipp Eitzinger

Zeit drängt - oder doch nicht?

Der ÖFB lässt auf Anfrage wissen, dass man suche und sich Sportdirektor Schöttel erst an die Öffentlichkeit wenden würde, wenn es etwas zu verkünden gebe. Ruhe hat er dabei: Eine öffentliche Diskussion, wer den wichtigsten Trainerposten im Frauen-Fußball im aktuell weltweit 18.-besten Land bzw. in Europa gar 11.-besten übernehmen soll, findet nicht statt.

Einer, der sich aber seit vielen Jahren mit dem heimischen Frauen-Fußball befasst und als Journalist durchaus auch Experte ist, ist Philipp Eitzinger von ballverliebt.eu. "Ich war überzeugt, dass Brancão noch vor dem 6. Jänner als neue Teamchefin vorgestellt wird", sagt er. Warum, weshalb und wieso das nicht passiert ist, darüber möchte er nicht spekulieren.

Die Zeit drängt aber, wie eingangs erwähnt. Die Spielerinnen müssen erfahren, wer sie trainiert. Und genau das ist die Frage, die nun gestellt werden soll.

Die Geschlechterfrage und die Herkunft

Der ÖFB mag es gerne, wenn die Trainer und Trainer:innen Deutsch sprechen. Da ist man schnell bei den Deutschen Inka Grings (u.a. Schweiz) und Martina Voss-Tecklenburg (u.a. Deutschland). Eitzinger winkt ab, Voss-Tecklenburg gelte als menschlich nicht ganz so einfache Person, Grings stünde für zu passiven Fußball.

ÖFB-Sportchef Peter Schöttel hat bei den Herren einen Transfercoup gelandet. Schafft er das auch bei den Frauen?
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ÖFB-Sportchef Peter Schöttel hat bei den Herren einen Transfercoup gelandet. Schafft er das auch bei den Frauen?

Kim Kulig, die aktuell das zweite Jahr den FC Basel betreut, würde fußballerisch eher passen. Die beiden letztgenannten würden allerdings Ablöse kosten, fraglich, ob sich der ÖFB das leisten will.

Gegen einen Mann spreche grundsätzlich auch wenig. Er meint, dass man auch einen Oliver Lederer oder Martin Scherb zumindest interimistisch und intern mit der Aufgabe betrauen könnte; etwa, bis sich die Karten nach der verpassten EM 2025 im kommenden Sommer neu mischen.

Die einzige Vorgabe vonseiten der UEFA sei sowieso, dass im Staff eine Frau ist. Und überhaupt, so Eitzinger: "Der Name entscheidet ja nicht. Die Person, die das Traineramt übernimmt, muss langfristig denken können und nicht nur zwei Jahre dahinwurschteln."

Expertise von außen gesucht

"Wir brauchen jemanden, der nicht aus Österreich ist", ist hingegen Ex-Teamspielerin Makas überzeugt und liefert die Begründung mit: "In der Vergangenheit sind die Teamchef:innen aus dem Verband gekommen, haben uns oft von der Jugend an begleitet. Es braucht einen frischen Wind, jemanden, der neutral an die Sache rangeht."

Wir werden nie Deutschland, England oder Frankreich werden. Diese Länder sind viel größer, die Qualität der Liga ist höher. Wir brauchen immer wieder einen guten Plan.

Lisa Makas

Dass Peter Schöttel das am Schirm habe und dabei auch über die Grenzen hinaus blickt, dessen sei sie sich sicher. Er habe "den Ernst der Lage erkannt" und "in Wahrheit muss man offen sein, wer am Markt ist, wer in diese Situation passen kann."

Mit einem Rangnick hätte man auch nicht gerechnet, bis er auf einmal präsentiert wurde.

Ein gutes Stichwort, denn: Welchen Fußball soll man überhaupt spielen lassen? Immerhin ist ebenjener Fußball mit Red Bulls geplanter Übernahme von Bergheim in der Bundesliga angekommen, die Akademie wird nicht unbedingt Positionsspiel-Kickerinnen oder Catenaccio produzieren.

Wie sollen sie kicken?

So weit sei man aber noch nicht, winkt sie ab: "Wir werden nie Deutschland, England oder Frankreich werden. Diese Länder sind viel größer, die Qualität der Liga ist höher. Wir brauchen immer wieder einen guten Plan, auch so wie 2017. Wir haben große Nationen durch Anpressen unter Druck gesetzt. Wenn wir einen klaren Plan haben, haben wir die Qualität."

Eitzinger sieht das etwas anders und denkt, dass es wohl auch Richtung Red Bull gehen wird. Allerdings ist die dortige Ausbildung in erster Linie einmal ein weiteres Angebot, im Herzen Österreichs Frauen-Fußball auf Topniveau zu haben – und nicht nur im Osten und Westen. Aktuell brauche es Lösungen, um Torchancen zu kreieren, zuletzt wurde zu viel improvisiert.

Der Erfolg hängt nicht nur von den Spielerinnen und dem oder der Trainer:in ab, sondern auch von dem Verband
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Der Erfolg hängt nicht nur von den Spielerinnen und dem oder der Trainer:in ab, sondern auch von dem Verband

"Ich muss die Stärken in die Spielidee einbinden", wehrt sich Makas, vielleicht noch, gegen die RB-Idee, "mit extrem schnellen Spielerinnen werde ich über Flügel spielen. Wer nur Tiki-Taka kann, muss nicht am Flügel sprinten." Der oder die Neue müsse schauen, was möglich ist, was die Spielerinnen am besten können. Österreich ist eben nicht mehr nur der Außenseiter, sondern nicht selten Favorit. Das ist schön, macht es aber gegen Polen und Co. schwerer.

Den Verband entwickeln

Und dann wäre da noch das, was über allem steht: die Professionalisierung. Fuhrmann übte durchaus Kritik: "Bisher war es einfach so, dass wir erfolgreich waren und danach Maßnahmen getroffen und investiert haben. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo einmal die klare Entscheidung fallen muss, ob nicht investiert werden muss, damit dann auch wieder Erfolg da ist." Der Verband sei ja bemüht, bestätigen andere gegenüber 90minuten, aber das reiche eben nicht immer.

"Der Frauen-Fußball entwickelt sich sehr schnell, man muss mitgehen, investieren, auch Dinge auf die nächste Ebene heben", stellt Makas klar, "Irene war die einzige Angestellte im A-Team." Ein valider Punkt. Die Entwicklung war vor allem dort schnell, wo das Geld ist und mittlerweile viele Nationalteamkickerinnen: "Es reicht nicht mehr, nur gut zu sein. Die Mädels in den Topligen sind voll austrainiert. Wir sind zwar noch nicht am Ende der Entwicklung, aber voll im Leistungssport."

Allein von der Einstellung her wird Österreich aber den Schritt (zurück) in die Europaspitze nicht schaffen. Dazu, da sind sich alle einig, braucht es auch mehr Professionalisierung, sprich mehr fest angestellte Betreuer:innen. Kurz: Geld. Ansonsten dürfte es egal sein, wer an der Seitenlinie steht.


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