Viele Fans, wenig Tickets und offene Fragen [Exklusiv]
Zehntausende Österreich-Fans sind bei der Verlosung der Tickets für die Euro 2024 leer ausgegangen. Eine letzte Chance bieten teure Fanreisen durch den offiziellen Travelpartner des ÖFB. Und auch die interne Aufteilung der Ticketkontigente wirft Fragen auf. Transparenz gibt es keine, man trifft auf eine Mauer des Schweigens.
Es ist nachvollziehbar, dass es auch für den ÖFB keine leichte Aufgabe ist, mit diesem Kontingent alle Stakeholder zufrieden zu stellen: Sponsoren, Funktionäre, Mitarbeiter:innen, Vertreter der Bundesliga, Landesverbände, Fanclubs, ÖFB-Insider, bis hin zum Ende der „Nahrungskette“, nämlich die „normalen“ Fans.
Es liegt natürlich die Vermutung nahe, dass hier eine gewisse Marktposition ausgenützt wird. Als normales Reisebüro können wir nur die Reise ohne Ticket anbieten. Und das mit der üblichen Marge.
Die Fans haben jetzt die Wahl, ob sie hier ihr Glück versuchen oder doch das sehr sportlich kalkulierte Fanreisen-Angebot der Ruefa annehmen. Oder halt doch lieber frustriert zu Hause bleiben.
++ 90minuten.at exklusiv von Michael Fiala ++
Es hat sich gestern, Donnerstag, wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien verbreitet: Die Uefa hat - wie angekündigt bis Ende Jänner - die Verlosung für die Tickets der Euro 2024 durchgeführt und bekanntgegeben. Abertausende Österreicher:innen haben sich dafür beworben, und es war zu erwarten, dass nur ein kleiner Teil auch an die begehrten Eintrittskarten kommen wird.
Nadel im Heuhaufen
Was sofort aufgefallen ist: Fans, die über eine erfolgreiche Zuteilung gepostet haben, und sich nun über eines oder mehrere ÖFB-Spiele in Düsseldorf oder Berlin freuen können, musste man sprichwörtlich wie die Nadel im Heuhaufen suchen.
Und auch eine 90minuten.at-Recherche hat hier ein deutliches Bild gezeichnet: Von insgesamt 56 Personen, die aus dem direkten 90minuten.at-Umfeld sich für Tickets beworben hatten und der Redaktion persönlich bekannt sind, haben zwei (!) eine positive Rückmeldung bekommen. Alle anderen haben einen wenig erfreulichen Text per Mail erhalten: „Wir haben eine große Anzahl Ticketbewerbungen erhalten, die die Anzahl der für die UEFA EURO 2024™ verfügbaren Tickets bei weitem übersteigt. Entsprechend den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Ticketverkauf der UEFA EURO 2024™ wurden die Tickets unter allen Bewerber/-innen über eine Verlosung vergeben. Leider müssen wir dir mitteilen, dass deine Bewerbung für die UEFA EURO 2024™ bei der Verlosung nicht erfolgreich war.“
Wie lief die Ticketzuteilung durch den ÖFB?
Die Euphorie rund um das Team von Ralf Rangnick ist erfreulicherweise so groß wie selten zuvor, und die Euro direkt vor unserer Haustüre. Hinzu kommt, und auch das ist seit Jahren bekannt, dass selbst bei Spielen wie im Berliner Olympiastadion mit 80.000 Sitzplätzen nur ein relativ kleiner Teil bei den Fans schlussendlich ankommt.
Genau genommen teilt die UEFA für jedes Spiel der Gruppenphase laut eigenen Angaben jedem Verband 11.000 Tickets zu. Es ist nachvollziehbar, dass es auch für den ÖFB keine leichte Aufgabe ist, mit diesem Kontingent alle Stakeholder zufrieden zu stellen: Sponsoren, Funktionäre, Mitarbeiter:innen, Vertreter der Bundesliga, Landesverbände, Fanclubs, ÖFB-Insider, bis hin zum Ende der „Nahrungskette“, nämlich die „normalen“ Fans.
Garantiertes Ticket mit überteuerten Reisen mit dem Sanktus des ÖFB?
Doch 90minuten.at-Recherchen haben ergeben, dass sich ein genauer Blick auf die Ticketzuteilung durch den ÖFB lohnt. Wie 90minuten.at bereits Anfang Jänner berichtet hat, bietet Ruefa „Fanreisepackages zur Europameisterschaft 2024 in Deutschland“ an (>> siehe Artikel hier). Und das zu stolzen und überteuerten Preisen. So kostet etwa eine zweitägige Busreise nach Berlin im 4* Hotel im Einzelzimmer 1.734 Euro, im Doppelzimmer kommt man auf 984 Euro.
90minuten.at befragte dazu drei Marktbegleiter aus der Reisebranche. Alle drei kamen zum gleichen Urteil: Unüblich teure Preise für derartige Angebote. Aber warum sollte man diese Reisen dann überhaupt in Anspruch nehmen? Wie 90minuten.at mit zwei verdeckten Buchungsgesprächen mit Ruefa-Mitarbeiter:innen erfahren hat, werden auch Tickets (zum Selbstkostenpreis) für die Österreich-Spiele versprochen. Sowohl Ruefa als auch ÖFB stellten diese Ticketgarantie gegenüber 90minuten.at jedoch in Abrede, was aber nichts daran ändert, dass diese im Zuge der möglichen Buchung zugesagt wurde. „Solange das Angebot auf der Website online ist, gibt es auch Tickets im Hintergrund. Wir können das auf der Homepage jedoch aus rechtlichen Gründen nicht dazuschreiben, dass wir Ihnen Tickets anbieten“, hieß es damals gegenüber 90minuten.at. Wie der Ruefa-Website heute, Freitag, zu entnehmen ist, sind sämtliche Angebote für alle drei Spiele noch online.
Ein Marktbegleiter sagt dazu gegenüber 90minuten.at: „Es liegt natürlich die Vermutung nahe, dass hier eine gewisse Marktposition ausgenützt wird. Als normales Reisebüro können wir nur die Reise ohne Ticket anbieten. Und das mit der üblichen Marge.“ Will also ein Fan, der bei der Verlosung leer ausgegangen ist, nun doch noch auf den Euro-Zug aufspringen, muss er wohl tief ins Geldbörserl greifen, und eine Fanreise über Ruefa buchen. Laut dem Reiseanbeiter dürften dies schon einige Fans getan haben. „Unsere Fanreisen zu den Spielen in Düsseldorf und Berlin erfreuen sich reger Nachfrage“, erklärt Ruefa-Geschäftsführer Michele Fanton in einer Presseaussendung vom 11. Jänner, und ergänzt: „Jetzt muss die Nationalelf nur noch weiterkommen, dann gibt es von uns noch mehr Deutschland-Angebote.“
Ruefa ist übrigens der offizielle Travelpartner des ÖFB. Nicht beantworten wollte der ÖFB jedoch die Frage, ob der Verband an den über Ruefa verkauften Reisen eine Provision erhält, was durchaus marktüblich wäre. Ziel der Partnerschaft ist es, „hochwertige und verlässliche Angebote zu möglichst günstigen Preisen zu schaffen“, so der Fußballverband. Vielleicht sollte der ÖFB in diesem Zusammenhang für sich noch etwas genauer definieren, was mit „günstig“ gemeint ist.
Mauer des Schweigens
Man stößt bei diesem Thema generell auf eine Mauer des Schweigens. Am 10. Jänner 2024 fragte 90minuten.at bei der UEFA an, ob es erlaubt sei, dass Ruefa und ÖFB mit möglichen Tickets locken. Gibt es hier möglicherweise einen Verstoß gegen die eigenen Uefa-Regularien? Eine Frage, die die UEFA auch nach 16 Tagen trotz mehrmaligen Urgierens bisher nicht beantworten konnte oder wollte.
Die oben erwähnte Vereinbarung zwischen Ruefa und ÖFB steht dabei im Fokus. Wie viele Tickets stehen für diese überteuerten Reisen zur Verfügung? Transparenz gibt es hier keine. „Über eine genaue Aufschlüsselung kann keine Auskunft erteilt werden“, heißt es vom ÖFB gegenüber 90minuten.at. Der ÖFB beteuert zudem: „Es gibt ein internes Kontingent, das generell nicht für einen öffentlichen Verkauf vorgesehen ist, aber keine extra für den Zweck einer Fanreise zurückgehaltenen Kontingente.“ Hier widerspricht sich jedoch der ÖFB selbst: Denn was sonst als ein öffentlicher Verkauf ist eine öffentlich angebotene Reise über Ruefa mit dem Hinweis auf Zusammenarbeit mit dem ÖFB für Euro-Tickets?
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass der ÖFB sehr großzügig bei der Zuteilung der Euro-Tickets für die eigenen Mitarbeiter:innen umgegangen ist. Wie der Verband bereits Anfang Jänner gegenüber 90minuten.at bestätigt hat, konnte jede/r Mitarbeiter:in bis zu 10 (!) Tickets pro Spiel erwerben. Dass man eigene Mitarbeiter:innen hier berücksichtigt ist verständlich, aber warum hier ein Gießkannenprinzip zur Anwendung kommt, werden sich wohl auch viele verärgerte Fans fragen, die aktuell leer ausgehen.
Es war nie zu erwarten, dass ein großer Teil der Fans mit Tickets befriedigt werden kann. Aber wenn so viele Fans bei der Verlosung leer ausgehen, dann zählt natürlich jedes einzelne Ticket, das in den freien Verkauf kommt. Auf einschlägig bekannten Portalen werden bereits viele Matchkarten zu deutlich überteuerten Preisen angeboten. Die Fans haben jetzt die Wahl, ob sie hier ihr Glück versuchen oder doch das sehr sportlich kalkulierte Fanreisen-Angebot der Ruefa annehmen. Oder halt doch lieber frustriert zu Hause bleiben.