Rapid – und jetzt, Frau Hochstöger? [Exklusiv]
Isabel Hochstöger ist beim ÖFB seit rund 20 Jahren für Frauen- und Mädchenfußball zuständig. Dieser scheint auf der Oberfläche zu boomen, nun hat auch Rapid ein Frauenteam. Aber wie sieht es drunter aus?
In manchen Regionen gibt es einen enormen Nachholbedarf, es gibt flächendeckend keine reinen Mädchenmannschaften.
+ + 90miuten.at PLUS - Das Gespräch führte Georg Sohler + +
Der Frauenfußball beim ÖFB war zwischen 1999 und 2010 fest mit Ernst Weber verbunden. Weber legte einige Grundsteine, ehe Dominik Thalhammer 2011 übernahm und den Frauenfußball auf ein neues Niveau hob. Noch unter Weber nahm die ehemalige Kickerin Isabel Hochstöger ihre Arbeit für den Fußballbund auf. In einem Interview 2010 sagte sie: „Ich würde mir wünschen, dass der Frauenfußball in Österreich dieselbe Anerkennung und den Respekt erhält, wie es beispielsweise in Deutschland oder der Schweiz der Fall ist.“ Damals schlug sie einen Pflock ein: Rund 13.000 Mädchen und Frauen kicken in Österreich. 2019 war sie zuletzt bei 90minuten.at als Interviewgast, seitdem ist viel passiert. „International war das sehr ordentlich seit der der Euro 2017“, spielte sie damals auf das Halbfinale unter Thalhammer an. Heute wie damals hält sie aber fest: „Es tut weh zu sehen, dass wir immer noch eine sehr geringe Zahl an aktiven Spielerinnen haben.“
Zahlen? Schwierig
Die Breite braucht auch ihre Vorbilder. Es kann als Faustregel verstanden werden: Je präsenter/erfolgreicher ein:e Sportler:in einer Sportart ist, desto mehr Menschen wollen diesen Sport auch betreiben. Wenn ein Mädchen nun nicht nur Rapidspieler, sondern auch -spielerinnen sieht, interessiert sie sich - und vermutlich viele andere auch - hoffentlich vermehrt für Fußball. Derzeit gingen die Zahlen langsam nach oben. Zwischen den Eingangs erwähnten Zahlen und heute liegen aber auch eine Pandemie und eine Zahlenbereinigung. Das betraf die Herren und die Frauen gleichsam. Heutzutage gehe die lange stagnierende Anzahl an Mädchen und Frauen, die organisiert kicken, „langsam nach oben“, wie Hochstöger heute im Gespräch mit 90minuten.at erklärt. Im Vergleich zu Nationen, mit denen man sich messen wolle, sind „unsere Zahlen in Österreich schwindend gering.“
Die Probleme sind vielschichtig. Das fängt bei der Gesellschaft an. In anderen Ländern gibt es schlichtweg eine andere Einstellung zu Sport. Die Gleichstellung von Mann und Frau ist in skandinavischen Ländern besser. Es gibt ein Stadt-Land-Gefälle, in Ballungsräumen gibt es mehr Möglichkeiten für Frauen und Mädchen. Zwischen Arlberg und Ostösterreich gibt es weniger Vereine. Und, und, und. Mädchen können zwar lange im Nachwuchs mitspielen, aber „irgendwann wird sich natürlich auch körperlicher Natur die Spreu vom Weizen trennen. Es ist dann nicht mehr sinnvoll und lustig für das Mädchen. In manchen Regionen gibt es einen Nachholbedarf, es gibt flächendeckend keine reinen Mädchenmannschaften“, führt sie aus, „Wir haben einige Projekte initiiert, hoffen, dass sich die Sachlage in einigen Jahren deutlich verbessert hat.“ Zahlen gibt sie aktuell keine heraus.
„Anschub notwendig“
Mittlerweile sind Fußballklubs verpflichtet, sich im Frauenfußball zu engagieren. Hier steht der Frauenfußball also: Eine im Vergleich zu anderen Ländern, mit denen man sich vergleichen will, langsame Entwicklung; ein Tritt in den Hintern für Männervereine, um sich im Frauenfußball zu engagieren. Es ist ein bisschen so wie die Frauenquote, die die EU börsennotierten Unternehmen vorschreibt: Niemand will sie, aber ohne scheint es nicht zu gehen. Dass die Richtlinie für Frauenfußball von der UEFA kommt, kann auch als Analogie verstanden werden. Die Bundesregierung kann auf Brüssel verweisen, der ÖFB auf Nyon. Sie schaut aber nicht mit einem weinenden Auge auf diese Entwicklung.
„Es braucht doch öfter mal so einen Anschub“, meint sie, „es ist der UEFA ja auch gelungen.“ Warum es dazu Vorschriften braucht, andere aus eigenem Antrieb auf Frauenfußball setzen, das sei nun nicht so wichtig. „Entscheidend ist, dass die Bundesligaklubs es vernünftig angehen und da denke ich, dass die Klubs auf einem extrem guten Weg sind.“ Eigentlich will sie dazu gar keine Vorschriften, aber „aber das spielt es eben aktuell nicht und das wissen wir eigentlich auch alle“, meint sie, „Insgesamt bin ich über die Entwicklung froh, es ist gut, dass die Klubs auf den Zug aufspringen. Diese Unterstützung ist für den Frauenfußball wertvoll und wir sind froh darüber.“
Breite schaffen
Damit geht aber wohl eine Entwicklung einher: Klassische Frauenklubs wie Kleinmünchen, Landhaus, Vorderland und wohl in Zukunft noch weitere werden verschwinden. Eine Entwicklung, die man auch in Deutschland beobachten konnte. Traditionelle Frauenteams wie Sand oder Potsdam finden sich mittlerweile nur noch in der zweiten Leistungsstufe. „Es gibt ja unterschiedliche Zugänge. In manchen Nationen konnten sich die Klubs quasi 'bedienen', hier muss jeder Klub seinen eigenen Weg finden“, erklärt sie. Der eine 'übernimmt' einen Verein, der andere benutzt in als Vehikel, wieder andere – wie Rapid – steigen unterklassig ein. Es sei wohl schade um die reinen Frauenfußballvereine, aber mit der zunehmenden Professionalisierung komme eben auch der Umstand mit, dass Marken wie Rapid, LASK und Co. eben einen anderen wirtschaftlichen Background hätten und sich insgesamt als Gesamtverein leichter täten: „Ich denke auch nicht, dass das verwerflich ist.“
Nun gilt es, diese Entwicklungen in die Breite zu bringen. Denn Österreich ist das gewissermaßen ein Paradoxon, wie Hochstöger ausführt. Die Pyramide sei quasi umgekehrt: Wenig Breite, aber eine sehr ergiebige Spitze. Ein Beispiel: Norwegen. Dort gebe es zehnmal so viele Spielerinnen, in der Nations League hat Österreich dennoch doppelt so viele Punkte geholt. „Man sieht schon, dass unser Weg auch zum Erfolg führen kann. So wie wir als Verband all das angehen, kann man schon sagen, dass wir den Frauenfußball in vielen Facetten mitdenken.“
Den gesellschaftlichen Wandel könne der Verband aber nur versuchen, mitzugestalten. Um Bewegung in der Schule zu ermöglichen, die zu Interesse an Vereinen führt, braucht es die Politik. Um die Vereine zu haben, braucht es gute Funktionär:innen. Aber: „Vielleicht müssen wir uns in Zukunft auch an der eigenen Nase nehmen und nicht mehr von Frauenfußball sprechen. Das hat sich so eingebürgert. Es muss aber stinknormal sein, dass Mädels und Frauen Fußball spielen. Das soll nichts Besonderes mehr sein.“
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